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Özcan Mutlu gehörte von 2013 bis 2017 für die Grünen dem Bundestag an.

© Sophia Kembowski/dpa

Update

Erschütterungen bei Berliner Grünen: Niederlage für Özcan Mutlu nach Mauschelei-Vorwürfen

Kurz vor der Nominierung des Bundestagskandidaten werden Vorwürfe gegen den Ex-Abgeordneten Özcan Mutlu laut. Konkurrentin Hanna Steinmüller gewinnt die Wahl.

Die 27-jährige Hanna Steinmüller ist zur Direktkandidatin der Grünen im Wahlkreis Mitte gewählt worden. Sie hat damit ihrem Gegenkandidaten Özcan Mutlu eine herbe Niederlage beigebracht. Steinmüller, Mitglied des Landesvorstands der Grünen, ist bei der Mitgliederversammlung am Sonntag im Poststadion mit 154 Stimmen bei 30 Gegenstimmen gewählt worden.

Geprägt war diese Versammlung allerdings von Zügen einer politischen Schlammschlacht. Kurz vor der Wahl waren aus Parteikreisen anonyme Vorwürfe an Mutlu an die Öffentlichkeit lanciert worden. Mutlu soll demnach Ende 2019 in einer Textnachricht, die dem Tagesspiegel vorliegt, um neue Mitglieder geworben haben, die ihn unterstützen sollen. Er soll dabei indirekt mitgeteilt haben, er werde deren Mitgliedsbeiträge übernehmen.

Zudem gibt es Mitglieder, die vermuten, Mutlu habe vor einer Woche dafür gesorgt, dass Amtsinhaber Stephan von Dassel bei der Kandidatenkür der Grünen für das Amt des Bezirksbürgermeisters knapp gegen Tilo Siewers gewonnen habe.

Mutlu sei mit 40 Mitgliedern, die vorher nie aktiv gewesen seien, aufgetaucht und habe mit ihrer Hilfe von Dassel die entscheidenden Stimmen besorgt. Pikant an diesem Vorwurf ist der Punkt, dass unter diesen 40 Mitgliedern zwei Journalisten seien, die der AKP, Partei des türkischen Präsidenten Erdogan, nahestehen. Zuerst hatte die „Berliner Morgenpost“ über den Fall berichtet.

Vor der Wahl des Bürgermeisterkandidaten hatte es offenbar einen Deal zwischen so genannten „Bunt-Grünen“, die sich für Migranten einsetzen, und Realos gegeben. Demnach unterstützten die Realos die „Bunt-Grünen“, die Siewer favorisierten. Im Gegenzug werde gemeinsam bei der Bundestagskandidaten-Kür Hanna Steinmüller gewählt. Doch Siewer scheiterte, und deshalb kursierte vor der Wahl am Sonntag die These, Mutlu werde im Poststadion abgestraft.

Kandidiert für die Grünen in Mitte für den Bundestag: Hanna Steinmüller.
Kandidiert für die Grünen in Mitte für den Bundestag: Hanna Steinmüller.

© Grüne Berlin-Mitte

Der gebürtige Türke, von 2013 bis 2017 Mitglied des Bundestags, wehrte sich in seiner Rede vehement gegen die Vorwürfe, er sei „ein U-Boot von Erdogan“. Er verwies ausführlich auf seine Proteste gegen die türkische Regierung und sein Eintreten in Istanbul für Menschenrechte. Mutlu bezeichnete die anonymen Vorwürfe als „Diffamierung“ und „Teil einer Rufmordkampagne“. Wer ihn so angreife, „der greift auch die ganze Demokratie an“.

Mutlu bestreitet die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen

In einem späteren Gespräch mit dem Tagesspiegel bestritt Mutlu nachdrücklich, dass er eine solche Textnachricht geschrieben habe. „Ich habe für niemanden Mitgliedsbeiträge bezahlt, ich weiß nicht, wer hier welches Spiel spielt“, sagte Mutlu. „Es ist unglaublich, dass in dieser Partei, in der so viel über Vielfalt und Offenheit geredet wird, so etwas passieren kann.“ Mutlu erklärte auch, er habe „keinen Pulk von Mitgliedern zur Abstimmung über Stephan von Dassel geschleppt“. Er habe aber „natürlich“ in der Mitgliedschaft für ihn geworben. „Ich halte ihn für einen sehr guten Kommunalpolitiker, daraus habe ich auch nie ein Hehl gemacht“, sagte er.

Will für die Grünen Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte bleiben: Stephan von Dassel.
Will für die Grünen Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte bleiben: Stephan von Dassel.

© Jörg Carstensen/dpa

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Ein anderer Punkt hat ihn so tief getroffen, dass ihm bei seiner Rede die Tränen kamen. Mutlu hatte 2016 nicht mitgestimmt, als der Bundestag beschlossen hatte, dass die Türkei 1915 an Armeniern einen Völkermord verübt hatte. Den Antrag hatte die Grünen-Bundestagsfraktion eingebracht. Mutlu hatte aber in der Fraktion für den Antrag gestimmt. Zudem war die Mehrheit im Bundestag für die Resolution gesichert.

Die Türkei hatte im Vorfeld der Abstimmung massiv Druck auf türkisch-stämmige Abgeordnete ausgeübt und auch öffentlich heftig protestiert. Es gibt Grüne, die Mutlu für seine Abwesenheit bei der Abstimmung kritisieren. Mutlu erklärte nun im Poststadion, er habe aus Sorge um seine Eltern nicht abgestimmt. Am Vorabend der Abstimmung seien Sicherheitskräfte bei ihnen aufgetaucht und hätten damit ihren Sohn unter Druck gesetzt. „Ich habe mich für die Sicherheit meiner Eltern entschieden“, sagte Mutlu. Dies habe er bisher nie offenbart. „Heute würde ich abstimmen, damit nicht wieder solche Vorwürfe kommen.“

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