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Anziehend. In den vergangenen Monaten sind mehr als 4000 Menschen den Berliner Sozialdemokraten beigetreten.

© imago/Metodi Popow

Erneuerung der Sozialdemokraten: Neue Führungspositionen in der Berliner SPD

Viele neue Genossen drängen in die Führungsgremien. Ministerin Giffey und Senatorin Kolat geben jeweils den Kreisvorsitz ab.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Rund 4400 neue Mitglieder, die seit Anfang vergangenen Jahres in die Berliner SPD eingetreten sind, treiben die Erneuerung der Hauptstadtpartei auch in den Führungspositionen voran. Wenn auch vorerst nur auf den unteren Ebenen. Bei den Vorstandswahlen in den 119 Ortsverbänden, die jetzt abgeschlossen sind, wurde ein gutes Drittel des Leitungspersonals ausgewechselt. „Viele neue, junge Genossen arbeiten jetzt in den Vorständen mit“, sagt die Sprecherin des SPD-Landesverbands, Birte Huizing. „Da ist viel Bewegung hineingekommen.“

Auch in den Kreisvorständen, die ab Freitag neu gewählt werden, sind Veränderungen zu erwarten. Aktive Neulinge, die kandidieren, müssen sich aber noch mit der zweiten Reihe der bezirklichen SPD-Führungsgremien begnügen. Zwar werden fünf der zwölf Kreisvorsitzenden ausgewechselt, aber die voraussichtlichen Nachfolger sind erprobte Kräfte und schon lange in der Partei. Eine Kampfabstimmung an der Spitze ist nur im Kreisverband Neukölln zu erwarten.

Dort gibt die neue Bundesfamilienministerin Franziska Giffey den Vorsitz am Sonnabend ab. Im Wettbewerb um die Nachfolge gehen Mirjam Blumenthal (Projektleiterin beim SPD-Bundesvorstand) und Severin Fischer (Stipendiat in der Stiftung Wissenschaft und Politik) ins Rennen.

Auch die Gesundheitssenatorin Dilek Kolat, die den Kreisverband Tempelhof-Schöneberg seit 2004 führt, tritt überraschend nicht mehr für den Kreisvorsitz an. „Alles hat seine Zeit“, schrieb sie an ihre Genossen und machte einen Personalvorschlag für den künftigen SPD-Bezirksvorstand bekannt, der „Erneuerung und Kontinuität verbindet“. Neuer Kreischef soll Lars Rauchfuß werden, der als Referent „für Regierungsplanung“ in der Senatskanzlei dem Regierenden Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller zuarbeitet. Gewählt wird ebenfalls am Sonnabend.

Auch in Lichtenberg ist an diesem Wochenende ein reibungsloser Übergang zu erwarten. Der ehemalige SPD-Abgeordnete und Verkehrsexperte Ole Kreins muss den Weg für die Stadträtin und frühere Bezirksbürgermeisterin Birgit Monteiro freimachen. Deren Wahl zur neuen Kreisvorsitzenden gilt als sicher.

Kluger Schachzug von Gaebler

Auch die Vize-Fraktionschefin der SPD im Bundestag, Eva Högl, muss eine Woche später keine böse Überraschung mehr befürchten. Zeitweilig hieß es, dass die Bundespolitikerin, die fast Ministerin geworden wäre, bei der Vorstandswahl im größten Berliner SPD-Kreisverband Mitte mit einem Gegenkandidaten rechnen müsse. Inzwischen hat man sich parteiintern geeinigt: Högl soll es werden.

Doch im zweitgrößten SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf hat der langjährige Müller-Vertraute Christian Gaebler große Mühe, seine Position als Bezirkschef zu behaupten, die er auch nach 22 Jahren im Parteiamt nicht aufgeben will, obwohl viele Parteifreunde mit seiner Arbeit zunehmend unzufrieden sind. Aber Gaebler gelang es, den Kreisvorsitz mit einem klugen Schachzug noch für ein Jahr zu retten. Normalerweise werden die Vorstände für zwei Jahre gewählt.

Der Sport-Staatssekretär erklärte sich bereit, den Vorsitz nach den Osterferien 2019 an den bisherigen Kreiskassierer Johannes Reichersdorfer abzugeben, der als Referent im Bundeswirtschaftsministerium sein Geld verdient. Diese oligarchisch anmutende Nachfolgeregelung stößt nicht bei allen genossen auf Zustimmung – und Gaebler wird am Freitag, wenn die Kreisdelegiertenversammlung tagt, wohl nur mit einer knappen Mehrheit rechnen können. Er selbst sprach in einem internen Brief von einem „Übergangsmodell“ und forderte „Respekt vor den zum Teil langjährigen Mitgliedern, die die SPD-Arbeit ehrenamtlich mit viel Einsatz und Engagement tragen“.

In den übrigen SPD-Kreisverbänden werden die bisherigen Vorsitzenden wiedergewählt: Harald Georgii (Friedrichshain-Kreuzberg), Knut Lambertin (Pankow), Ruppert Stüwe (Steglitz-Zehlendorf), Oliver Igel (Treptow-Köpenick), Stefan Komoß (Marzahn-Hellersdorf) – und natürlich der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh, der seinen Bezirksverband besonders fest im Griff hat.

Am 21. April sind die Kreisvorstandswahlen bei den Berliner Sozialdemokraten fast vollständig abgeschlossen. Nur in Reinickendorf wird erst am 6. Mai neu gewählt, dort wird voraussichtlich der langjährige SPD-Kreischef und Abgeordnete Jörg Stroedter abgelöst. Als Nachfolger ist – als Kompromisskandidat – der Rechtsanwalt Christian Oestmann im Gespräch.

Die innerparteilichen Wahlen gehen am 2. Juni in die letzte Runde, wenn auf einem Parteitag ein neuer Landesvorstand gekürt wird. Der SPD-Landeschef Müller will sich im Amt bestätigen lassen, auch der Vize-Landesvorsitzende und Innensenator Andreas Geisel gilt als gesetzt. Bei den übrigen Stellvertretern sieht es anders aus.

Die ehemalige Staatssekretärin Barbara Loth tritt mangels Aussicht auf Erfolg nicht mehr an. Ob sich die SPD-Bauexpertin Iris Spranger und der Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles in der Führungsspitze halten können, ist offen. Auch die Landeskassiererin und Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler, muss um ihren Job bangen. Sie gilt als verlässliche Stütze Müllers. Die Lage ist dieses Mal besonders unübersichtlich, weil es viele neue Parteitagsdelegierte gibt, deren Abstimmungsverhalten erst noch erkundet werden muss.

Auch das ist ein Ergebnis der Erneuerung. Trotz der Entscheidung, wieder in eine Große Koalition einzutreten, sind in Berlin die meisten Neuzugänge der SPD treu geblieben. „Wir haben immer noch mehr als 21 000 Mitglieder“, sagt Landesgeschäftsführerin Annet Seltz. Ihr eigener Ortsverband Schöneberg ist inzwischen die zweitstärkste SPD-Abteilung in Deutschland – mit 606 Genossen.

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