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Bei den Vorstellungen im Admiralspalast wird Carmens Geschichte im Havanna kurz vor Fidel Castros Machtübernahme angesiedelt.

© Nilz Böhme/Promo

Admiralspalast: "Die Liebe ist ein wilder Vogel, den kein Mensch jemals zähmen kann“

Carmen, George Bizets Klassiker, kommt nach Berlin. Allerdings nicht als Oper, sondern als Musical-Adaption.

Luna Manzanares ist eine sehr selbstbewusste Frau. Verschmitzt wirkt ihr Lächeln, ein bisschen abgründig, leicht spöttisch. So wie das von Carmen, jener einzigartigen Figur, die so quersteht zu den meisten anderen weiblichen Rollen in der Oper des 19. Jahrhunderts. Carmen, die lieber den Männern den Kopf verdreht, statt sie zu erlösen, weshalb sie für Nietzsche zum Gegengift zur Musik Richard Wagners wurde. Carmen, die beide Hände in die Hüften stemmt, die das Leben genießt und der Überzeugung folgt, die Georges Bizet in ihrer Habanera vertont hat, der berühmtesten Nummer des Stücks: „L’amour est un oiseau rebelle – Die Liebe ist ein wilder Vogel, den kein Mensch jemals zähmen kann“. Ein Credo, für das man in Berlin viel Verständnis aufbringen dürfte. Und hier, in Berlin, wird Luna Manzanares diese Carmen verkörpern, allerdings nicht auf der Opernbühne. Denn es gibt den Klassiker auch in einer Musical-Version, „Carmen la Cubana“ spielt auf Kuba kurz vor der Revolution 1959, die Fidel Castro an die Macht bringen wird. Im Rahmen einer Deutschlandtournee gastiert das Musical ab 2. Oktober im Admiralspalast.

Luna Manzanares wurde von der kubanischen Presse zur vielversprechendsten Sängerin des Landes gewählt

„Ich wollte immer schon singen“, erzählt die 28-Jährige. Sie wurde in Havanna geboren, mit neun Jahren gewann sie Schulwettbewerbe, konnte sogar nach Kanada reisen, zum Halifax Jazz Festival. 2011 startete sie eine Solokarriere, gründete eine Band, wurde von der kubanischen Presse zur vielversprechendsten Sängerin des Landes gewählt. Und erschien eines Tages zum Casting für „Carmen la Cubana“. Regisseur Christopher Renshaw weiß davon eine hübsche Anekdote zu erzählen: „Ich saß in meinem Büro, da hörte ich Luna unten an der Treppe singen. Mit einem Schlag war mir klar: Wir haben unsere Carmen gefunden.“ 2016 war Uraufführung im Théâtre du Châtelet in Paris – jener Stadt also, in der 1875 auch das Original das Licht der Welt erblickte; Bizet hat ja, was oft vergessen wird, keine spanische, sondern eine französische Oper geschrieben.

Musical folgt der ursprünglichen "Carmen"-Story

Renshaw konnte den kubanischen Autor, Lyriker und Queer-Aktivisten Norge Espinosa Mendoza für das Textbuch gewinnen. Dessen Geschichte hält sich eng an die Vorlage, auch hier arbeitet Carmen in einer Fabrik, die das „Gold Kubas“ herstellt: die Zigarren. Sie gerät in Schwierigkeiten und muss fliehen, in den Norden nach Havanna, wo inzwischen die Revolution in vollem Gange ist. Auch im Musical steht sie zwischen zwei Männern, Don José repräsentiert als Sergeant in gewisser Weise das alte Regime, Escamillo die neue Zeit. Statt in die Arena steigt er hier allerdings in den Ring – der Toreador als Boxeador. Es spricht für die Stärke der ursprünglichen „Carmen“-Story von Henri Meilhac und Ludovic Hálevy (die wiederum auf eine Novelle von Prosper Mérimée zurückgeht), dass sie bereits diverse Umtopfungen problemlos überstanden hat, gute Kunst hält das aus. Meist wird sie von Spanien in andere heiße Länder transferiert wie Südafrika (in dem Film „U-Carmen“, der 2005 den Goldenen Bären der Berlinale gewann) oder in die US-Südstaaten wie in Otto Premingers Film „Carmen Jones“ von 1954.

Regisseur Christopher Renshaw: „Auf Kuba lernst du, was wirklich wichtig ist im Leben.“

Von ihm hat sich auch Christopher Renshaw inspirieren lassen. Und Kuba, das ist schließlich der Inbegriff von Musik, Leidenschaft und Erotik. „They just do it – sie machen es einfach“, sagt Renshaw. „Auf Kuba lernst du, was wirklich wichtig ist im Leben.“ Wer Kuba kennt, der weiß: Die Musikalität der Insel ist ansteckend, doch sie macht zugleich auch betroffen. Weil die Fröhlichkeit zwar echt und empfunden, aber eng mit Melancholie und Traurigkeit verwoben ist. Das eine faltet sich sozusagen ins andere. Überall in den Straßen von Havanna versammeln sich Grüppchen, spielen Gitarre und singen, und das eindeutig nicht für die Touristen. Doch Musik ist oft das einzige, was den Kubanern bleibt, sie leben in einem Gefängnis. Auch wenn das Land von venezolanischen Verhältnissen weit entfernt ist, können doch nur wenige – wie Luna Manzanares – ins Ausland reisen. Seit Donald Trump US-Präsident ist, sind die Liberalisierungen seines Vorgängers Barack Obama weitgehend rückgängig gemacht worden. So sitzen jeden Abend Hunderte auf der gar nicht mal besonders schönen Betonmauer der berühmten Uferstraße Malecón direkt am Atlantik und blicken aufs Meer, Richtung Miami. Eine Stimmung wie in Berlin am Landwehrkanal. Nur das kühle Bierchen kann sich keiner dazu leisten.

Posaune, Trompete und kubanische Rhythmusinstrumente

Auch „Carmen la Cubana“ ist natürlich nicht für die Kubaner, sondern für den europäischen Markt produziert. Trotzdem ist das Musical open air am Hafen von Havanna aufgeführt worden, gratis für alle – ein großer Erfolg. Alex Lacamoire, der in Los Angeles als Sohn von Exilkubanern geboren wurde, hat Bizets Partitur neu arrangiert, aber so, dass das Original immer erkennbar bleibt. „Es gibt keine Note, die nicht von Bizet ist“, erklärt er. Klassische Instrumente wie Geige, Klarinette oder Flöte hat er eingebaut, aber der Schwerpunkt liegt jetzt auf einer Latin Big Band, auf Schlagwerk, Posaune, Trompete und kubanischen Rhythmusinstrumenten wie Congas, Marcas und Timbales. Lacamoire hat 2008 einen Tony Award und einen Grammy erhalten für seine Orchestrierung des Musicals „In the Heights“, später noch einen weiteren Tony für „Hamilton“ – ein Musical, das das Leben Alexander Hamiltons mit Hip-Hop-Musik erzählt.

Tänzer von der staatlichen Ballettschule in Havanna

Besonders prägend für „Carmen la Cubana“ sind natürlich die Tänzer, die quasi durchgehend die Bühne bevölkern; sie erweitern die Leidenschaften und Emotionen der Protagonisten ins Kollektive, dienen als zusätzliches Mittel, die Story zu transportieren. Alle sind sie Absolventen der Escuela Nacional de Ballet in Havanna, der staatlichen Ballettschule. Und sie haben „Carmen“ wirklich im Blut. „Das Talent liegt auf Kuba im Grunde auf der Straße“, erklärt Luna Manzanares, „aber es fehlt die Möglichkeit, es in die Welt zu tragen.“ Auch deshalb ist es gut, dass sie und ihre Truppe jetzt in Berlin auftreten. Und wenn Luna Manzanares die Habanera singt, hat das natürlich besonderen Charme. Denn die trägt ja schon im Namen, wo sie herkommt: Es ist ein alter Tanz aus Havanna. Ja, Kuba glüht nach. Ob mit oder ohne Zigarre.

„Carmen la Cubana“, 2. bis 14. Oktober, Admiralspalast, www.ticketmaster.de

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