zum Hauptinhalt
Im Berliner Dom soll der Attentäter des 20. Juli gedacht werden - doch der Gottesdienst sorgt für Streit.

© dpa

Gedenkgottesdienste zum 20. Juli in Berlin: Erinnerung an Widerstandskämpfer sorgt für Streit

Am Sonntag jährt sich das Attentat Graf von Stauffenbergs auf Adolf Hitler. Daran wird nicht wie sonst mit einem, sondern mit zwei Gottesdiensten erinnert. Genau das sorgt für Streit - und der dreht sich vor allem um die Rolle von Bundespräsident Joachim Gauck.

Am 20. Juli 1944 versuchte Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Adolf Hitler zu töten - und scheiterte. Er wurde zusammen mit anderen an dem Attentat Beteiligten noch am selben Abend im Berliner Bendlerblock hingerichtet. Am Sonntag jährt sich das Attentat zum 70. Mal. Angehörige der Widerstandskämpfer, Politiker und auch die Kirchen wollen an diesem Jahrestag in besonderer Weise an das Ereignis erinnern. Ausgerechnet die Teilnahme von Bundespräsident Joachim Gauck an einem evangelischen Gedenkgottesdienst im Berliner Dom hat im Vorfeld aber zu Verstimmung bei einigen Angehörigen geführt.

Denn seit den 50er Jahren treffen sich die Angehörigen der Opfer des 20. Juli jedes Jahr am 20. Juli in der Hinrichtungsstätte Plötzensee. In dem Raum, wo ihre Väter, Großväter und Urgroßväter ermordet wurden und wo heute noch der Galgen an die grausigen Umstände erinnert, gedenken sie im Rahmen einer katholischen Messe und eines evangelischen Gottesdienstes der Vergangenheit. Gerade der ökumenische Charakter dieser Gedenkfeier ist vielen Angehörigen besonders wichtig. Auch am morgigen Sonntag wird es dort einen solchen Gottesdienst geben.

Unter den Verschwörern waren Katholiken und Protestanten, und für viele spielte der Glaube eine wichtige Rolle bei ihrer Entscheidung, in den Widerstand zu gehen. Die konfessionellen Unterschiede rückten dabei in den Hintergrund, was in der damaligen Zeit etwas Besonderes war. So standen der katholische Jesuitenpater Alfred Delp und der evangelische Helmuth James Graf von Moltke am 10. Januar 1945 gemeinsam vor dem Volksgerichtshof, wo sie zum Tod verurteilt wurden. Die Begründung für das Todesurteil lautete, dass sie als Christen miteinander über die Zukunft Deutschlands gesprochen hätten. Moltke interpretierte das in einem Brief an seine Frau Freya so, dass er “nicht als Protestant, nicht als Adliger, nicht als Preuße, nicht als Deutscher, sondern als Christ verurteilt” worden sei und es demnach seine eigentliche Bestimmung im Leben gewesen sei, die Konfessionsgrenzen zu überwinden. Jesuitenpater Klaus Mertes, der am Sonntag den katholischen Teil der Gedenkfeier in Plötzensee zelebrieren wird, hat in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass in den Widerstandskreisen und besonders in der Begegnung von Delp und von Moltke eine der Wurzeln für die Ökumene zwischen Katholiken und Protestanten nach dem Krieg liege.

Am morgigen Sonntag wird es zeitgleich mit der ökumenischen Gedenkfeier in Plötzensee aber auch noch einen evangelischen Gedenkgottesdienst im Berliner Dom geben. Das ist ein Novum. Einige katholische Angehörige sehen darin eine evangelische Konkurrenzveranstaltung und fürchten gar eine einseitige evangelische Vereinnahmung der Märtyrer. Zumal es sich um einen ZDF-Fernsehgottesdienst handelt und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, die Predigt hält. Durch die Ankündigung von Bundespräsident Joachim Gauck, dorthin zu gehen, bekommt der Gottesdienst einen offiziellen und fast staatstragenden Charakter. Das Bundespräsidialamt hatte außerdem im Vorfeld bei der Stiftung “20. Juli 1944“, in der sich Opferfamilien zusammengeschlossen haben, deutlich gemacht, dass sich Gauck wünsche, dass im Dom Angehörige dabei sein sollen.

Durch die Entscheidung des Bundespräsidenten, in den Berliner Dom zu gehen, sei eine “unglückliche Situation” entstanden, sagt Anton Wirmer, dessen Vater Josef Wirmer 1944 in Plötzensee hingerichtet wurde. Die Gemeinschaft der Angehörigen würde unter Druck gesetzt und womöglich gespalten. All das tue dem ökumenischen Gedenken nicht gut, fürchtet Wirmer. “Das ökumenische Erbe ist ein hohes Gut“, sagt er. Es dürfe auf keinen Fall beschädigt werden. Der Bundespräsident hätte besser abwägen müssen, welche Folgen es hat, wenn er in den Berliner Dom geht, findet Wirmer. “Er muss aufpassen, dass er da nicht etwas macht, was der Sache mehr schadet als nützt.”

Der Vorstand der Stiftung “20. Juli 1944” sieht das anders und begrüßt die Zweiteilung der Gedenkgottesdienste. So bleibe der intime Charakter der Feier in Plötzensee gewahrt, und gleichzeitig werde mit der Fernsehübertragung aus dem Dom in der breiten Öffentlichkeit auf das Thema hingewiesen, sagt Robert von Steinau-Steinrück, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung. Dass der Bundespräsident im Dom anwesend sein werde, verleihe dem Thema zusätzliche Prominenz, was doch nur gut sei. “Zwischen der Stiftung und dem Bundespräsidialamt gibt es keinerlei Verstimmung”, betont von Steinau-Steinrück.

Domprediger Thomas Müller bedauerte gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur die Irritationen. Es sei alles ein “riesengroßes Missverständnis”. Der Gottesdienst sei ein lange feststehender Fernsehgottesdienst, der eher zufällig auf den 20. Juli gefallen sei. Bei den ZDF-Fernsehgottesdiensten wechseln sich Katholiken und Protestanten ab. Es sei deshalb auch Zufall, dass nun am 20. Juli die Protestanten dran seien. “Es ist kein offizieller Gedenkgottesdienst, er hat keinerlei offiziellen Charakter, und wir haben Bundespräsident Gauck auch nicht eigens eingeladen, sondern die Teilnahme war sein eigener Wunsch”, sagt Müller. Dem steht allerdings entgegen, dass der Dom seit Wochen für den Gottesdienst ausdrücklich damit wirbt, dass der Bundespräsident anwesend sein wird. Domprediger Müller jedenfalls möchte den Gottesdienst in keiner Weise als Gegenveranstaltung zu dem traditionellen ökumenischen Gedenken verstanden wissen.

Es hatte vor einem halben Jahr auch Überlegungen gegeben, den ZDF-Fernsehgottesdienst nach Plötzensee zu verlegen. Doch der ökumenische Gottesdienst hätte den zeitlichen Rahmen eines Fernsehgottesdienstes gesprengt. Denn Katholiken und Protestanten feiern nach wie vor aus theologischen Gründen nicht gemeinsam Abendmahl. Und so gibt es in Plötzensee sowohl ein evangelisches Abendmahl als auch eine katholische Eucharistiefeier, was wesentlich länger dauert als die 45 Minuten der Fernsehübertragung. Auch wollen viele Angehörige gar nicht, dass die große Öffentlichkeit ihnen beim Trauern und Erinnern zuschaut.

Nun wird es wohl so sein, dass am Sonntag rund 300 Angehörige zum Gottesdienst in die Hinrichtungsstätte kommen - und 50 in den Berliner Dom.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false