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Am häufigsten für Tierversuche werden Mäuse verwendet, Fachterm: Mus musculus.

© imago/Westend61/imago stock&people

„Eine Labormaus kostet bis zu 2000 Euro“: Berliner Forscher kritisieren Genehmigungsprozesse für Tierversuche

Tierversuche müssen in einem zu zähen Verfahren genehmigt werden, kritisieren Biologen und Pharmaforscher. Dagegen sagen Tierversuchsgegner, das Genehmigungsverfahren sei zu lax.

In Berlin streiten Forscher, Veterinäre und Fachbeamte erneut über Tierversuche. Dabei werfen Tierversuchsgegner dem für Genehmigung zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) vor, Anträge auf Laborexperimente nur lasch zu prüfen. Pharmakologen und Biologen sagen dagegen, die Genehmigungsverfahren seien so aufwendig, dass sie die Forschung lähmten.

„Wir haben im Februar einen Antrag eingereicht, bei dem es um Laborversuche an Mäusen mit Tumor-Medikamenten geht. Diese Mittel sollen auch jene Krebsarten zurückdrängen, die mit derzeit üblichen Präparaten nicht bekämpft werden können. Leider wurde bis heute nicht über diesen Antrag entschieden“, sagt Jens Hoffmann, CEO der mittelständischen Experimental Pharmacology & Oncology GmbH, die 45 Forscher am Biotech-Park in Buch beschäftigt. „Ständig dauern Genehmigungen viele Monate, dabei schreibt die entsprechende Verordnung maximal 55 Arbeitstage bis zur Entscheidung vor.“

Die Forschung droht ins Ausland abzuwandern, wo die Genehmigungsprozesse besser sind.

Adrian Grasse, CDU-Wissenschaftsexperte

Bei aller Kritik der Forscher am Lageso ist aus dem Amt jedoch zu hören, dass im Jahr 2022 letztlich 95 Prozent der mehr als 130 Anträge auf Tierversuche genehmigt worden seien. Und dies, obwohl die zuvor anzuhörenden Tierversuchskommissionen nur 15 Prozent der Anträge zugestimmt hätten. Die Verfahren seien zu lax, kritisieren Tierschützer, das Lageso könne den Rat der Kommissionen letztlich ignorieren. Das Amt ist erst am Wochenende vom Tagesspiegel angefragt worden, es wird sich demnächst dazu äußern.

200-Seiten-Anträge für Tierversuche

Die hohe Genehmigungszahl mag stimmen, sagt Tumorforscher Hoffmann, allerdings lehnten die das Lageso beratenden Tierversuchskommissionen seiner Erfahrung nach fast routinemäßig Anträge ab, um allerlei Nachfragen stellen zu können. „Wir reichen oft schon Anträge mit bis zu 200 Seiten Gesamtlänge ein“, berichtet Hoffmann. „Dann kommen noch bis zu 30 Nachfragen, die wir auch beantworten – und während dieser Monate besteht Unsicherheit, ob wir das Experiment letztlich durchführen dürfen.“

Den gesetzlich vorgeschriebenen Kommissionen gehören sowohl Tierschützer als auch Forscher an – wobei Letztere innerhalb der Gremien formal die Oberhand haben, nachdem sich die SPD im rot-rot-grünen Senat 2020 gegen die Grünen durchgesetzt hatte. „Dennoch muss die Arbeit der Kommissionen verbessert werden, um den Berliner Forschungsstandort zu sichern“, sagte CDU-Wissenschaftsexperte Adrian Grasse. „Schaffen die Kommissionen es nicht, Anträge entsprechend zu bearbeiten, könnte man eine Genehmigungsfiktion einführen – also eine Regelung, die nach einer versäumten Frist einen positiven Bescheid annimmt. Andernfalls droht uns, dass die Forschung ins Ausland abwandert, wo die Genehmigungsprozesse besser sind.“

In Berlin wird in diversen Einrichtungen an Tieren geforscht. Neben vielen Firmen am Biotech-Campus in Buch sind das unter anderem Pharmakonzerne wie Bayer, die landeseigene Charité und das Robert-Koch-Institut. Die drei Einrichtungen hatten schon in der Pandemie die Genehmigungsprozedur als zu langsam kritisiert.

Bestimmte Züchter bieten Labormäuse an

Erst vor einigen Tagen kritisierten die Vereine „Ärzte gegen Tierversuche“ und „Tierversuchsgegner Berlin-Brandenburg“, dass die Zahl der gemeldeten Tiere in der Hauptstadt, die für Versuchszwecke gehalten werden dürfen, mit 600.000 Exemplaren zu hoch sei und zudem nicht abgenommen habe – und das, obwohl Politik und Forschung beteuerten, Tierversuche reduzieren zu wollen.

88
Prozent der Versuchstiere in Berliner Laboren sind Mäuse

„Die Mäuse, die wir wegen der Übertragbarkeit auf den Menschen für unsere Forschung brauchen“, sagt Pharmakologe Hoffmann, „können nur von bestimmten Züchtern gekauft werden. Sie kosten zwischen 200 und 2000 Euro pro Exemplar, dazu kommen hohe Kosten für die Haltung in sogenannten Reinräumen. Schon aus finanziellen Gründen versuchen wir also, mit möglichst wenigen Tieren auszukommen.“

Vom Lageso für 2021 veröffentlichte Zahlen zeigen, dass von damals 157.788 eingesetzten Versuchstieren mehr als 88 Prozent Mäuse waren.

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