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Auf dieser Wiese an der Frankfurter Allee sollte der "Common Place" für obdachlose Menschen entstehen. 

© Robert Klages

Update

Bezirk votiert gegen Pilotprojekt: Doch kein „Safe Place“ auf Wiese am Ring-Center in Berlin-Lichtenberg

Obdachlose sollten in Tiny Houses an einem Einkaufszentrum leben. Doch kurz vor der Umsetzung stimmt der Bezirk dagegen. Die Verwaltung ist „überrascht und irritiert“.

Kevin Hönicke ist sauer. Der SPD-Baustadtrat von Berlin-Lichtenberg hatte bereits intensive Gesprächsrunden mit Anwohnenden geführt, um sie von dem Vorzeigeprojekt der Senatsverwaltung und des Bezirks zu überzeugen. 

Auf einer Wiese an der Kreuzung Gürtelstraße Ecke Frankfurter Allee, gegenüber vom Einkaufszentrum Ring-Center, sollten rund acht wohnungslose Menschen in Tiny Houses leben, mit Repair Café und Gemeinschaftsgarten. 

Es sollte ein Pilotprojekt der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales werden. Die Sozialgenossenschaft Karuna e.V. hatte bereits ein Konzept für den Standort an der Grenze zu Friedrichshain erarbeitet, das der Tagesspiegel im März exklusiv veröffentlicht hatte.

Nach Tagesspiegel-Informationen hat Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) nun allerdings Abstand von der Umsetzung des Projektes genommen. Auf Nachfrage bestätigt die Pressestelle: "Das Projekt in Lichtenberg ist vorerst nicht mehr durchführbar." Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg gegen das Projekt gestimmt habe. Man sei über die Entscheidung der Bezirksverordneten "völlig überrascht und irritiert", sagt der Pressesprecher der Sozialverwaltung, Stefan Strauß.

Die BVV hatte in einer Online-Sitzung gegen den SPD-Antrag zur Umsetzung des sogenannten "Safe Place" votiert. 16 Verordnete stimmten mit Ja, 27 mit Nein. Neben CDU und AfD stimmten auch einige Politiker:innen der Linksfraktion dagegen.

Ansiedlung von Obdachlosenlagern soll vermieden werden

Der Modellversuch eines Safe Place oder auch Common Place soll Aufmerksamkeit auf das Thema Obdachlosigkeit lenken. Wohnungslose Personen sollen selbstverwaltet leben können, aber auch unter der Aufsicht von Sozialpädagog:innen.

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Zudem soll durch ein geplantes Camp die "wilde" Ansiedlung von Obdachlosenlagern vermieden und Drogenkonsum verhindert werden. Die Wiese in Lichtenberg ist bereits zu einem Treffpunkt für Alkoholiker:innen geworden, oft zelten Obdachlose dort. 

Zelt eines Obdachlosen in einem Park in Berlin-Lichtenberg.
Das Zelt eines Obdachlosen in Lichtenberg.

© dpa

Bereits im März 2019 hatte Sozialsenatorin Breitenbach für Safe Places in Berlin geworben und diese angekündigt. Sie sprach sogar von einem Ort von bis zu 100 Personen.

"Die Argumente, die für die Einrichtung von Safe Places sprechen, sind gut", sagte Breitenbach 2019. "Diese Plätze können Teil eines Paradigmenwechsels in der Wohnungslosenpolitik sein, der aus dem Ressort- und Zuständigkeitsdenken ausbricht und obdachlose Menschen als Subjekte der Stadtgesellschaft ernst nimmt."

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Seitdem wurden mehrere Standorte in Berlin für einen solchen Ort bestimmt. Die Vorschläge machen die Bezirke, die Senatsverwaltung stellt die Mittel zur Verfügung. Der Ausschuss für Integration, Ausschuss und Soziales im Abgeordnetenhaus hat auch bereits Gelder für die Errichtung von Safe Places zur Verfügung gestellt. In Lichtenberg wartete Stadtrat Hönicke seit Monaten auf grünes Licht und Geld vom Senat für die Umsetzung des Safe Place auf der Wiese am Ring-Center.

Der Senat hatte bereits Geld eingeplant, dann stimmte der Bezirk gegen das Projekt

Hönicke hatte das Projekt bereits in Abstimmung mit der Senatsverwaltung öffentlich vorgestellt sowie mit Bürger:innen und in Fachgremien darüber diskutiert. "Die Debatten haben gezeigt, dass ein solches Konzept in der Umsetzung anspruchsvoll ist, aber zu großen Teilen auf eine aufgeschlossene und positive Grundhaltung trifft", sagt Hönicke. 

Die Senatsverwaltung teilte mit, das Geld für das Projekt sei fest eingeplant gewesen, nach der Sommerpause wollten die Abgeordneten im Hauptausschuss über die Freigabe entscheiden.

Könnte bald an der Frankfurter Allee stehen: Ein Tiny House des Architekten Van bo le Menzel. 

© Kai-Uwe Heinrich

Norman Wolf, Vorsitzender der Lichtenberger Linksfraktion, sagte dem Tagesspiegel, er halte den Ort für ungeeignet. "Die Menschen wären hier zur Schau gestellt worden. Außerdem kann man, entlang der wohl meist befahrenen Straßen Berlins, wohl kaum von einem 'safe' Place sprechen." Die Wiese ist begrenzt durch eine S-Bahntrasse sowie zwei mehrspurige Straßen mit Dauerstau. 

SPD-Fraktion will weiter für den Standort werben

Die SPD-Fraktion will weiterhin versuchen, die anderen Parteien von dem Projekt zu überzeugen. "Dass die Senatsverwaltung dem Bezirksstadtrat Kevin Hönicke nun die weitere Begleitung versagt und nicht mehr bereit ist, das Projekt weiterzuverfolgen und im Abgeordnetenhaus zu diskutieren, bedauern wir daher sehr", heißt es in einer Pressemitteilung.

Anja Ingenbleek und Erik Gührs, Kreisvorsitzende der SPD Lichtenberg, teilen mit: „Eine erste Bürgerinformation im April hat bereits Anwohnerinnen und Anwohner erreicht, die sich konstruktiv auf der Fläche mit einbringen wollen, um gemeinsam eine Nachbarschaft zu gestalten. Das ist genau die Basis, die es für den Erfolg eines Safe Place Konzeptes braucht. Deshalb sollten wir die Chance hier unbedingt nutzen!"

Auf der Suche nach geeigneten Flächen

Kann in Lichtenberg ein anderer Standort gefunden werden? "Die Senatssozialverwaltung möchte die geplanten Projekte von Safe Places und Common Place in zwei Bezirken gern umsetzen", sagt Pressesprecher Strauß. "Wir haben darüber mit den Verantwortlichen in den Bezirken Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg lange Gespräche und Absprachen geführt." 

Doch Lichtenbergs Linken-Fraktionsvorsitzender Wolf schlägt vor, berlinweit zu suchen, in seinem Bezirk kenne er keine geeigneten Flächen. Seine Fraktion unterstütze es aber, wenn sich das Bezirksamt auf die Suche nach geeigneten Flächen begebe. "Wir sind nicht gegen Safe Places, aber nicht an diesem Ort." Es gebe auch Anfragen von Wagenburgen, die ebenfalls keine Flächen finden könnten. 

Jelbi-Station statt "Safe Place"

Dabei hatte die BVV Lichtenberg bereits grünes Licht für einen anderen Standort gegeben: Am S- und U-Bahnhof Lichtenberg sollte auf einem ehemaligen Parkplatz ein Safe Place entstehen, die Bezirksverordneten stimmten für einen gemeinsamen Antrag der Linken und SPD

Doch dann entstand dort eine "Jelbi"-Station für E-Mobilität. Verkehrsstadtrat Martin Schaefer (CDU), Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese sowie die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben die Station im März eingeweiht. Schaefer sagt zwar, es sei noch Platz für einen Safe Place, aber der Bezirk nahm Abstand von dem Ort. 

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Das Safe-Place-Projekt in Friedrichshain-Kreuzberg hingegen ist noch im Gespräch. Es handelt sich um eine Fläche auf einem Containerbahnhof der Deutschen Bahn Netz AG, hinter dem Ring-Center an der Frankfurter Allee. Also unweit der in Lichtenberg vorgeschlagenen Wiese. 

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und die Bahn reden bereits seit Monaten intensiv über die Umsetzung, noch gibt es keinen Beschluss. 

Zwei obdachlose Menschen auf dem Gelände hinter dem Ring Center. 

© Robert Klages

Seit mehr als einem Jahr leben rund 20 Obdachlose auf dem Gelände, haben sich Hütten gebaut. Die Bahn hatte bereits mehrere Räumungen angekündigt, aber bisher nicht konkret durchgeführt. Die nächste Räumung wird für Mitte Juli angekündigt, solange will man versuchen, eine andere Lösung zu finden. 

Ein erster Entwurf für einen Safe Place an diesem Standort in Holzmodulbauweise hatte bereits viel Kritik auf sich gezogen. Obdachlose stellen sich einen "Safe Place" anders vor, mit Zelten und blickdichten Zäunen zum Beispiel. Das Konzept der Stadt sieht eher Container vor, modern und für Besucher:innen offen.

Proteste von Obdachlosen an einem Hostel in Friedrichshain

Während also erstmal keine Safe Places in der Stadt entstehen, kam es in den letzten Tagen vor einem Hostel in Friedrichshain zu Protesten von obdachlosen Menschen. Der Grund:  Zum 30. Juni endet die Corona-Kältehilfe der Stadt Berlin. Rund 500 obdachlose Menschen, die in Hostels und Hotels untergebracht waren, müssen raus und nun wieder auf der Straße schlafen, soweit sie nicht in andere Hilfsprogramme aufgenommen werden konnten.

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Viele Obdachlose, die am 5. Februar aus dem Lager an der Rummelsburger Bucht geräumt wurden, kamen in das A&O Hostel in der Boxhagener Straße. Die Unterbringung sollte bereits zum Ende der Kältehilfe am 30. April enden, ist dann aber, wie andere Einrichtungen auch, wegen der Impfkampagne für obdachlose Menschen bis zum 30. Juni verlängert worden.

"Es war immer klar, dass es sich nur um eine vorübergehende Unterkunft und ein zeitlich befristetes Angebot handelt, das an die Corona-Verordnung, die Kältehilfe und die Impfkampagne gekoppelt war", sagte Stefan Strauß, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. "Unseres Wissens haben alle Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkunft Angebote zur sozialen Beratung in den Bezirken (soziale Wohnhilfe) erhalten." 

Die Bezirke seien verantwortlich und rechtlich verpflichtet, obdachlose Menschen unterzubringen. Es werde weiterhin 24/7- Unterkunftsmöglichkeiten für Obdachlose geben, finanziert aus einem Eu-Paket.

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