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Beim Jugger stürmen die „bewaffneten“ Spieler auf einander los.

© Verein Indiwi

Ein Verein für alle: Inklusives Freizeitangebot für Kinder in Berlin

Indiwi bietet seit 30 Jahren inklusive Freizeit für Kinder in Berlin. Von Kochen bis zu Sport – der Verein bemüht sich sein Angebot für alle zugänglich zu machen.

Von Charlotte Aebischer

Drei, zwei, eins – Jugger!“ Das ist das Signal, auf das die Kinder gewartet haben. Manche schneller andere langsamer, manche lauter andere leiser, so rennen sie aufeinander zu. Jedes Kind hält eine Art „Waffe“ in der Hand: Viele tragen Stäben, deren Spitzen mit Schaumstoff umwickelt sind, manche kürzer manche länger.

Einige tragen eine Art Ritterschild dazu, andere schleudern Bälle, die an langen Seilen hängen. Von außen beobachtet, ein ziemliches Chaos. Und doch scheinen die Kinder alle ganz genau zu wissen, was sie da machen. Mehrere Trainer, viele nur wenig älter als die älteren Spieler, unterstützen sie dabei.

Bei diesem sonderbaren Sport handelt es sich um Jugger. Ein Training dafür bietet die Jugendfreizeiteinrichtung Indiwi jeden Sonnabend an, in einer Schulturnhalle in Kreuzberg nicht weit vom Checkpoint-Charlie entfernt. Mitmachen darf hier wirklich jedes Kind. Das die Kinder hier sehr unterschiedlich sind, fällt erst auf, wenn man länger und genauer hinschaut.

Herzfehler, Epilepsie, Förderbedarf: Jedes Kind darf teilnehmen

Indiwi, eine Einrichtung des Bund Deutscher Pfadfinder:innen, sei vor 30 Jahren gegründet worden, sagt Volker Kohle, Vorstandsmitglied von Indiwi. Und zwar mit dem Grundgedanken der Inklusion. Jedes Kind, ob mit oder ohne Förderbedarf, solle an dem Angebot teilnehmen können. In anderen Worten, jedes Kind solle so angenommen werden, wie es ist. Diese Idee der inklusiven Freizeit sei damals revolutionär gewesen.

Bei allen Angeboten des Vereins werden deshalb immer ein Drittel der Plätze für Kinder mit Förderbedarf freigehalten. Förderbedarf – das beinhalte ganz unterschiedliche Formen von Bedürfnissen. Das reicht vom Herzfehler, über Epilepsie, bis hin zu Aufmerksamkeitsstörungen und anderen Beeinträchtigungen. Indem man einen Betreuungsschlüssel von eins zu fünf garantiere, versuche man das Angebot „barrierefrei“ zu gestalten.

Basketball, Bandproben und Ausflüge gehören zu den Angeboten

Fast so breit wie das Spektrum an speziellen Bedürfnissen, mit denen Indiwi umgeht, ist auch das Angebot des Vereins. Zum einen gibt es da das Wochenprogramm. Dazu gehören Kunst- und Holzwerkstätten, Ausflüge, aber auch gemeinsames Kochen. Zusätzlich stehen den Kindern unter der Woche auch drei große Räume im Stadtteilzentrum Alte Feuerwache in Kreuzberg je von 15 Uhr bis 19 Uhr zur freien Verfügung.

Zum anderen hat das Indiwi Angebote für feste Gruppen. Mittwochs gibt es zum Beispiel Basketballtraining, donnerstags ein Bandprojekt namens „Indi-Beats“.

Und dann natürlich auch noch Jugger. Das gebe es erst seit fünf Jahren bei Indiwi, sagt Kohle: „Ich habe das mal auf dem Tempelhofer Feld gesehen und direkt gewusst: Das müssen wir auch machen“. Bei dieser Sportart, die eigentlich aus der Rollenspielszene stammt, handelt es sich um eine Art Mischung aus Fechten und Rugby. Besonders wichtig sei dabei der Teamgedanke, denn nur, wenn alle gut zusammen spielen, könnten sie gewinnen. Deshalb sei der Sport ein besonders gutes Angebot, um Inklusion zu vermitteln, sagt Kohle.

Die einen haben ein Selbstbewusstsein wie sonst was, die anderen überhaupt keins.

Volker Kohle, Vorstandsmitglied von Indiwi

Darüber hinaus bietet Indiwi regelmäßig inklusive Reisemöglichkeiten. Dort gebe es einen Betreuungsschlüssel von eins zu drei. Ein Herzprojekt Kohles: „meine Leidenschaften sind die Reisen und der Sport“, sagt er. Er erzählt von „großartigen Schwedenreisen“ und aufregenden Klettereisen nach Sachsen. Oft würden Kinder von den Eltern überbehütet, sagt er. Ihnen werde zu wenig zugetraut. Doch indem man sie bei Indiwi einfach machen lasse, was die anderen auch tun, sie also integriere, stellten die Eltern fest: Die Kinder können das doch.

Wie geht Inklusion bei Kindern?

Einfach sei Inklusion nicht immer, sagt Kohle. Beim Jugger sei es zum Beispiel eine Herausforderung, sowohl die schlechtesten als auch die besten Spieler angemessen zu fördern. Talentierte Kinder sollten den Spaß am Training nicht verlieren. „Die einen haben ein Selbstbewusstsein wie sonst was, die anderen überhaupt keins“, sagt Kohle. Das gelte es in einem Team zu vereinen.

Besonders schwierig werde dieser Spagat bei Turnieren. Denn dann käme bei den Kindern, und mehr sogar noch bei den Jugendlichen der Wettkampfgeist zum Vorschein. Dann mangele es manchmal an Verständnis, wenn nicht die besten Spieler auf dem Platz stünden, sondern jede:r mitspielen dürfe, der:die wolle.

Doch insgesamt funktioniere Inklusion laut Kohle bei Kindern sehr gut. Wenn sie damit aufwachsen, dann sei es für sie einfach normal, wenn alle mitmachen dürften. Beflügelnd sei, dass es regelmäßig dazu käme, dass Kinder Freundschaften knüpfen, auch über das Freizeitangebot hinaus. Auch dass nach einem Turnier immer alle stolz seien, gebe einem ein gutes Gefühl. Und immerhin sei man als einziges inklusives Team bei Wettbewerben stets im Mittelfeld zu finden, sagt Kohle nicht ohne Stolz.

Personalmangel erschwert die Inklusion

Die größte Herausforderung hinsichtlich der Inklusion sieht Kohle in Bezug auf den Personalmangel – ein Problem, mit dem gerade momentan viele Einrichtungen zu kämpfen haben. „Inklusion kostet“, sagt er. So sei der aktuelle Betreuungsschlüssel nicht ideal. Mit einem höheren Schlüssel wäre es nämlich möglich, das Angebot noch inklusiver zu gestalten. Auch nach Ehrenamtlichen suchten sie deshalb händeringend.

Denn dass die Angebote von Indiwi gut ankommen, daran gebe es keinen Zweifel, sagt Kohle. Sie seien eigentlich immer ausgebucht. Demnächst wollten sie deshalb das Angebot erweitern.

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