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Panorama am Checkpoint Charlie: Die Rückkehr des Mauerstreifens

Mit seinem Pergamon-Panorama begeisterte Yadegar Asisi die Besucher. Jetzt wurde für sein neues Rundbild am Checkpoint Charlie Richtfest gefeiert. Es zeigt den Alltag mit der Mauer an einem fiktiven Herbsttag in den achtziger Jahren.

Wer die Mauer nicht selbst erlebt hat, kann sie sich nur schwer vorstellen. Gewiss, es gibt Bücher, Fotos, Filme, Zeitzeugen, die man befragen kann, und trotzdem: Das Stadtgefühl von damals, irgendwo, sagen wir in Kreuzberg, am Betonwall zu stehen, vor sich die bunt bemalte Mauer, dahinter der Todesstreifen, Wachtürme in regelmäßigen Abständen, Posten mit schussbereiten Gewehren, im Hintergrund die Ost-Hälfte der Stadt, alles grau in grau – all das ist kaum zu vermitteln.

Aber das könnte sich bessern, an historischem Ort, das ist ja bereits erprobt: Vor dem Pergamonmuseum steht noch bis 14. Oktober, um zwei Wochen verlängert, das Pergamon-Panorama des Künstlers Yadegar Asisi und hilft den Antikenfreunden bei der Imagination. An der Friedrichstraße 205, Ecke Zimmerstraße aber entsteht derzeit wiederum so ein fantasieförderndes Asisi-Werk, „Die Mauer“, ein „Panorama zum geteilten Berlin“. Das privat finanzierte Projekt wird kleiner als das Rundbild der Antike, 15 Meter hoch und 60 Meter im Umfang, während Pergamon auf 24 mal 103 Metern dargeboten wird, von einer 15 Meter hohen Plattform aus. Am Checkpoint Charlie sind es nur vier Meter. Aber das Ungleichgewicht in den Dimensionen ist ja nur gerecht, schließlich stellte Pergamon einen Höhepunkt der Kulturgeschichte dar, die Mauer aber einen Tiefpunkt.

Trostlose Touristenattraktion - der Checkpoint Charlie heute

Am Dienstag wurde am Panorama Richtfest gefeiert. Entworfen hat es Asisi selbst, den Aufbau leitet der ausführende Architekt Anuschah Behzadi. Rund 120 Tonnen Stahl wurden für den Rundbau verwendet, der bislang noch an den Schöneberger Gasometer erinnert. Die Stahlkonstruktion wird anschließend mit wärmedämmenden Paneelen verfüllt. Parallel entsteht der Besucherturm.

Das neuen Panorama über die geteilte Stadt wird nach dem Entwurf Asisis in einer Firma in Lennestadt im Sauerland ausgedruckt, am 17. September wird es nach Berlin geliefert, anschließend gehängt und durch eine Beleuchtung sowie eine akustische Installation ergänzt. Am 22. September soll „Die Mauer“ eröffnet werden.

Es sei „eines der kompliziertesten Projekte, die ich je gemacht habe“, sagte der 1955 in Wien als Sohn persischer Emigranten geborene Asisi. Die Bauzeit sei sehr kurz. Das Projekt erzähle auch ein Stück aus seinem Leben.

Auge und Ohr werden in Anspruch genommen

Das 360-Grad-Panorama zeigt einen Blick von Kreuzberg nach Mitte, präsentiert wird dabei der Alltag mit der Mauer an einem fiktiven Herbsttag in den achtziger Jahren, durch die Lichtgestaltung und die Klanginstallation zu wechselnden Tageszeiten. Asisi kannte die Mauer gut: „Ich habe in den achtziger Jahren in Kreuzberg an und mit der Mauer gelebt. Das Panorama bündelt meine Erfahrungen und erzählt dem Betrachter detailreich Geschichten, die so nicht zeitgleich geschehen wären. Die vielen Alltagsgeschichten im Panoramabild zeigen, dass die Bewohnern sich an die Umstände anpassen.“ Schon früh hatte Asisi sich auch künstlerisch an dem Betonwall versucht: 1986 hatte er „Mauerdurchblicke“ geschaffen, illusionistische Malereien an der Mauer. Den Grenzern haben die Bilder vermutlich nicht gefallen.

Die „Härte der Grenze“, den „Riss, der durch die Stadt ging“, das „Erschreckende der Normalität“ werde man spüren, verspricht Asisi. Auge und Ohr würden dabei in Anspruch genommen. Wie beim Pergamon-Panorama also, doch mit einem kleinen Unterschied: Dort wurde das Panorama parallel zu einer Sonderausstellung geschaffen, über deren Schließung hinaus sie nun zwar zwei Wochen länger gezeigt wird, aber dann wird das Rundgemälde der antiken Stadt endgültig abgebaut. Am Checkpoint Charlie ist Asisis Panorama aber auf längere Sicht hin entworfen. Erst wenn das Areal tatsächlich bebaut werden soll, ist auch für die Mauer Schluss.

Nach derzeitigem Planungsstand sollen dort in etwa zwei Jahren Büro- und Geschäftshäuser errichtet werden, ebenso auf dem gegenüberliegenden Grundstück, wo dann das geplante Museum des Kalten Krieges einziehen könnte. Als Vorgeschmack steht dort die Blackbox zum selben Thema kurz vor der Vollendung, die Eröffnung ist im zeitlichen Umfeld des Panorama-Starts geplant. In der Blackbox werden diverse Materialien zum Thema gezeigt, darunter auch Filmausschnitte, aus „Eins, zwei, drei“ etwa oder „Octopussy“, dem 1982 auch am Checkpoint Charlie gedrehten James-Bond-Film. Aber gegen das Panorama und seine illusionistische Wirkung kommt wohl nicht mal 007 an.

Das Mauer-Panorama von Yadegar Asisi eröffnet am 22. September und ist dann täglich von 10 bis 20 Uhr zu besichtigen. Karten kosten 10, ermäßigt 8,50 Euro. Den Besucherservice erreicht man unter Tel. 0341-355534-0. Weitere Informationen gibt es unter www.asisi.de.

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