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Fossil im Museum: Bernhard Blaskiewitz gab sich am Dienstag im Alfred-Brehm-Haus gut gelaunt.

© Thilo Rückeis

Zoochef Bernhard Blaszkiewitz: Ein Fossil sagt Tschüss

Zum Abschied eröffnet Zoochef Bernhard Blaszkiewitz die sanierte Tropenhalle im Tierpark. Nach vierzig Jahren in Zoo und Tierpark tritt der umstrittene Direktor ab.

Wann gibt es schon mal die Gelegenheit, einem Fossil die Hand zu schütteln? Mehr als 100 Besucher sind an diesem Dienstagvormittag in den Tierpark in Friedrichsfelde gekommen, viele Freunde, Zoo- und Tierparkveteranen, aber auch einige, die Bernhard Blaszkiewitz eher als Feinde bezeichnen würde – Journalisten und Mitglieder des Fördervereins von Zoo und Tierpark etwa. Der amtierende Direktor von Tierpark und Zoo soll an diesem Vormittag die sanierte Tropenhalle des Alfred-Brehm-Hauses im Tierpark wiedereröffnen. Es ist seine letzte große Amtshandlung, denn in einer Woche, am kommenden Dienstag, ist Schicht. Dann übernimmt Andreas Knieriem die Leitung im Zoo und Tierpark.

Es könnt wohl keinen passenderen Ort für Blaszkiewitz’ letzten großen Auftritt geben als das Alfred-Brehm-Haus: Mit 5300 Quadratmetern Fläche war es 1963 das größte Tierhaus der Welt. Richtungsweisend. Modern. Mittlerweile ist es in die Jahre gekommen; so beeindruckend die bühnenartigen Freianlagen für Tiger und Löwen im Innern des Hauses noch sind, so unzeitgemäß sind die Reihen aus Käfigen und Glasvitrinen – viele stehen leer. Mittlerweile erinnert es mehr an ein Museum als an ein Zoohaus.

In der Tropenhalle, dem Herzstück des Hauses, hat der typische erdige Duft noch nicht den Geruch von Lack und Farbe verdrängt. Erst in der vergangenen Wochen sind die Tiere eingezogen. Flugfüchse baumeln kopfüber in den dürren Ästen der kleinen Bäume. Zwei Vögel schwirren durch die Halle und landen unter dem Glasdach auf den silbernen Rohren der Beregnungsanlage. Hier ist nichts kaschiert, jedes Lüftungsrohr, jeder Scheinwerfer ist zu sehen. In vielen Zoos wird so etwas heutzutage hinter Kunstfelsen versteckt. Nicht bei Blaszkiewitz.

Das Einzige, was Blaszkiewitz zu kaschieren versucht, ist seine Gemütslage. Er gibt sich zufrieden, scherzt bei der Eröffnungsrede: "Hier fliegen die Vögel eher als auf dem Großflughafen BER." Das wohlgesonnene Publikum lacht gönnerhaft. Doch so zufrieden sich Blaszkiewitz auch gibt, sein Blick lässt Gegenteiliges vermuten. Auch wenn er lächelt, suchen seine Augen skeptisch die Menschenmenge ab. Ihm scheint keine Bewegung zu entgehen. Er hat gelernt, misstrauisch zu sein.

1974 begann Bernhard Blaszkiewitz als Tierpfleger im Zoo

Einer, der Blaszkiewitz seit langem kennt, ist Werner Philipp. Der 79 Jahre alte Zoo-Aktionär hat als Journalist 30 Jahre lang über Zoo und Tierpark geschrieben. Er nennt Blaszkiewitz ein Fossil. „Er ist 19. Jahrhundert, so wie ich auch“, sagt Philipp. Doch er schätzt, und das mag im ersten Moment verblüffen, besonders dessen Menschlichkeit. Etwa wenn Blaszkiewitz sich um altgediente Tierpfleger gekümmert habe. „Er ist zartbesaiteter als er nach außen wirkt.“ Blaszkiewitz’ größtes Problem sei es, undiplomatisch zu sein. „Er ist ein typischer Berliner, er trägt sein Herz auf der Zunge und ist deshalb oft blindlings in Fettnäpfe gelaufen.“ 2008 musste sich Blaszkiewitz vor dem Abgeordnetenhaus verantworten, weil er jungen verwilderten Hauskatzen den Hals umgedreht hatte, 17 Jahre zuvor. Den Rummel um Eisbär Knut wollte er nicht mitmachen, ihm war der Personenkult um ein Tier zuwider. Zuletzt der Kauf von 30.000 Tonnen Sand, die schadstoffbelastet sein sollen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

1974 hat Blaszkiewitz als Tierpfleger im Zoo begonnen, er studierte Biologie, promovierte und übernahm 1991 den Tierpark. Dem damaligen Zoodirektor Heinz-Georg Klös war der Tierpark im Osten nicht geheuer, ein „Fass ohne Boden“ nannte er ihn, wie Philipp erzählt. „Der Dicke macht das schon“, habe Klös damals gesagt – und Blaszkiewitz in den Osten geschickt. Blaszkiewitz sei es zu verdanken, „dass der Tierpark eine Ordnung und Struktur erhalten hat“, sagt Philipp. Den heutigen wertvollen Tierbestand habe er aufgebaut und viele neue Tierhäuser bauen lassen. „Auch wenn die nicht immer ästhetisch waren, funktional waren sie allemal.“ 2007 hat Blaskiewitz auch die Leitung des Zoos übernommen.

Zoo und Tierpark will Blaszkiewitz weiterhin besuchen und schreiben – ein Buch über Nashörner etwa. An seinem letzten Arbeitstag ist er bei einer Diskussionsrunde im Flusspferhaus zu Gast. Das Thema: Quo vadis Zoo?

Die zukunft im Zoo und Tierpark wird dann Andreas Knieriem gestalten, der – wie er einst selbst feststellte – fast wie ein Messias in Berlin erwartet wird. Nicht nur weil auf ihm die Hoffnungen als Modernisierer liegen, sondern schlicht und einfach auch deswegen, weil er nicht Bernhard Blaszkiewitz ist.

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