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Ein Missverständnis? Am Tag vor dem Myfest wurden die zwei "Little Homes" für Obdachlose auf dem Mariannenplatz abgerissen.

© Little Home e.V.

„Das war nicht der Auftrag“: Ermittlungen nach Abriss von „Little Homes“ in Kreuzberg

Der Abriss der Unterkünfte auf dem Mariannenplatz sorgt weiter für Ärger. Die Obdachlosen, für die die Holzhütten gebaut wurden, leben wieder auf der Straße.

Der Abriss zweier von Obdachlosen bewohnten „Little Homes“ auf dem Mariannenplatz für das Myfest am 1. Mai ist nicht ausgestanden. Am Dienstagvormittag, dem 30. April, war ein Lastwagen mit Baggerausleger angerückt und hatte die beiden Holzhäuschen zerstört. Als Grund führte das Bezirksamt nach Gesprächen mit der Polizei Sicherheitsbedenken an. Nun stellt sich die Frage: War das erlaubt?

Zuständig für den Abriss war laut Linkspartei das Straßen- und Grünflächenamt – und das untersteht Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Offenbar ist bei dem Einsatz etwas schiefgelaufen: „Auch mich ärgert, dass Tiny Houses zerstört wurden. Das war nicht der Auftrag“, erklärte Schmidt. Möglicherweise ist sogar eine Straftat begangen worden. Nach einer Strafanzeige wegen Sachbeschädigung ermittelt nun die Polizei, wie ein Sprecher dem Tagesspiegel sagte.

Die beiden Holzhütten sind im Sommer 2018 im Rahmen einer Konferenz für Straßenkinder gebaut worden. Der Verein „Little Home“ aus Köln überließ zwei Obdachlosen die kleinen Holzhütten per Schenkungsurkunde, es handelt sich also um Wohneigentum. Einer der Obdachlosen hat sogar wieder einen Job bekommen. „Er war auf dem Weg, sein Leben zu sortieren“, sagt Sven Lüdecke von Little Home.

Klar war von Beginn an, wie auch Jörg Richard, Vorstandschef der Karuna Sozialgenossenschaft, bestätigt, dass die beiden Tiny Houses nicht auf dem Mariannenplatz stehen bleiben können, sondern auf das Gelände der benachbarten Wagenburg verlegt werden sollten. Das lehnten die beiden Bewohner ab. Das Bezirksamt entschied im Februar: Die Hütten werden nur bis Ende April geduldet.

Vor dem Abriss gab es mehrere Versuche auch von Karuna, die beiden Bewohner dazu zu bewegen, die beiden Hütten zumindest auf das Gelände der St.-Thomas-Kirche verlegen zu lassen. Die Obdachlosen lehnten auch dies ab – sogar kurz bevor der Bagger anrückte.

Mit Briefkasten. Einer der Obdachlosen soll sogar amtlich gemeldet sein im "Tiny House" am Mariannenplatz.

© Little Home e.V.

Im Bezirksamt ging der Fall zwischen Baustadtrat Schmidt und Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke), immerhin Vize-Bezirksbürgermeister, hin und her. Die Linke-Fraktion der BVV kritisiert die Räumung als sozialpolitisch fragwürdig.

Little Homes sind wichtig für die Obdachlosenhilfe

Karuna-Chef Jörg Richard findet, das Bezirksamt hätte bei der beauftragten Firma klarer kommunizieren müssen, dass die Hütten nicht abgerissen, sondern nur umgesetzt werden sollen. Ohnehin brauche Berlin ein Konzept für den Umgang mit den Tiny Houses, die weltweit auch in anderen Städten entstehen. Für die Obdachlosenhilfe seien die Hütten wichtig. Karuna werde im Herbst eine neue Generation der Hütten vorstellen, die nicht brennbar sind. „Zum Glück ist noch nichts passiert“, sagt Richard.

Bleibt die Frage, ob der Abriss rechtmäßig war. Laut Lüdecke hatte einer der Obdachlosen seine amtliche Meldeadresse im Tiny House, auch eingetragen im Personalausweis. Ob das zutrifft und ob ein Abriss verfügt worden ist, konnte das Bezirksamt am Donnerstag nicht beantworten.

Auch das Justiziariat der Polizei hat sich vor einer Woche mit den Hütten befasst. Das Ergebnis: Sie sind rechtlich als Wohnungen zu betrachten – und die sind nach dem Grundgesetz geschützt: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Für eine Durchsuchung ist ein Richterbeschluss nötig. Die Hütten könnten laut Polizeivermerk im Einzelfall auch als Wohnsitz angemeldet werden und dürften als ladungsfähige Anschrift für Behördenpost gelten.

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