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Kreuzberg: Die "Piraten" entern das Myfest

Auf dem Kreuzberger Myfest werben die "Piraten" für ein Grundeinkommen. Im September will die Partei ins Abgeordnetenhaus einziehen.

Das Picknick ist streng paritätisch besetzt: Die eine Hälfte der Gruppe hockt in der Sonne, die andere im Schatten. Sie haben Decken mitgebracht, zwei Dutzend Leute sind schon hier, einer hat seinen Hund dabei. So sieht es aus, wenn die Piraten das Myfest kapern.

„Tag der Arbeit“ ist heute, aber die Teilnehmer des Picknicks auf dem Mariannenplatz haben den Feiertag in „Tag des Grundeinkommens“ umbenannt. Genau das fordern sie, und zwar ein bedingungsloses. So steht es in ihren Broschüren. Ein paar Neugierige waren schon hier, haben Fragen gestellt und auch diskutiert. Zum Thema Grundeinkommen hat jeder eine Meinung, sagt Physikstudent Martin Delius, 27. Häufigstes Gegenargument: „Aber dann arbeitet doch keiner mehr!“ Die Piraten fragen dann immer: „Würdest Du selbst denn nicht arbeiten wollen?“

Bei der letzten Bundestagswahl hat die junge Partei in Berlin über drei Prozent geholt, in Friedrichshain-Kreuzberg mehr als sechs. Im September will sie ins Abgeordnetenhaus und mindestens in jedes zweite Bezirksparlament. Wie revolutionär ihre Forderungen sind? Zwischen zwei Bäumen haben sie ein Banner aufgehängt: „Anarchie im Rahmen der F.D.G.O.“ Das steht für Freiheitliche demokratische Grundordnung, und wenn die Piraten auf den Slogan gucken, müssen sie selbst schmunzeln.

Piratin Julia wirkt ziemlich euphorisch. Sie sammelt Unterschriften, damit die Partei überhaupt zur Wahl antreten darf. 1700 brauchen sie noch. Julia sammelte schon in Rheinland-Pfalz und auch in Bonn. Im Vergleich dazu läuft es hier sensationell, sagt sie.

Wie hoch das Grundeinkommen sein soll, darauf wollen sie sich nicht festlegen. Das müsse berechnet, getestet, evaluiert werden. Wie Träumer sehen die Picknicker jedenfalls nicht aus. Ein paar Meter weiter Richtung Kirche haben die Grünen ihren Stand, mit Bierzeltbänken und Button-Maschine. Die Piraten haben nur einen Grill dabei. Plus Kartoffelsalat. Ein Pirat torkelt mitten in die Gruppe rein. „Nein, ich bin nicht besoffen“, sagt er. Er ist bloß in ein Loch im Boden getreten.

Ihr Wahlkampf soll „unorthodox“ werden. Sie wollen mit dem Floß über den Landwehrkanal fahren, Straßentheater machen. Zu einem Termin werden sicher Hunderte kommen: Piraten haben dieses Jahr die Gemüseschlacht um die Oberbaumbrücke angemeldet, am 28. August wird sich dreckig gemacht, Friedrichshain gegen Kreuzberg, die Piraten zahlen die Straßenreinigung. Es diene auch der „innerparteilichen Konfliktbefriedung“, sagt Martin Delius. Sebastian Leber

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