zum Hauptinhalt
Eine Diskokugel im Club Golden Gate.

© dpa/Annette Riedl

Steigende Kosten, schwindendes Personal: Die verborgene Krise der Berliner Clubszene

Die Läden sind geöffnet, die Party geht weiter. Doch die Betreiber sehen sich in ihrer Existenz gefährdet - und warnen vor einer Abwärtsspirale.

Schlangen vor den Clubs, feiernde Menschen in Bahnen und Straßen. Wer am Wochenende in der Hauptstadt unterwegs ist, kann den Eindruck gewinnen, das Kulturleben habe die Coronakrise überstanden. Die Läden haben geöffnet, an jeder Ecke gibt es Veranstaltungen. Doch dahinter verbirgt sich eine tiefe Krise, viele Clubbetreiber bangen um ihre Existenz.

„Im Moment gibt es ein Überangebot“, sagt Pamela Schobeß, Erste Vorsitzende der Clubcommission. Aber das sei kein Grund zur Beruhigung. Die aktuellen Veranstaltungen seien zum größten Teil noch vor der Pandemie geplant worden – auf Grundlage der damals erwarteten Kosten. Dann mussten sie verschoben werden, zum Teil mehrmals.

Heute allerdings sind die tatsächlichen Kosten um ein Vielfaches höher als 2019. Die Tickets wurden aber schon vor langer Zeit verkauft, das verdiente Geld musste in der Krise investiert werden.

Es könnte noch schlimmer kommen. Der Ticketverkauf sei „implodiert“, sagt Robin Schellenberg, der im Vorstand der Clubcommission sitzt. „Die Leute gehen seltener aus.“ Wenn nun die Veranstalter ihre Ticketpreise erhöhen, um ihre Kosten decken zu können, drohe eine Abwärtsspirale, da die Nachfrage weiter sinken könne.

Viele haben den Job gewechselt

Hinzu kommt der massive Personalmangel. Viele ehemalige Beschäftigte sind nach den Lockdowns nicht zurückgekehrt. „Wir haben Leute an die Rewe-Kasse verloren“, sagt Robin Schellenberg, der den Klunkerkranich in Neukölln betreibt. Während der Coronakrise hätten viele Nachtschwärmer die Vorteile eines vergleichsweise langweiligen, aber sicheren Jobs entdeckt. Nun steigen die Lebenshaltungskosten aufgrund der Inflation immer weiter. Das gebe vielen Leuten den letzten Anstoß, einen neuen Job zu suchen.

Robin Schellenberg (l.) und Pamela Schobeß von der Clubcommission sehen die Berliner Kulturorte in Gefahr.

© Tagesspiegel / Christoph M. Kluge

Die Folge: Die Clubbetreiber buhlen um einen schrumpfenden Pool von Fachkräften. Dazu gehören nicht nur Tresenleute und Türsteher, also die sichtbaren Personen des Nachtlebens, sondern zum Beispiel auch Designer:innen, Bauleute oder Reinigungskräfte. Sie alle sind unverzichtbar, um die Party am Laufen zu halten. „Sogar das Berghain musste schon Stellenanzeigen aufgeben“, sagt Schellenberg. Das sei vor Corona undenkbar gewesen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Im Herbst könnte es wieder Lockdowns geben. Große Clubs könnten das vielleicht überleben. Aber besonders betroffen seien die kleinen, subkulturell geprägten Läden. Diese kleinen Clubs seien besonders wichtig für die Stadtkultur, als „Experimentierfeld“ und Freiraum spielten sie eine wichtige Rolle für die offene, demokratische Gesellschaft.

Der Herbst könnte jedoch noch eine weitere Belastung für die Szene bringen. Wenn die Energiepreise stark ansteigen, werden die Clubbetreiber mehr zahlen müssen für Strom und Heizung.

Doch verheerender könnte der Effekt sein, den hohe Rechnungen für Privathaushalte auf die Kaufkraft haben. „Dann sparen die Leute am Ausgehen“, vermutet Schobeß.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false