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1600 Ladepunkte soll es in der Hauptstadt geben - bislang aber steht kaum die Hälfte.

© Illustration: Sabine Israel für den Tagesspiegel.

Elektromobilität in der Hauptstadt: In Berlin rollt’s noch nicht richtig

Die Hauptstadt muss in Sachen E-Mobilität aufholen. Drohende Fahrverbote könnten das forcieren.

Alle warten auf Leipzig – auch Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht wird wohl erst Ende April die schriftliche Begründung seines Urteils zu Fahrverboten vorlegen, das Ende Februar auch in der Hauptstadt Diskussionen auslöste. Die Leipziger Richter hatten Fahrverbote für ältere Diesel grundsätzlich für zulässig erklärt – wenn sie verhältnismäßig sind. Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) will auf die Urteilsbegründung warten, um dann konkret zu entscheiden, wie der neue Luftreinhalteplan aussehen und wie es mit dem Innenstadtverkehr in Berlin weitergehen soll. Auch über die vor dem Berliner Verwaltungsgericht liegende Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land wird erst im Frühsommer entschieden – oder aber Berlin und die DUH einigen sich außergerichtlich.

„Wenn die bisher schon vorgesehenen Maßnahmen nicht zur Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte führen, wird es auch in Berlin streckenbezogene Fahrverbote geben müssen“, hatte Günther nach dem Urteil erklärt. Von diesen „Maßnahmen“ gibt es viele in Berlin. Zentral ist die Elektromobilität, die den Verkehr der Zukunft in Deutschlands größter Stadt prägen soll. Das allerdings hat sich der Senat schon vor Jahren vorgenommen. „Internationales Schaufenster“ der Elektromobilität sollte Berlin werden, Vorzeigemetropole für moderne, umweltfreundliche Mobilität. Viel zu sehen ist davon bis heute nicht.

Mindestens zehn Prozent des landeseigenen Fuhrparks soll in den kommenden Jahren elektrisch fahren

Elektroautos sind auf den Berliner Straßen zum Beispiel nach wie vor selten. Kaum mehr als 2500 E-Mobile auf vier Rädern sind in der Stadt unterwegs – bei insgesamt mehr als 1,2 Millionen zugelassenen Pkw. Und die Nachfrage bleibt schwach. Nur knapp 0,8 Prozent der im vergangenen Jahr insgesamt gut 83 500 neu zugelassenen Fahrzeugen hatten einen Elektromotor. Zu den 664 neu angemeldeten E-Autos kamen laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) noch 3195 Hybrid-Fahrzeuge, die zusätzlich einen Verbrennungsmotor hatten. Der Bestand an E-Fahrzeugen, der laut KBA Anfang 2017 in Berlin bei 1668 Autos (ohne Plug-in-Hybride) lag, ist demnach zwar kräftig gewachsen – aber in absoluten Zahlen immer noch sehr klein. Die niedrige Quote ist allerdings keine Berliner Besonderheit. In Hamburg, sonst Vorreiter für unkonventionelle Mobilitätsformen, waren nur 0,4 Prozent der Neuzulassungen rein elektrisch. Und selbst das Autoland Baden-Württemberg kam 2017 nur auf 0,9 Prozent.Der Senat will – aufgeschreckt von der Debatte um Diesel-Fahrverbote – die Elektrifizierung nun beschleunigen. Anfang des Jahres wurde ein Zehn-Punkte- Plan verabschiedet, der unter anderem die forcierte Umstellung der Landesflotten auf Elektromobilität vorsieht. Mindestens zehn Prozent des landeseigenen Fuhrparks soll in den kommenden Jahren elektrisch fahren. Zusätzlich hat Regine Günther in einem Rundschreiben alle Senatsverwaltungen, die Polizei, Feuerwehr und die Bezirksverwaltungen sowie Stadtreinigung, Verkehrs- und Wasserbetriebe aufgefordert, bevorzugt neue Fahrzeuge mit Elektromotor anzuschaffen. Ein Förderprogramm zur Elektrifizierung gewerblicher Flotten wurde aufgelegt. Einen Zuschuss von 2500 Euro bekommen auch Taxifirmen, die ihre Diesel verschrotten und auf Hybrid umstellen. In Tempo-30-Zonen an fünf Hauptstraßen sollen Erkenntnisse über die Reduzierung von Abgasen gewonnen werden.

Die Bosch-Tochter Coup startete die Saison mit 1000 Elektrorollern. Wettbewerber Emmy hat 450 E-Scooter in der Berliner Flotte. Bis Sommer sollen es 600 werden

Bei der Anschaffung von E-Fahrzeugen stoßen vor allem BVG, Stadtreinigung, Feuerwehr und Polizei an Grenzen – denn es gibt kaum geeignete Angebote für die speziellen Anwendungen. Nach wie vor sind nur vier der 1400 BVG- Busse elektrisch, 30 weitere will die BVG anschaffen – von welchem Hersteller ist offen. Deutsche Busbauer bieten noch keine E-Modelle an. Immerhin hat die BVG 101 Elektroautos im Pkw-Fuhrpark, dazu drei E-Roller. Bei den Wasserbetrieben rollen 88 E-Fahrzeuge. Ende 2017 waren es beim Versorger Stromnetz Berlin 34 rein-elektrische Pkw. Die BSR kommt auf 37 E-Autos plus neun Elektrofahr- beziehungsweise Lastenräder. Auf einen elektrischen Müllwagen müssen die Berliner weiter warten – von den knapp 1600 Pkw und Nutzfahrzeugen der Stadtreinigung haben 1300 einen Dieselmotor. Auch die 700 Feuerwehrwagen sind fast alle mit Dieselmotor unterwegs. Buchstäblich elektrisierend für den Stadtverkehr wirken Sharing- und Shuttleanbieter. So hat Drive-Now 140 BMW i3-Modelle im Angebot, Clever-Shuttle (Bahn, Daimler) hat seine Flotte auf 30 Elektrofahrzeuge ausgebaut. Unangefochtene Hauptstadt ist Berlin bei Elektrorollern zum Mieten: Die Bosch-Tochter Coup startete die Saison am 1. März mit 1000 Elektrorollern. Wettbewerber Emmy hat 450 E-Scooter in der Berliner Flotte, bis zum Sommer sollen es 600 werden. Teil des Zehn-Punkte-Programms des Senats ist der Ausbau des Ladenetzes auf mindestens 1600 Ladepunkte bis 2019. Die Zahl müsste sich so bis ins kommende Jahr nahezu verdoppeln. Öffentlich zugänglich sind aktuell 420 Ladepunkte an den städtischen „be-emobil“- Säulen, 60 weitere sind geplant. Insgesamt sind rund 650 Ladepunkte in der Stadt öffentlich zugänglich. Das nach langer Ausschreibung gestartete „Berliner Modell“, das allen Nutzern von E-Autos ohne Abrechnungschaos offen stehen soll, ist umstritten. So weigern sich Innogy (gut 90 Ladepunkte) und Vattenfall ihre Technik an den Berliner Standard anzupassen. Der Streit mit Innogy liegt beim Verwaltungsgericht – mit Vattenfall hofft der Senat auf eine Einigung.

Weitere Texte zur Mobilität der Zukunft finden Sie auf unserer Themenseite.

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