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Katrin Ohlmer bestückt die Kiezhelden-Boxen.

© Tanja Buntrock

Charity-Aktion in Corona-Zeiten: Die Kiezhelden-Box soll kleine Berliner Läden retten

Eine Schöneberger Internet-Firma stellt Geschenkpakete voller guter Produkte aus Kiezläden zusammen. Das soll den kleinen Manufakturen zugute kommen.

Die Kartons stecken „voller Liebe“. Wenn sie denn einmal fertig gepackt sind. Momentan stapeln sie sich noch in der Fabriketage in einem Hinterhof in der Schöneberger Akazienstraße. Dort sitzt das Unternehmen dotBerlin, das die Top-Level-Domain (Endung einer Internetadresse) .berlin vermarktet.

Katrin Ohlmer, 51, steht zwischen vielen Pappboxen und Kisten mit Senfgläsern, Pralinen, Nudelmehl-Tütchen und etlichen anderen Köstlichkeiten. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin von dotBerlin, das seit 2006 besteht und 2014 als weltweit erste Internet-Endung für eine Stadt online ging. Mittlerweile gibt es 55.000 Internet-Adressen mit dieser Stadt-Endung.

Doch anstatt sich diese Woche um Internet-Infrastruktur zu kümmern und internationale Gremienarbeit zu betreiben, was sonst zu ihrer täglichen Arbeit gehört, organisiert Ohlmer gerade ihr neuestes Projekt, eine Charity-Aktion pünktlich vor der Advents- und Weihnachtszeit: Die Kiezhelden-Box. Am Mittwoch startet der Versand.

Es geht um eine Geschenkidee in harten Zeiten, wie wir sie in diesem Jahr wohl alle erleben. Wer als Chefin oder Chef seinen Mitarbeitenden oder Geschäftspartnern zum Jahresausklang eine Freude machen und sich für die außergewöhnliche Arbeit in der Coronakrise – etwa im Homeoffice mit oftmals vielen Mehrbelastungen – bedanken möchte, der könne das mit der Kiezhelden-Box tun.

Alle Kiezhelden-Läden sind inhabergeführt

„Schließlich haben Kunden, Partner und Mitarbeiter Unglaubliches geleistet, um sich den neuen Anforderungen anzupassen. Weihnachten ist da die perfekte Gelegenheit, auf eine originelle Art Danke zu sagen“, meint Katrin Ohlmer. Wer das auf diese Art tut, tue dabei auch noch anderen Berlinern etwas Gutes – man sichere die Existenzen von kleinen Geschäften und Manufakturen, deren Produkte sich in der Box befinden. Sie stammen alle von Läden, die zu der ebenfalls von Ohlmer gegründeten kiezhelden.berlin-Plattform gehören.

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Diese Berliner Geschäfte sind alle inhabergeführt – also keine Ketten – und bieten einen stationären Laden in einem Berliner Kiez. Sie müssen mindestens ein Jahr alt sein. Und so kommt hier die Liebe ins Spiel. „Alle Waren sind mit viel Liebe ausgewählt“, sagt Katrin Ohlmer.

Auch "Berliner Senf" aus dem Senf-Salon, ist in der Kiezhelden-Box zu finden.

© Tanja Buntrock

Die Idee zu den „Kiezhelden“ kam Katrin Ohlmer bereits im Sommer 2018. Damals, erzählt sie, gab es einen Moment, als wieder einmal überall Amazon- und DHL-Paketwagen auf den Straße standen und die Auslieferer die von den Kunden im Internet bestellte Ware in die Wohnungen schleppten. Ihr sei das zuwider gewesen, und sie hat sich überlegt, ab sofort – wenn irgendwie möglich – nur noch lokale Geschäfte zu unterstützen.

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In einer Runde mit ihren vier Teammitgliedern hat sie ein Brainstorming gemacht: Jeder hat überlegt, wo und in welchen Kiezen es noch Läden gibt, die Handgefertigtes anbieten oder schöne Produkte im Angebot haben und eben keine der üblichen Warenhaus-Ketten sind.

Die Büroetage von dot.berlin in Schöneberg wurde kurzerhand zum Lager- und Versandzentrum der Kiezhelden-Boxen.

© Tanja Buntrock

Zu Beginn waren es 600 Kiezläden. Ohlmer und ihr Team bündelten alles auf ihrer kiezhelden.berlin-Seite und ließen jedem Unternehmen, das teilnimmt, einen blauen Aufkleber mit der verschnörkelten, weißen Aufschrift „Kiezhelden“ zukommen, der dann im Schaufenster klebt. Das Ziel: „Mehr Wertschätzung für Geschäfte im Kiez zu erlangen“, beschreibt Ohlmer.

Mit Champagner-Hefe: Das Bier der Berliner Brauerei "Kangaroohs".

© Tanja Buntrock

Die Leute sollten mal einen anderen Weg nach Hause gehen und sähen dann, dass es doch den Tischler-Laden gibt, der selbst gemachtes Holzspielzeug anbietet, oder der kleine italienische Feinkostladen, der ganz besondere Köstlichkeiten im Angebot hat. „Man findet eigentlich in jedem Kiez so etwas, es gibt mehr dieser Läden, als man denkt“, sagt sie.

Mittlerweile sind es 2000 Kiezhelden. Das dot.berlin-Team stellt jeden Tag einen von ihnen auf dem Instagram-Account von Kiezhelden.berlin vor. Für die Geschäfte ist die Mitgliedschaft auf der Plattform kostenlos.

Früher bekam sie von Geschäftspartnern sinnlose Geschenke "Made in China"

Als der Herbst begann, habe Katrin Ohlmer sich wie viele andere wohl auch schon mal ein bisschen Gedanken zur Weihnachtszeit gemacht. Ihr sei eingefallen, was sie so damals vor etlichen Jahren in ihrer Zeit als Angestellte in der Software-Industrie für Geschenke von Kunden und Partnern bekommen habe: oftmals in China produzierte Dinge, die sie absolut nicht brauchte. Warum also nicht Geschenkboxen anbieten mit schönen Produkten der Kiezhelden, die die ganze Vielfalt Berlins bieten?

So entstand binnen kurzer Zeit das Konzept für die Kiezhelden-Box. Diese gibt es nun in drei Varianten: in klein für 35 Euro (bis zu dieser Summe ist es für die verschenkenden Unternehmen steuerfrei), mittelgroß für 65 Euro und in groß für 110 Euro.

Momentan befinden sich in den Geschenkboxen beispielsweise Kaffee vom Weltmeister-Barista „Double Eye“ aus Schöneberg, Pralinen der Reinickendorfer Traditionsfirma Sawade, die kürzlich Insolvenz anmelden musste, oder „Berliner Senf“ vom Senf-Salon in Kreuzberg.

Auch Tonic Water von Thomas Henry aus Schöneberg ist mit dabei

Aber auch Schnaps von Mampe oder Tonic Water von Thomas Henry, die an der Grenze zwischen Tempelhof und Schöneberg sitzen. Die Verschenker können wählen, ob sie eine Mischung mit Advents- und Weihnachtssachen haben möchten, eine alkoholfreie Box oder weitere Varianten: Ob Veganer, Kochfan oder Freizeitsportler – alles sei möglich, versprechen Ohlmer und ihr Team.

Einen finanziellen Gewinn mache dot.berlin damit nicht, verspricht Ohlmer. Sie organisiere nur die Bestellungen und kümmere sich um den Versand. Aber dafür trage sie etwas dazu bei, dass die kleinen Geschäfte Berlins, die nahezu alle auch durch Corona Einbußen machen mussten, fortbestehen. Aus Liebe – zu Berlin und zur Vielfalt.

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