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Fast wie im echten Leben: Komparsen beim Einchecken an einem BER-Schalter.

© Lars von Törne

Die Odyssee eines Komparsen: Wie ich am BER meinen Flug verpasste und meinen Koffer verlor

Mehr als 400 Komparsen spielten am Dienstag BER-Probebetrieb. Manches ruckelt bei der Abfertigung noch kräftig, wie unser Autor erlebte.

Oha, das geht ja schon mal gut los. „Guten Morgen – Ihnen passiert heute ein Missgeschick!“ So werde ich als Komparse am Dienstag von einem Mitarbeiter der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg begrüßt.

Dann reicht mir der BER-Mann ein vierseitiges Papier, auf dem steht: „#BERtesten – Ihre Aufgaben für den Probebetrieb“. Es ist ein Skript, wie es hier jeder der gut 400 Testflieger bekommt, die an diesem Tag vor und nach einem in der Schlange stehen.

Laut Skript heiße ich nun „Thomas Bjorkkvist“ und will am Mittag vom BER nach Grenoble fliegen – wobei das Flugzeug in diesem Fall ein Bus sein soll, der einen von Gate zu Gate bringt.

Zwischendurch, auch das gehört zum Skript, verliere ich meine Bordkarte und muss eine neue erfragen. Darauf beziehen sich die unheilvollen Worte des BER-Mitarbeiters. Doch einige Stunden später wird klar, dass eine verlorene Bordkarte an diesem Tag noch das kleinere Problem gewesen wäre.

Aber erstmal steht hier das an, was zu jeder Reise gehört: Schlangestehen. An einer Station gibt’s einen BER-Ausweis und eine leuchtend grüne Warnweste. „ORAT – Flughafen-Tester“ steht darauf, das steht für „Operational Readiness and Airport Transfer“, die offizielle Bezeichnung für Probebetrieb und Inbetriebnahme des neuen Flughafens.

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Während ich warte, wundere ich mich, wie fertig und zugleich unfertig dieser Flughafen, der doch eigentlich seit 2012 in Betrieb sein sollte, immer noch aussieht. Vor der Toilette im Eingangsbereich liegen Leitern und Werkzeuge herum, immer wieder laufen Bauarbeiter vorbei, aus einer Filiale des Autovermieters Hertz sind laute Bohrgeräusche zu hören.

Der Flughafenchef begrüßt „zum ersten großen Probebetriebstag“

Dafür wirken die Leuchttafeln mit den Fluginformationen und die mit Koffern gefüllten Gepäckbänder im nächsten Teil des Gebäudes so, als herrsche hier schon eingespielter Flugbetrieb. Alle paar Minuten landet und startet laut Anzeige eine Maschine aus Istanbul, Stuttgart oder New York, Test-Passagiere laufen mit Koffern hin und her, die durch ein aufgemaltes X als Requisiten erkennbar sind.

Ein Moderator begrüßt die Komparsen. Nach den einführenden Informationen kommt er zu der Stelle, „wo immer gelacht wird“, wie er sagt: „Wir bauen noch“ – Kunstpause – „aber es sind Geschäfte, die ausgebaut werden.“ Der Flughafen an sich sei längst fertig.

Anstehen beim Probebetrieb: Mit Abstand und Maske.
Anstehen beim Probebetrieb: Mit Abstand und Maske.

© Lars von Törne

Ähnlich wird es später auch Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup sagen, der per Lautsprecher in der Abfertigungshalle alle Teilnehmer „zum ersten großen Probebetriebstag“ begrüßt und sie einlädt, nach der für den 31. Oktober geplanten Eröffnung auch mal real hier einzuchecken.

Zwar gibt es kleinere Testläufe bereits seit zwei Wochen, doch daran sind meist Angehörige oder Bekannte von BER-Mitarbeitern beteiligt. Am Dienstag war nun zum ersten Mal die breite Bevölkerung eingeladen, die Abläufe durchzuspielen.

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Meine Aufgabe – beziehungsweise die von Thomas Bjorkkvist – ist das Einchecken für einen Flug nach Grenoble um 12.45 Uhr. Eigentlich eine leichte Aufgabe. Am Anfang läuft es glatt, die Warteschlange vor dem Schalter der Fluggesellschaft kommt gut voran.

Eines fällt dem Corona-geschulten Besucher allerdings ins Auge: Hier gibt es keine Markierungen, um den Abstand von 1,50 Metern zum nächsten Wartenden zu wahren. Zwar wird in Durchsagen gemahnt, sich an die Pandemie-Maßnahmen zu halten, aber vor dem Schalter kommen sich viele Passagiere ziemlich nah.

„Achtung, Stolperfallen!“

Das größte Problem des Tages beginnt dann bei den Sicherheitskontrollen: Mehr als 40 Menschen stehen schon in der Schlange, sie kommen kaum voran. Als ich eine Flughafenmitarbeiterin darauf hinweise, dass ich in 45 Minuten einen Flug bekommen muss, zuckt die nur mit den Schultern.

Requisiten: Die Testkoffer waren an den gelben X-Markierungen zu erkennen.
Requisiten: Die Testkoffer waren an den gelben X-Markierungen zu erkennen.

© Lars von Törne

Nach mehr als 20 Minuten dann die erlösenden Worte eines Kollegen: „Passagiere nach Grenoble bitte hier rüber“ – und schon stehe ich an erster Stelle. Ob ich die verlorene Zeit noch aufhole? Ich hetze aus dem Sicherheitsbereich zu den Gates – durch einen großen Raum, in dem Teile der Deckenverkleidung herunterhängen, der Boden notdürftig mit Spanplatten abgedeckt ist und ein Schild an einem Bauzaun warnt: „Achtung, Stolperfallen!“

Doch als ich an den Gates ankomme, steht auf dem Display hinter dem Grenoble-Flug: „Einstieg beendet.“ Also flugs zum nächsten Infoschalter: Kann man da nicht noch was machen? Nein, die Maschine ist weg. Auch wenn das hier nur eine Übung ist: Die Frustration, die einen in dem Moment befällt, fühlt sich echt an. Ich hätte mir einen glücklicheren ersten Start vom neuen Airport gewünscht.

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Und nun? Wo bekomme ich meinen Koffer zurück, den ich vorhin eingecheckt hat? Die Frage ist der Auftakt einer kleinen Odyssee, der sich zwischendurch zwei weitere Passagierinnen anschließen, die das Gleiche erlebt haben.

Vom Infoschalter zum Eingang zur Haupthalle zum Infoschalter

Vom Infoschalter werden wir in Richtung Eingang geschickt, da gebe es Mitarbeiter, die mir helfen könnten. Dort angekommen, schickt uns ein anderer Mitarbeiter in die entgegengesetzte Richtung zurück in die Haupthalle. Hier schickt uns eine dritte Mitarbeiterin zur Gepäckermittlung in einem anderen Teil des Gebäudes. Da angekommen, gibt’s nur einen leeren Schalter.

Grün ist die Hoffnung: Unser Autor samt Schutzweste, als er noch davon ausging, dass er seinen Flug erwischt.
Grün ist die Hoffnung: Unser Autor samt Schutzweste, als er noch davon ausging, dass er seinen Flug erwischt.

© Lars von Törne

Ein weiterer Mitarbeiter schickt uns wieder in die Haupthalle zum Infoschalter. Dort sollen wir zu einer Tür eine Etage tiefer gehen, an der sich eine Klingel der Gepäckermittlung befinden soll. Aber statt einer Klingel gibt es nur einer Tafel zur Eingabe von Zahlencodes für Mitarbeiter. Drückt man eine Zahl, ist zwar ein Piepton zu hören, aber niemand reagiert. Auch nicht auf Klopfen.

Also zurück zum Infoschalter. Von hier geht's dann nochmal zum Schalter der Fluggesellschaft. Dort kann mir aber auch keiner sagen, wo der Koffer wohl geblieben ist – und soll zur Leitstelle gehen, die den Probebetrieb koordiniert. „Wäre dies ein realer Flug, würden wir uns jetzt um Ihren Koffer kümmern“, sagt dort eine freundliche Mitarbeiterin. „Aber Sie gehen einfach wieder auf Los.“

Denn eigentlich steht an diesem Probetag noch ein zweiter Flug auf dem Plan, vom BER nach Dubrovnik. Doch inzwischen habe ich genug von Fernreisen, und seien sie nur simuliert.

Also zurück zur Bushaltestelle, wo mich die BVG vom BER zurück zum alten Flughafen Schönefeld bringen soll. Der Bus hat zehn Minuten Verspätung – aber immerhin fährt er nicht ohne mich weg.

Der BER wertet den Testtag als Erfolg

„Im Großen und Ganzen lief der Probebetriebstag heute gut“, teilt mir am Ende des Testtages eine Flughafensprecherin auf Anfrage mit. Und die langen Wartezeiten bei den Sicherheitskontrollen? „Das war sogar bewusst gewollt.“

Man habe testen wollen, inwieweit sich die Schlangen an den Sicherheitskontrollen steuern lassen und Menschen in weniger volle Bereiche umgeleitet werden können. „Das wird natürlich ausgewertet und verbessert – und ist letztendlich Sinn des Probebetriebs, um Abläufe besser zu organisieren.“

Und die fehlenden Corona-Markierungen? „Diese sind klar geplant.“ In wenigen Bereichen gebe es sie schon. Auch da werde noch ausprobiert und dran gearbeitet: „Deshalb gibt’s die Testphase.“

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