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Alles sauber? In den Berliner Justizvollzugsanstalten blüht der Handel mit eingeschmuggelten Waren – auch mit Drogen.

© dpa/Marc Tirl

Drogenproblem: CDU fordert mehr Kontrollen in Berlins Gefängnissen

Drogen, Sex und Schmuggelware: Im Gefängnis gibt es alles, was es auch draußen gibt, und viel zu wenig Kontrolle. Mit Absicht?

Von Fatina Keilani

Im Gefängnis sind Geld, Alkohol, Drogen und Handys verboten – und doch ist alles in reichem Maß vorhanden. Die Berliner CDU fordert jetzt häufigere Haftraumkontrollen durch Externe mit Hoheitsbefugnissen, da sie die sporadischen Kontrollen durch Anstaltsbedienstete für nicht ausreichend hält. Außerdem plädiert sie für die Einrichtung einer Task Force beim Landeskriminalamt (LKA) und den Einsatz von Drogenspürhunden. Die seien schon etatisiert gewesen, doch dann habe die Justizverwaltung den Plan wieder eingestampft, sagt der CDU-Rechtspolitiker Sven Rissmann. Auch der Bund der Justizvollzugsbediensteten (BSBD) unterstützt diesen Vorschlag.

Drogenspürhunde an den Eingängen der Haftanstalten würden sicherlich durchschlagenden Erfolg haben; dennoch wird der Plan alle paar Jahre gefasst und wieder fallen gelassen – das war auch schon unter Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) so. Das hat seinen Grund, glaubt ein früherer Gefängnismitarbeiter, denn die Drogen sorgten immerhin für ein gewisses Maß an Ruhe im Knast. „Wenn du das mit den Hunden durchziehen willst, musst du auf die Folgen gefasst sein und die entsprechenden Angebote haben. Du hast dann eine Menge Insassen auf Entzug. Das ist problematisch. Du willst ja nicht noch deine letzten Bediensteten verlieren.“

„Unsere Aufgabe ist es, Gefangene zu verwahren, nicht, Hunde zu halten“

Eigene Hunde will die Justizverwaltung tatsächlich nicht. „Unsere Aufgabe ist es, Gefangene zu verwahren, nicht, Hunde zu halten“, heißt es dazu aus der Justizverwaltung. Man nutze aber die Hunde der Polizei und wolle dies in Zukunft intensivieren. Da geht sicherlich noch was: In den Jahren 2016 und 2017 gab es in Tegel jeweils ganze vier unangekündigte Kontrollen mit Spürhunden des LKA, ebenso in Heidering. Die Zahl der Haftraumkontrollen ist in Tegel immerhin von 9480 auf 10.075 gestiegen.

Und ein weiterer Verdacht steht im Raum: Angesichts der in den Haftanstalten, speziell Tegel, kursierenden Drogenmengen liegt die Vermutung nahe, dass Bedienstete und Anwälte am Schmuggel beteiligt sind. Anders als Besucher haben sie freien Zugang und werden nicht kontrolliert. Ein weiteres mögliches Einfallstor sind Lieferanten, Wäschedienste, Handwerker und Betriebe. „Die werden zwar kontrolliert, aber man findet nicht alles“, sagt Rissmann.

Die Justizverwaltung hält dies hinsichtlich der Bediensteten für eine sehr gewagte These. „Solche Vorfälle stellen eine absolute Ausnahme dar“, sagte ein Sprecher. „Sechs Mitarbeiter sind seit Anfang 2010 entlassen worden, weil sie verbotene Mobiltelefone und Genussmittel für Gefangene in Gefängnisse geschmuggelt haben. Das ist in fast zehn Jahren nicht mal einer pro Anstalt.“

Die Schmuggler lassen sich einiges einfallen

Die meisten werden ja auch nicht erwischt, könnte man entgegnen. Doch auch Thomas Goiny vom Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) hält den Schmuggel für ein Problem, das überwiegend durch Lieferanten und Anwälte entsteht. „Dass ein Bediensteter für so etwas wie den Schmuggel eines Handys seinen Beamtenstatus aufs Spiel setzt, halte ich für sehr unwahrscheinlich“, sagt Goiny, auch wenn es sicher überall schwarze Schafe gebe. Im Jahr passierten aber allein in Tegel 6100 Fahrzeugbewegungen, also Ein- und Ausfahrten von Lieferantenfahrzeugen, die nicht alle akribisch kontrolliert werden können. Und die Schmuggler lassen sich auch einiges einfallen.

Es gibt jedenfalls sehr viele Drogen im Knast. Aus einer anderen Anfrage Rissmanns geht hervor, dass 27,35 Prozent der Gefangenen drogenabhängig sind, und zwar Männer und Frauen gleichermaßen. Urinkontrollen hat es in den Jahren 2016 und 2017 aber nur in der Jugendstrafanstalt gegeben; von 1761 Kontrollen im Jahr 2016 waren 311 positiv, im Jahr darauf waren es 222 von 1697. Und es wurden vereinzelt „Screeny Weenies“ gefunden, das sind künstliche Penisse, mit denen man synthetischen Urin ausscheidet, der garantiert keine Drogenrückstände enthält. „Die Schätzung zur Zahl der Süchtigen ist ganz sicher falsch, es dürften eher knapp die Hälfte aller Insassen drogenabhängig sein“, kommentiert ein früherer Mitarbeiter der JVA Tegel die Situation.

Auch Sex zwischen Häftlingen und Bediensteten kommt vor. In einer jüngst veröffentlichen kleinen Anfrage von Rissmann ist die Rede von zwei Fällen, die in den vergangenen Jahren bekannt wurden. Es gilt als sicher, dass auch dies wesentlich häufiger passiert. Derzeit steht eine Rechtsanwältin vor Gericht, die unter anderem auch Sex im Gefängnis mit Mandanten gehabt haben soll. Im Unterschied zu Justizvollzugsbediensteten ist ihr das nicht verboten; angeklagt ist sie wegen anderer Vorwürfe.

„Es ist eine Gesellschaft in der Gesellschaft“

„Der Senat überlässt die JVAs sich selbst und verschließt vor allen bekannten Problemen ganz fest die Augen in der Hoffnung, sie würden verschwinden“, meint der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe. „Selbstverständlich müssen alle Zugangsmöglichkeiten in eine JVA – ohne Ansehen der Person – auf verbotene Gegenstände kontrolliert werden, um die ohnehin nur wenigen Strafen im geschlossenen Vollzug wenigstens Wirkung zeigen zu lassen.“ Das dürfte allerdings kaum zu leisten sein. „Es ist eine Gesellschaft in der Gesellschaft“, sagt ein Insider. „Es gibt dort Herrscher und Untergebene, Prostitution, Drogenhandel. Wie draußen.“ Wer draußen zur Organisierten Kriminalität gehörte, tut es in der Regel auch drinnen.

Das bestätigt die Antwort des Senats in der Anfrage zumindest teilweise: „In Einzelfällen kann es vorkommen, dass vermeintlich schwache oder verschuldete Gefangene genötigt werden, insbesondere Drogen vorübergehend aufzubewahren.“ Solchen „subkulturellen Unterdrückungsmechanismen“ werde entgegengewirkt. Betroffene Gefangene würden geschützt oder sicherheitsverlegt.

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