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Unter der Brücke ist kein guter Platz - für niemanden.

© Foto: imago images/photothek

Erste Hilfe für Wohnungslose: Berlin baut „Housing First“ aus – Gelder verdoppelt

6,1 Millionen Euro investiert Berlin im laufenden und kommenden Jahr in Wohnungsprogramme für Obdachlose. Das ehemalige Pilotprojekt soll zum Leitmotiv werden.

Das Versprechen der eigenen Wohnung bedeutet für obdachlose Menschen viel: die Aussicht auf Ruhe und Privatsphäre und die Möglichkeit, das eigene Leben neu zu sortieren. Seit 2018 hat Berlin die Methode des „Housing First“ in einer Pilotphase erprobt, insgesamt wurden seither 95 Wohnungen an obdachlose Menschen vermittelt.

Nun sollen die beiden laufenden Berliner Projekte ausgebaut und verstetigt werden. Im Doppelhaushalt des Senats für 2022 und 2023 sind dafür insgesamt 6,1 Millionen Euro vorgesehen, doppelt so viel wie zuvor. „Die Idee ist so bestechend und einfach: erst eine Wohnung und dann alles andere“, sagte die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Katja Kipping (Linke) am Montag.

Der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. (SkF) hatte zum Thema „Wie geht es weiter mit Housing First?“ in neue Beratungsräume in Kreuzberg geladen. Der Sozialdienst, der sich ausschließlich um Frauen und alle Menschen, die sich als solche definieren, kümmert, wird künftig auch Frauen mit Kindern in Wohnungen vermitteln. Das Projekt „Housing First Berlin“ betreut fortan auch obdachlose Paare.

Bislang hat der Sozialdienst 50 Wohnungen an obdachlose Frauen im Alter zwischen 20 und 76 vermittelt und hofft, dass es im Laufe des nächsten Jahres 115 sein können. 300 Frauen stünden auf der Warteliste, darunter etwa 100 mit Kindern, sagte Elke Ihrlich vom SkF. „Housing First Berlin“ vermittelte 45 Wohnungen, 2023 sollen es 120 sein. Der überwiegende Teil der Bewohner ist männlich.

Wie viele wohnungslose Personen in der Stadt – teils in Notunterkünften – leben, darüber gibt es keine wirklich verlässlichen Zahlen. Schätzungen gehen von 20.000 bis 50.000 Menschen aus. Bis zum Jahr 2030, so das Ziel der Vereinten Nationen, soll niemand mehr obdachlos sein – auch in Berlin nicht.

Dass die Gelder für die Projekte nun verdoppelt seien, stimme sie optimistisch und hoffnungsfroh, sagte Senatorin Kipping. Das einstige Pilotprojekt solle zum Leitmotiv der Wohnungslosenhilfe im Land Berlin werden. Sie hoffe auch auf eine „Strahlwirkung“ über Berlin hinaus.

Wer erstmal einen Mietvertrag für eine eigene Wohnung in Berlin erhalten hat, der kann Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen, um beispielsweise Traumata aufzuarbeiten oder einen Job zu finden. All dies beruht allerdings auf Freiwilligkeit. Die Vermittlung einer Wohnung, das erklärten am Montag Sozialarbeiter:innen, ist frei von Bedingungen. Auch ob er oder sie Drogen konsumiert, spielt erst einmal keine Rolle.

Nicht für jede Person, die möglicherweise jahrelang auf der Straße geschlafen hat, fühle sich ein derart abgeschlossener Bereich sofort gut an, erklärte Elke Ihrlich. In früheren Evaluationen des Pilotprojekts schilderten jedoch ehemals Obdachlose, dass die eigene Wohnung insbesondere für ihre Gesundheit einen positiven Effekt hat. Viele Frauen seien erstmals wieder in Kontakt mit ihrer Familie, so Ihrlich.

Um Wohnungen für die Menschen zu finden, arbeitet „Housing First Berlin“ mit allen sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften und mit den „zwei großen börsennotierten“ zusammen. Keiner müsse länger als vier bis sechs Wochen auf eine Wohnung warten, hieß es. Der Sozialdienst katholischer Frauen kooperiert mit Vonovia und Deutsche Wohnen. Zunehmend bieten offenbar auch private Vermieter:innen Wohnungen für Housing First an.

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