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Stadtgespräch. Die Diskutanten während der Liquid-City-Debatte.

© Kerstin Müller

Digital-Konferenz in Berlin: Wie bauen wir die Stadt der Zukunft?

Die vernetzte Metropole könnte viele Alltagsprobleme lösen. Wie das gehen soll, diskutierten Experten auf der Tagesspiegel-Konferenz "Liquid City".

Von Hendrik Lehmann

Es gibt drei Dinge, die wohl kein Stadtplaner mehr bezweifelt. Erstens: Die meisten Großstädte werden weiterwachsen. 2050 sollen schon 70 Prozent der Menschheit in Großstädten leben. Zweitens: Die Digitalisierung ist ein Prozess, der sich in jeden Bereich des Lebens einschreiben wird.

Drittens: Die Städte werden in den nächsten Jahrzehnten eine Schlüsselrolle dabei spielen müssen, so gigantische Herausforderungen wie Verkehrsüberlastung, neue globale Migrationsbewegungen und Klimawandel zu bewältigen. Und dafür werden sie neue, digitale Technologien brauchen.

Doch was ist diese „Smart City“ der Zukunft? Wer soll sie gestalten? Und wer wird davon profitieren? Darüber diskutierten am Mittwochabend bei der Tagesspiegel-Veranstaltung „Liquid City“ drei ganz unterschiedliche Experten mit Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt – mitten auf dem Holzmarkt-Gelände, wo gerade eines der ungewöhnlichsten und kontroversesten Neubauprojekte der Stadt umgesetzt wird.

Die Stadt besteht aus vier Schichten

Raoul Bunschoten, Stadtplanungs-Professor an der TU Berlin arbeitet mit seinem Team seit Jahren daran, wie die vernetzte Stadt geplant werden kann. Er ist davon überzeugt, dass beispielsweise Sensoren an Gebäuden dabei helfen können, die Stadt umweltfreundlicher und lebenswerter zu machen: „Großstädte erlauben es, mit viel weniger Ressourcen mehr Menschen zu versorgen“, sagt er. Eine Effizienzmaschine.

Die größte Herausforderung sei aber, diese neue Stadt überhaupt zu entwickeln. Denn die Stadt besteht seiner Meinung nach inzwischen aus mindestens vier Schichten: Gesellschaft, Infrastruktur wie Kabel, Rohre und Sensoren, gebautem Raum, und Datencloud, die über allem schwebt. „Aber wie soll man eigentlich als Architekt Sensoren einzeichnen, wie die Ströme von Daten?“, fragt er.

Sein Team entwickelt deshalb Baukastensysteme, die in der Planung schneller zusammengefügt werden können. Auch, um künftig schneller bauen zu können: „Langfristig werden wir nicht darum herumkommen, das Bauen zu roboterisieren, um die Wohnungsnot zu lösen.“

"Smart City" nach IMB und Cisco

Wobei wir bei der Frage wären, die an diesem Nachmittag am leidenschaftlichsten diskutiert wurde: Wer hat in dieser vernetzten Stadt eigentlich die Kontrolle? Denn das Konzept der „Smart City“ wurde ursprünglich von Technologieriesen wie IBM oder Cisco entwickelt.

Und sowohl Microsoft als auch Google planen inzwischen selber ganze Städte. Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter der Multimedia-Plattform Ars Electronica in Linz, warnte davor, dass zunehmend mehr Bereiche des Lebens von IT-Firmen wie Google, Facebook und Amazon kontrolliert werden könnten: „Und wir haben jeden Tag mehr Beweise, dass diese Daten missbraucht werden.“

Schuld an dem achtlosen Umgang sei auch eine Technikbegeisterung, die er selbst und seine Kollegen mitbefeuert hätten. Nun sei es ein langwieriger, aber extrem wichtiger Prozess, dass Leute verstehen, was mit ihren Daten passiert und wie sie wieder selbst Kontrolle darüber erlangen können.

Den Menschen Schutz bieten

Für Stocker hatte die Stadt schon immer eine Kernaufgabe: Den Menschen Schutz bieten. Vor dem Wetter, vor Kriegen und Tieren. So sei es heute genauso Kernaufgabe, Schutz vor einem Missbrauch mit Daten und Technik zu bieten.

Wie aber die Leute davon überzeugen, dass sie dabei mitmachen sollen, fragte Lorenz Maroldt das Podium. Darauf hatte Francesca Bria, Digitalchefin der Stadt Barcelona wohl die beste Antwort: „Wenn die Technologien zuerst dafür genutzt werden, dass die Ideen der Bürger gesammelt und umgesetzt werden, dann beschäftigen sie sich auch damit.“

Denn letztlich ist es das, woraus die Stadt immer bestand: aus Bürgern. Und die haben im Verlauf der Geschichte schon viel zusammen hinbekommen. Oder wie Raoul Bunschoten sagt: „In der Stadt erfinden wir uns neu. Was wunderbar ist.

Liquid City ist eine Veranstaltungsreihe des Tagesspiegels und wird unterstützt von Mercedes-Benz. Die nächste Veranstaltung findet am 1. März 2018 zum Thema „Innovative Materials“ statt.

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