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Vier Jahre nach seiner Schließung hat das Strandbad Tegel wieder einen privaten Betreiber.

© Jörg Carstensen/dpa

Erbaupacht soll neuen Betreibern Sicherheit geben: Das Strandbad Tegel soll wieder öffnen

Eine gemeinnützige Nachbarschaftsinitiative ist neuer Pächter des Strandbads Tegel. 2021 sollen Besucher wieder schwimmen können. 

Vier Jahre rottete das im September 2016 wegen einer mangelhaften Schmutzwasserleitung geschlossene, wunderschön gelegene Strandbad Tegel vor sich hin. Eingeworfene Scheiben und Unkraut, klassische Indizien der typischen Berliner Verwahrlosung des öffentlichen Raumes, signalisierten ratlosen Badegästen: Hier läuft nichts mehr.

Nun aber gibt es ein Zeichen der Hoffnung: 2021 soll das Strandbad endlich wieder öffnen. Die Berliner Bäderbetriebe und die Berliner Immobilienmanagement Gesellschaft (BIM), stellten am Dienstag am Ufer des Tegeler Sees, im Schatten alter Bäume, den neuen Betreiber vor. 

Es ist die neu gegründete Strandbad Tegel gGmbH, wobei das kleine „g“ für gemeinnützig steht. Denn hinter dieser Betriebsgesellschaft steht eine der größten Nachbarschaftsinitiativen Berlins, die „Neue Nachbarschaft/Moabit e.V.“. Sie wurde 2013 gegründet, hat mehr als 400 aktive Mitglieder und gibt als Ziel an, „einen Ort zu schaffen, wo Menschen zueinander finden, wo soziale Kontakte und ein gelebtes Miteinander entstehen“.

Die Initiative – an ihrer Spitze steht die 38-jährige, aus Minsk stammende Künstlerin und Aktivistin Marina Naprushkina – wurde für ihre ehrenamtliche Arbeit mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2014 mit dem Ehrenamtspreis des Bezirks und 2018 mit der Bürgermedaille. Auf europäischer Ebene ging im Jahr 2017 der mit 20.000 Euro dotierte ECF Princess Margriet Award for Culture an die Moabiter.

Marina Naprushkina erklärte für die neuen Betreiber, was in Zukunft alles anders sein soll. Das Strandbad Tegel soll ein Zentrum für Erholung und Natur werden, mit einer deutlichen sozialen Komponente. Kinder und Jugendliche werden freien Eintritt erhalten, auch für Erwachsene wird nur ein moderater Ticketpreis aufgerufen. Im Restaurant soll mit frischen Lebensmitteln vorwiegend vegetarisch gekocht werden, Naprushkina sprach von einer „gesundheitlichen Gastronomie“.

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Die neuen Betreiber wollen auch Lesungen, Kulturprogramme und Mitmach-Initiativen für Kinder und Erwachsene anbieten, aber keine großen Veranstaltungen. Man sei sich der Lage des Bades in einem Naturschutzgebiet sehr wohl bewusst. Wörtlich heißt es in einer Mitteilung des neuen Betreibers: „Wir bauen auch beim Strandbad Tegelsee auf nachbarschaftliche Netzwerke. Damit ermöglichen wir gerade den Menschen soziale Teilhabe, die sonst aufgrund mangelnder finanzieller Mittel oder ihres Flüchtlingsstatus leicht außen vor bleiben.“

Behörden-Frust beim Reinickendorfer Bürgermeister

Im Namen des Bezirks wünschte der Reinickendorfer Bürgermeister Frank Balzer (CDU) den neuen Betreibern, dass ihr Mut belohnt werde. Der Bezirk werde helfen, wo er kann. Die Frage der Parkplätze sei aber in der Hoheit der Forstverwaltung. Ob es eine Schiffsverbindung zwischen der Anlegestelle an der Greenwichpromenade und dem Strandbad geben könne – ein Traum der künftigen Betreiber – entscheide am Ende niemand außer der Wasser- und Schifffahrtsdirektion. Man merkte Balzer den Frust über Hemmnisse von Ämtern und Behörden bei früheren Versuchen an, das sehr beliebte Bad wieder mit neuem Leben zu erfüllen.

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Was aber qualifiziert einen solchen Verein zur Übernahme eines hoch defizitären Strandbades mit einem gewaltigen Investitionsrückstau? Die Antworten darauf gaben unter anderem Sport-Staatssekretär Aleksander Dzembritzki und Johanna Steinke von der BIM und Matthias Oloew, der Sprecher der Berliner Bäderbetriebe, BBB. 

Dieses Jahr soll mit dem Bau einer Schmutzwasserleitung begonnen werden

Erstmals wird ein solches Bad in einem Erbpachtbauvertrag über 40 Jahre vergeben, damit der Betreiber Investitionssicherheit hat. Und diese Investitionen sind gewaltig, listet dann Marina Naprushkina auf, die auch Geschäftsführerin der neuen Betriebsgesellschaft ist. Sie belaufen sich alleine für die neue, doppelwandige Schmutzwasserleitung auf etwa 700.000 Euro. Mit deren Bau soll noch in diesem Jahr begonnen werden, für Mai nächsten Jahres ist die Eröffnung anvisiert. Bis dahin müssen auch die Gebäude wieder hergerichtet sein, Neubauten sind untersagt.

Marina Naprushkina ist die Geschäftsführerin der Strandbad Tegelsee gGmbH. 
Marina Naprushkina ist die Geschäftsführerin der Strandbad Tegelsee gGmbH. 

© Jörg Carstensen/dpa

Es liegt auf der Hand, dass eine Nachbarschaftsinitiative dieses finanzielle Risiko alleine nicht stemmen kann. Deshalb hat die neue gGmbH zu 50 Prozent die Berliner Familie Jil Bentley und Klaus Kögler als Gesellschafter, die beide schon mehrfach als Förderer sozialer Projekte im Stillen gewirkt haben. Auf eine Frage des Tagesspiegels nach den Gründen ihres Engagements im Tegeler Bad sagte Klaus Kögler: „Die Gruppe um Marina Naprushkina macht seit Jahren einen tollen Job, die Idee, lokale Einwohner und Flüchtlinge zusammenzubringen, finden wir sehr gut und wollen sie auch hier bei diesem Projekt unterstützen.“

Wie viel tatsächlich noch getan werden muss, beleuchtet ein Erlebnis am Rande: Ein Paar mit einem kleinen Kind glaubte am Dienstag, sich auf dem Weg in ein offenes Strandbad zu befinden. Auf den Hinweis, dass das Bad noch geschlossen sei, reagierten die beiden fast befreit mit der Bemerkung: „Wir haben uns schon beim Reinkommen gewundert, wie das hier alles aussieht.“

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