zum Hauptinhalt
Das „Taipei 101“ überragt die Skyline der taiwanesischen Hauptstadt.

© Imago/YAY Images

Digitalisierung, Verkehr, Industrie: Eine Berliner Städtepartnerschaft mit Taipeh wäre nicht nur ein historisches Signal

Die Berliner FDP schlägt eine Kooperation mit Taiwans Hauptstadt vor. Warum das neben der Geste der Solidarität greifbare Chancen böte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Cornelius Dieckmann

Madrid, Istanbul, Warschau, Moskau, Taschkent, Peking: 17 Städtepartnerschaften pflegt Berlin weltweit, die meisten geschlossen um das Jahr der deutschen Einheit herum. Sie zeugen von der Hoffnung auf globale Zusammenarbeit nach dem Ende des Kalten Krieges. Einige, etwa die mit Russlands Hauptstadt, trugen tiefe Symbolik in sich, nun freilich enttäuscht.

Die Berliner FDP hat jetzt vorgeschlagen, als Reaktion auf Chinas Eroberungsfantasien gegen das demokratische Taiwan eine Städtepartnerschaft mit dessen Hauptstadt Taipeh einzugehen. „Wie einst Berlin im Kalten Krieg ist Taipeh heute ein Leuchtturm der Freiheit“, sagt der liberale Abgeordnete Tobias Bauschke.

Die Reaktionen bislang sind verhalten bis ablehnend, einzig die Fraktion der Grünen ist offen für eine Taipeh-Verbindung. Die Linksfraktion etwa sei gegen eine „einmalige, symbolische Solidaritätsbekundung“, weil eine Städtepartnerschaft „langfristig Zusammenarbeit und Austausch fördern“ müsse.

Recht hat sie! Und gerade deshalb ist der Vorschlag eine gute Idee. Gegen Symbole ist nichts einzuwenden, dazu gleich, aber Berlin könnte auch praktisch in etlichen Feldern von Taipeh profitieren.

Funktionierende Digitalisierung – ganz ohne Überwachungsstaat

Städtepartnerschaften leben von ihrer Anwendbarkeit; mit 2,6 Millionen Einwohnern ist Taipeh von der Größe her mit Berlin vergleichbar. Was sich konkret lernen ließe? Digitalisierung zum Beispiel. Die funktioniert in Taipeh anders als in Berlins Partnerstadt Peking ganz ohne Überwachungsstaat – eine ureigene und berechtigte deutsche Sorge. Auch Taipehs effizientes U-Bahn-Netz, die MRT, kann Vorbild sein für Berlins unterirdischen Nahverkehr.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Nicht zuletzt ist viel von Taiwans international beneidetem Tech-Know-How in Taipeh angesiedelt. Wer einmal dort war, weiß, wie sehr Unternehmer explizit die deutsche Industrie schätzen – und wie groß die Lust auf wirtschaftlichen Austausch ist.

Im Rahmen der Partnerschaft mit Peking hat Berlin 2018 ein eigenes Wirtschaftsbüro in Chinas Hauptstadt eröffnet, das Berliner Unternehmen den Zugang zum chinesischen Markt erleichtern soll. Umgekehrt betreibt Peking eine eigene Anlaufstelle in Berlin. Warum nicht ein Pendant für Taipeh schaffen? Im Gegensatz zu Pekings Diktatkapitalismus hat Taipeh einen freien Markt.

[Lesen Sie auch: Wiederholungsgefahr in Asien – Wird Taiwans zur zweiten Ukraine? (T+)]

Und ja, auch Symbole besitzen Kraft, gerade in Berlin sollte man das wissen, Mister Gorbachev, und so weiter. Berlin könnte eines setzen, ohne den diplomatischen Parcours überwinden zu müssen, der die Bundespolitik hemmt.

Mehr Prag wagen

Berlins Partnerstadt Prag hat es 2020 vorgemacht und Taipeh zu einer der ihren gemacht. Dass Peking danach die Partnerschaft mit der tschechischen Hauptstadt beendete, ist bedauerlich, aber kein Grund, gleichsam konditioniert abzuwinken. Berlin muss sich nicht anmaßen, ein außenpolitischer Akteur sein zu wollen. Es hat aber anders als der Bund die Möglichkeit, weithin sicht- und eben auch praktisch spürbar einer gleichgesinnten Gesellschaft die Hand zu reichen. Nicht gegen Peking. Für Taipeh.

Dass Taiwans Hauptstadt allein in der Zeit des amtierenden Bürgermeisters fünf Partnerschaften geschlossen hat, zuletzt mit Prag und Lima, zeigt, dass sie die Kooperation sucht. Berlin wäre Nummer 52. Es stünde uns gut zu Gesicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false