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Der Nase nach. Lotte und Benji sind Personenspürhunde im Dienste der Polizei.

© Mike Wolff

Personenspürhunde der Polizei: Die Schnüffler vom Dienst

PSHler heißen sie, Personenspürhunde – und ihre Arbeit macht ihnen Spaß. Die Polizei möchte auf ihre zuverlässigen Kollegen nicht verzichten. Die helfen nämlich, flüchtige Gewaltverbrecher zu finden, Diebe oder Rauschgifthändler.

Das große Jaulen beginnt, als der Kombi zum Stillstand kommt. Weithin unüberhörbar wird es in dem Moment, in dem sich die Heckklappe öffnet. Es dringt aus zwei im Kofferraum stehenden Kisten, seine Urheber sitzen dort drin, hinter Gittern, PSHler von Beruf.

PSHler kurz vor Dienstbeginn, und der Lärm, so sagen es ihre Vorgesetzten, ist Ausdruck des Glücks dieser Abkürzungswesen. Das Glück, gleich wieder zum Funktionieren dieser Gesellschaft beitragen zu dürfen, zu Ruhe und Ordnung, zur Legitimierung des staatlichen Gewaltmonopols, zum Rechtsstaat, zur Rettung von Leibern und Leben.

Das Interessante sei, sagen die Vorgesetzten noch, „interessant für so ein Menschengehirn natürlich“, dass die PSHler nicht das Geringste von ihren hehren Aufgaben wissen, aber dennoch die zuverlässigsten Kollegen seien. Sie würden sich allein auf den gleich anstehenden Spaß freuen. Auf den Spaß an der Arbeit, das reiche. Sie wollten tatsächlich nur spielen.

Die zuverlässigsten Kollegen der Polizei

PSHler, Personenspürhunde, gehalten im Dienste der Berliner Polizei. Innerhalb von ungefähr zwei Jahren zu bedingungslosen Menschenfreunden gemachte Tiere wie beispielsweise Benji, der quasi schwarz und damit rasseuntypisch gefärbt ist, aber dennoch ein Bayerischer Gebirgsschweißhund, und im rechten der beiden Käfige herumlärmt.

Links neben ihm jubiliert die braune Lotte, ein Schwarzwälder Schweißhund. Sie hat die gleichen Hängeohren wie Benji und einen ähnlich treudoofen Blick, ist aber größer als er und auch nicht mit einer „Fehlfarbe“ geschlagen, dafür aber noch in der Ausbildung befindlich.

Irgendetwas Gewohntes und Liebgewonnenes wird hier draußen gleich passieren, auf einem von den West-Alliierten gebauten Kriegsübungsgelände in Ruhleben. Irgendwo in einem der vielen Gebüsche, auf einem der Bäume oder in einer der Häuserattrappen ringsum hält sich ein Mensch versteckt. Den gilt es zu finden.

Anschließend wird der zum Spielkameraden werden. Mit den Tieren um die Wette wetzen, sie umschmeißen, Apportierutensilien in die Luft werfen, sie streicheln. Ein Riesenspaß wird es sein. So wie immer.

Der Hund soll nach einer Geruchsprobe auf dem Übungsgelände einen Mann aufspüren, was ihm problemlos gelingt.

© Mike Wolff

Das ist auch schon die Qualifikationsbeschreibung dieser Personenspürhunde. Sie sollen Menschen finden, geflohene Gewaltverbrecher oder mutmaßliche wie jüngst den aus der Moabiter Haftanstalt ausgebrochenen Mordverdächtigen Metin Michael Müslü. Sie haben es mit ausgerissenen oder verloren gegangenen Kindern zu tun, mit Alten oder Dementen.

Angeschafft wurden die ersten beiden, „Fehlfarben“-Benji und ein Artgenosse namens Paul, zu Zeiten der rot-roten Berliner Landesregierung im Jahr 2009. Lotte und ein anderer Schwarzwälder Auszubildender, der Bolle heißt, kamen zu Anfang des vergangenen Jahres dazu.

Nach Auskunft des Senats wurden die Tiere im Jahr 2012 42-mal losgeschickt, 22-mal zur „Gefahrenabwehr“, 20-mal zur „Strafverfolgung“. Im Jahr 2013 gab es 35 Gefahrenabwehr- und 22 Strafverfolgungseinsätze.

Die Hunde waren tätig im Dienst diverser Berliner und Brandenburger Mordkommissionen, einer Staatsschutzabteilung für „politisch motivierte Kriminalität rechts“, einer für „politisch motivierte Kriminalität links“, für ein Ressort im Landeskriminalamt, das sich um „qualifizierte Raub- und Eigentumsdelikte“ kümmert, für die Neuruppiner und die Potsdamer Vermisstenstelle, für „Intensiv- und Vorrangfahndungen“, „Organisierte Kriminalität und Bandendelikte“, „Rauschgiftdelikte“, „Hehlerei und Diebstahl aus Kfz“, „Misshandlung Schutzbefohlener“ und anderer „Delikte am Menschen“.

Erfolgreich in der Verbrechensaufklärung

Die Hunde sind zuständig für menschliche Tragödien und für Schwerkriminelle – und dafür gilt es, die auf die Tierverfolgung gezüchteten Jagdhundrassen von jeder Tiernachstellung abzuhalten. Und dafür sind die Hundeführer zuständig. Sie halten die Tiere daheim, machen zwei Jahre lang mit ihnen kaum etwas anderes, als Dinge, Gerüche, Menschen zu suchen.

Ein interessanter Batzen Wildschweinkot am Wegesrand beim Abendspaziergang? Ein Ruck an der Leine, der sagt: Das interessiert uns jetzt nicht. Ein von den Hunden schwanzwedelnd begrüßter Mensch, der zufällig des Weges kommt? Größtmögliche Belohnung: Lob, Pressfutter, Spiel. Das alles immer wieder, von morgens bis abends, und dazwischen – in der Arbeitszeit – die Übungseinsätze auf dem Alliiertengelände.

Ungefähr zwei Drittel der Sucheinsätze enden aus Sicht der Hundeführer erfolgreich. Offizielle Zahlen gibt es nicht, weil die Erfolge der Hunde im Mosaiksteinchengewerbe der Verbrechensaufklärung untergehen. Der Hund hat eine Spur bis zu einem U-Bahnhof verfolgt? Daraufhin wurden die Kameraaufnahmen dort ausgewertet, die Reiseroute des oder der Gesuchten nachvollzogen? Sie oder er wurde schließlich gefunden? Wessen Erfolg ist das am Ende?

Das ständige Üben unterscheidet sich von den tatsächlichen Einsätzen in einem entscheidenden Punkt. Welcher flüchtige Mörder, den Benji aufspürt, freut sich über das plötzlich auftauchende Tier? Welche alte Frau, welcher abgehauene Teenager, den er an irgendeinem Seeufer oder in einem Randberliner Einkaufszentrum gefunden hat, wird ihn freudig begrüßen? Der eigentliche Einsatz ist für die Hunde stets eine Enttäuschung.

Nach ausgiebigem Schnüffeln am Stofftuch rennt Benji los und hat zehn Sekunden später den Tuchbesitzer gefunden.

© Mike Wolff

Es sind zwei, drei Tage weiteres Üben nötig – mit Belohnung, mit Spiel, in einer ähnlichen Umgebung zur gleichen Tageszeit –, um die Einsatzerfahrung wieder aus den Hundeköpfen zu löschen.

Aus Hundeköpfen, deren Gehirne und Nasen auf eine dermaßen diffizile Art und Weise verschaltet sind, dass sich die Wissenschaft immer noch uneins ist darüber, wie das Ganze überhaupt funktioniert. Was riechen die? Hautschuppenausdünstungen? Schweiß? Fett? Eine Mischung aus allem und sonst noch etwas?

Es reicht jedenfalls ein Haar als Geruchsprobe, und die Hunde finden etwas, auch wenn sie drei Wochen nach dem Gesuchten am Wannseeufer entlanghetzen. Und sei es nur die Stelle, an der derjenige ein Boot bestiegen hat. In der asphaltierten Innenstadt sind „zehn Tage machbar“, sagt einer der Hundeführer. „Am Ku’damm vielleicht ein bisschen weniger.“

Benji und Lotte bekommen eine Plastiktüte gereicht. Darin liegt ein Stofftuch, das ihr zukünftiger Freund ein paar Minuten lang in seiner Hosentasche getragen hat. Sie versenken ihre Nasen, wetzen ein paar Sekunden wild durch die Gegend, werden ermahnt, und zehn Sekunden später haben sie 150 Meter Alliierten-Übungsgelände hinter sich und den Mann gefunden. Auf beiden Seiten herrscht die größtmögliche Freude.

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