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Der Hausherr: Dennis Buchner im Berliner Abgeordnetenhaus.

© Foto: TSP/Doris Spiekermann-Klaas

Berlins Parlamentspräsident im Gespräch: "Ehrenamt braucht Wertschätzung"

Dennis Buchner, Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, über freiwilliges Engagement als Träger des gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Dennis Buchner ist seit November 2021 Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses. Für die SPD saß er zuvor seit 2011 im Parlament und war sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Wir sprachen mit Buchner darüber, welche Bedeutung das bürgerschaftliche Engagement für ihn und für die Zivilgesellschaft hat.

Das Engagement ist für mich ein ganz wesentlicher Träger des Zusammenhalts in unserer Stadt. Ich habe ja über viele Jahre Sportpolitik gemacht und weiß daher beispielsweise, dass der Sport in Berlin nicht funktionieren würde ohne das ehrenamtliche bürgerschaftliche Engagement. Ich bin auch nach dem heutigen Besuch wieder beeindruckt, wenn etwa bei der Bahnhofsmission junge Menschen in ihrer Freizeit an einem Tag pro Woche vier, fünf Stunden mithelfen.  Das Ehrenamt ist für mich ein ganz wesentlicher Kitt für unsere Gesellschaft.
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Ist für eine nicht so reiche Stadt wie Berlin das zivilgesellschaftliche Engagement besonders wichtig?
Klar, es ist in vielen Bereichen so, dass über ehrenamtliches Engagement das geleistet wird, was wir uns finanziell sonst nicht leisten könnten und wo es auch die notwendigen Hauptamtlichen gar nicht gibt. Das haben wir hier auch bei der Bahnhofsmission gehört, dass zum Beispiel Sozialarbeiter fehlen, die professionell mit Obdachlosen umgehen können. Da ist es natürlich eine große Hilfe, dass es Leute gibt, die dies auch ohne eine professionelle Ausbildung machen.  Und sich einfach die Zeit nehmen, mit Menschen zu reden, mit denen sonst nicht viele Kontakt haben wollen.

Wird dies vom Senat entschieden genug in der Öffentlichkeit gewürdigt? Im vergangenen Jahr, als Berlin die europäisch Freiwilligenhauptstadt war, ist viel passiert. In diesem Jahr hat das wieder etwas nachgelassen.
Das kann ich schwer einschätzen. Es geht vielmehr darum, dass man in den letzten Jahren auf Senats- und Abgeordnetenhaus-Ebene umgesteuert hat und generell erkannt hat, wie wichtig es ist, diese ehrenamtlichen Strukturen zu fördern. Gerade, weil wir vieles nicht als Staat leisten können.

... und weil eine starke Zivilgesellschaft auch wehrhaft gegen Rechtsradikale und Rassisten ist.
Das glaube ich auch. Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, und dadurch auch Kontakte knüpfen, ob im Sport oder in Nachbarschaftszentren, sind auch weniger anfällig für Hetze und rechte Parolen.

Nach jahrelanger Diskussion soll es nun losgehen mit einem landesweiten Beteiligungshaushalt, für den das Abgeordnetenhaus 25 Millionen Euro bewilligt hat. Ein wichtiger Schritt, um die Partizipation der Berliner zu stärken?
Ja, weil es auch ein Zeichen dafür ist, dass sich sowohl das Abgeordnetenhaus als auch der Senat Gedanken darüber gemacht haben, wie man Strukturen langfristig verbessern kann, und jenseits von kurzfristiger Förderung auch längerfristig was auf die Beine stellen kann. Was das Thema Wertschätzung angeht, haben wir als Abgeordnetenhaus in den vergangenen Jahren einiges gemacht – etwa einen eigenen Ausschuss für das bürgerschaftliche Engagement eingerichtet. Wir haben auch Veranstaltungen wie „Berlin sagt Danke“. Und wir haben die Ehrenamtskarte. Das sind alles Sachen, mit denen wir anerkennen, dass sich Menschen zivilgesellschaftlich ehrenamtlich engagieren. Wobei man gleichzeitig auch sagen muss, dass dieses Engagement mit Geld nicht aufzuwiegen ist. Das Ehrenamt ist Ehrenamt, aber dafür braucht es Wertschätzung. Ich finde auch die Debatte sehr sinnvoll, die von der Bundesinnenministerin Nancy Faeser angestoßen wurde, ob Menschen, die sich 30, 40 Jahre lang ehrenamtlich engagiert haben, zusätzliche Rentenpunkte erhalten sollten.

Wir haben aktuell beim Großbrand im Grunewald erlebt, dass die 1500 Freiwilligen Feuerwehrleute mit ihren 59 Wachen in Berlin einen enormen Anteil an der Brandbekämpfung und Notfall-Versorgung haben. Sind dafür 3,50 Euro Aufwandsentschädigung pro Stunde unangemessen?
Das sehe ich auch so. Da muss man darüber reden, wie man das anheben kann. Ich war erst kürzlich bei der Freiwilligen Feuerwehr vor Ort. Es geht hier um zwei Dinge: Es geht um Anerkennung für die ehrenamtlichen Feuerwehr-Leute, aber es geht am Ende auch um Wertschätzung, indem man die Aufwandsentschädigung auch ein Stück weit anhebt. Ich glaube, an dem Thema ist die Innensenatorin Spranger in ihrer Verwaltung bereits dran.

Anders als in der vergangenen Wahlperiode wird im Abgeordnetenhaus das bürgerschaftliche Engagement im Ausschuss zusammen mit den Bereichen Medien und Bundesangelegenheiten abgehandelt. Da wird das Thema an den Rand gedrückt.
Das kann ich nicht beurteilen, weil ich dem Ausschuss nicht angehöre. Es kommt natürlich auch darauf an, welche Themen für den Ausschuss angemeldet werden. Mein Eindruck ist, dass in der letzten Wahlperiode dort viele Themen bereits aufgegriffen worden sind, und man deshalb den Eindruck hat, dass müsste man jetzt nicht schon wieder besprechen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele Themen, die bürgerschaftliches Engagement betreffen, auch in anderen Ausschüssen behandelt werden. Das Thema Sport hat einen eigenen Ausschuss, das Thema Feuerwehr spielt im Innenausschuss immer wieder ein Rolle, im Integration- und Sozialausschuss ebenfalls. Es ist deswegen nicht ganz einfach, alles im Ausschuss für Engagement, Bundesangelegenheiten und Medien zu behandeln.

Viele jüngere Ehrenamtliche müssen aufhören, weil sie nur irgendwo anders in Deutschland einen Studienplatz bekommen. Sollte es Erleichterungen geben, etwa Studienpunkte, damit diese Engagierten in Berlin bleiben und hier studieren können?
Generell ist es richtig, darüber nachzudenken, wie langjährig ehrenamtlich Engagierte Vorteile genießen können. Das Thema Rentenpunkte habe ich schon angesprochen, das Thema Anerkennung bei Wartezeiten für ein Studium wäre auch ein Thema. Relativ schwierig finde ich den Wunsch, dass man automatisch in Berlin studieren darf, wenn man sich hier ehrenamtlich engagiert. Das lässt das Hochschulrecht nicht zu. Wenn man zu viele unterschiedliche Quoten hat, mit denen Studienplätze vergeben werden, wird es verhältnismäßig schwierig. Und warum soll eigentlich jemand, der in Berlin etwa bei der Bahnhofsmission gearbeitet hat, dies nicht auch am Studienort in Heidelberg tun? Entscheidender für mich ist, dass wir die Möglichkeiten verbessern, damit Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, leichter ein solches Ehrenamt finden – etwa auf Freiwilligenbörsen. Gerade unter älteren Menschen erlebe ich es, dass die häufig ein sinnstiftendes Engagement suchen. Das zu finden, müssen wir noch weiter erleichtern.

Die Freiwilligentage „Gemeinsame Sache“, die von Tagesspiegel und Paritätischen Wohlfahrtsverband organisiert werden, sind mit ihren mehrere hundert Aktionen nicht nur eine Demonstration der Stärke der Engagierten, sondern sollen auch Menschen ermöglichen, sich unkompliziert einer Initiative anzuschließen.
Ich unterstütze das definitiv gerne. Die Freiwilligentage, aber auch die Freiwilligenbörsen, wo sich Initiativen vorstellen, sind ein guter Weg für Menschen, für sich ein geeignetes Engagement zu finden. Wichtig ist, niedrigschwellige Anknüpfungspunkte zu schaffen, ob im Internet oder über Mundpropaganda. Am Ende ist ehrenamtliches Engagement gerade der älteren Menschen auch ein Weg, um Einsamkeit zu verhindern und Anknüpfungspunkte zu bekommen.

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