zum Hauptinhalt
Drei in einer U-Bahn, in Neukölln: SPD-Fraktionschef Raed Saleh, die designierte SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey und der Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD).

© dpa/Wolfgang Kumm

Dämpfer für designierte Landeschefin: Die linke Berliner SPD folgt Franziska Giffey nicht uneingeschränkt

Die Wahlen zu den Kreisvorständen der Berliner SPD bestätigen: Der Landesverband bleibt stramm links – und lässt sich nicht nach Belieben dirigieren.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Auch wenn die designierte SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey die große Hoffnungsträgerin der Berliner Genossen für die Abgeordnetenhauswahl 2021 ist, tanzt der Landesverband noch lange nicht nach ihrer Pfeife. Das zeigte sich auch am Sonntag bei der Neuwahl des Neuköllner SPD-Kreisvorstands.

Giffeys Vertrauensmann, der Bezirksbürgermeister Martin Hikel, bekam zwar mit 70 Prozent der Stimmen auf der Kreisdelegiertenversammlung ein respektables Ergebnis, doch er konnte seine Wunschpartnerin Katrin Stoye nicht als Ko-Vorsitzende durchbringen. Daraufhin zog Hikel frustriert zurück.

Stattdessen wird die SPD-Linke Mirjam Blumenthal, obwohl sie nur 51 Prozent der Stimmen erhielt, neue Kreischefin der SPD Neukölln. Ein passender Partner für die Doppelspitze soll auf der nächsten Delegiertenversammlung nachgewählt werden. Der bisherige Kreisvorsitzende Severin Fischer, ebenfalls ein Vertrauter Giffeys und deren Referent im Bundesfamilienministerium, war gar nicht erst angetreten.

Schon als Giffey noch Neuköllner Bezirksbürgermeisterin war, rutschte der traditionell rechte SPD-Bezirksverband stark nach links. Wäre Giffey nicht in die Bundespolitik gewechselt, hätte sie 2018 große Probleme gehabt, als Kreischefin wiedergewählt zu werden.

Es galt auch bis vor ein paar Wochen als ausgemachte Sache, dass der zum linken SPD-Flügel zählende Hakan Demir, Vize-Landeschef der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, im nächsten Jahr im Wahlkreis Neukölln direkt für den Bundestag kandidieren sollte.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Dann aber wurde Tim Renner, diskret unterstützt von Giffey und dem Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh, den Neuköllner Genossen quasi untergejubelt. Der ehemalige Musikproduzent und Kultur-Staatssekretär hatte sich 2016 in Charlottenburg-Wilmersdorf erfolglos für ein Bundestagsmandat beworben, in Neukölln müsste er im Januar die parteiinterne Nominierung gegen Demir gewinnen. Renners Chancen stehen dafür aber schlecht.

Das Kalkül von Franziska Giffey und Raed Saleh geht nicht auf

Und so geht das Kalkül von Giffey und Saleh nicht auf. Hikel sollte als pragmatischer, unideologischer Bürgermeister und SPD-Kreischef im bevorstehenden Wahlkampf den eher konservativen Neuköllner Süden beackern, während der Kulturpolitiker Tim Renner im hippen Nord-Neukölln Stimmen für die SPD einsammeln sollte. Er kommt voraussichtlich aber nicht zum Zuge – und Hikel ist durch die verkorkste Neuwahl des Kreisvorstands am Sonntag zumindest leicht beschädigt.

Bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: Maja Lasic.
Bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion: Maja Lasic.

© Kai-Uwe Heinrich

Im SPD-Kreisverband Mitte gab es schon am Sonnabend eine kleine Überraschung. Die Bildungspolitikerin und Abgeordnete Maja Lasic, die im Landesparlament eng mit Saleh zusammenarbeitet und sogar als künftige Bildungssenatorin gehandelt wird, musste sich bei der Neuwahl für den Kreisvorsitz deutlich geschlagen geben. Vorher war ein Kopf-an-Kopfrennen erwartet worden.

Stattdessen bilden nun Julia Plehnert und Yannick Hahn die Doppelspitze. Beide sind entschiedene SPD-Linke. Wie auch die ehemalige Juso-Landesvorsitzende Annika Klose, die für die SPD Mitte den Bundestags-Wahlkreis Mitte erobern soll.

Die Berliner SPD will aber Geschlossenheit demonstrieren

Trotz alledem bahnt sich bei den Berliner SPD-Parteiwahlen keine Palastrevolution gegen Giffey und Saleh an, die am 31. Oktober den Regierenden Bürgermeister Michael Müller als SPD-Landesvorsitzende ablösen werden. Giffey kann auf dem Wahlparteitag mit einem sehr guten Ergebnis rechnen, denn die Berliner Genossen wissen, dass nur mit ihr die Abgeordnetenhauswahl 2021 zu gewinnen ist. Auch Saleh wird nach allem, das man hört, ein ordentliches Wahlergebnis bekommen. Es geht darum, Geschlossenheit zu zeigen.

[In allen Kiezen vertreten: In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Und so kann das künftige Führungsduo mit den Ergebnissen der SPD-Parteiwahlen in Berlin insgesamt zufrieden sein. In Reinickendorf (Jörg Stroedter), Marzahn-Hellersdorf (Iris Spranger) und Spandau (Raed Saleh) wurden die bisherigen Kreischefs im Amt bestätigt. Auch Rupert Stüwe kann am Montagabend in Steglitz-Zehlendorf mit seiner Wiederwahl rechnen. In Tempelhof-Schöneberg bleibt Lars Rauchfuß im Amt, ergänzt durch die Ko-Vorsitzende Melanie Kühnemann-Grunow.

Viele neue Doppelspitzen in den Bezirksverbänden

Neue Doppelspitzen wurden in Friedrichshain-Kreuzberg (Marie Scharfenberg und Henry Marx), Pankow (Ronja Tietje und Dennis Buchner), Charlottenburg-Wilmersdorf (Franziska Becker und Kian Niroomand), Treptow-Köpenick (Ellen Haußdörfer und Christopher Jäschke) sowie in Lichtenberg (Anja Ingenbleek und Erik Gührs) gewählt.

Insgesamt führt dies zu einer weiteren Verjüngung vieler Bezirksverbände, der Generationswechsel in der Berliner SPD setzt sich fort. Die innerparteilichen Kräfteverhältnisse ändern sich aber nicht. Die Kreisvorstandswahlen bestätigen die Stärke des linken Parteiflügels, der auf Landesparteitagen über eine komfortable Zweidrittelmehrheit verfügt.

Damit wird auch Giffey klarkommen müssen, die zum rechten SPD-Flügel zählt. Es könnte durchaus sein, dass der künftige SPD-Landesvorstand, zu dem auch zwölf Beisitzer, die Vertreter der Kreise und der Arbeitsgemeinschaften gehören, noch ein bisschen mehr nach links driftet. Und ob die künftige SPD-Spitzenkandidatin ihren Wunsch nach einem komprimierten und pragmatischen, auf wenige Punkte beschränkten Wahlprogramm erfüllt bekommt, wird auch parteiintern bezweifelt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false