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Dann lernt mal schön? Marodes Schulgebäude in Berlin.

© picture alliance/dpa

Ferienende und alte Bildungsprobleme: Die Abstumpfung gegenüber der Schulmisere ist fatal

Berlin ist Meister im Durchwursteln und Irgendwie-Regeln. Bei Bildung ist das aber nicht genug, weil es für die Schüler:innen um sehr viel geht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sylvia Vogt

Schon bevor das neue Schuljahr angefangen hat, kann man die Probleme, die sich auftun, im Schlaf aufzählen. Zu wenig Lehrkräfte für mehr Schülerinnen und Schüler, zu viele marode Schulbauten, in denen im Winter zudem wahrscheinlich Frieren angesagt ist und – immer noch – Corona, mit allen bekannten Folgen von Lernrückständen bis zu psychischen und sozialen Belastungen.

Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) sagt, dass sie flächendeckende Schulschließungen nicht zulassen wolle: weder wegen Corona noch wegen Energiemangel. Wie absurd hätte so eine Aussage vor ein paar Monaten noch geklungen!

Den Schulbetrieb einstellen, weil Strom und Gas fehlen und nicht geheizt werden kann? Allein, dass dies im Bereich des Möglichen gedacht wird, zeigt, wie sehr sich die Realität seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verändert hat.

Dass jede Menge Lehrerinnen und Lehrer fehlen, das ist dagegen seit Jahren harte Realität in Berlin. Da ist man inzwischen fast schon abgestumpft. Man kennt auch das Durchwurschteln, die Mangelverwaltung, den ständigen Unterrichtsausfall. Man hofft einfach, dass die Schulen es auch dieses Mal irgendwie schaffen werden, den Großteil der Stunden abzudecken.

Dieses Durchwurschteln und Irgendwie-Hinkriegen ist aber nicht gut genug, und weder Eltern, Lehrer:innen noch Politiker:innen dürfen sich daran gewöhnen. Denn in der Tat ist es ein Skandal, dass allen Beteuerungen zum Trotz Bildung und pädagogische Fürsorge für Kinder und Jugendliche immer noch nicht als das gesehen und entsprechend ausgestattet werden, was sie sind: eine der wichtigsten Aufgaben in diesem Land.

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Für die Kinder, die jetzt in die Schule kommen, beginnt nun eine mindestens zehnjährige Zeit, die für ihr weiteres Leben prägend ist. Was sie lernen und wie gut sie lernen, ist entscheidend für die Chancen, die sie später im Beruf und in ihrem Leben haben. Es ist auch die Zeit, in der sich ihre Persönlichkeiten entwickeln, sie Vorlieben und Begabungen entdecken, Freundschaften schließen und lernen, sich in Gruppen zurechtzufinden.

Besonders für förderbedürftige Schüler:innen ist das bitter

Wie bitter, wenn diese Jahre von einem ständigen Mangel eingeschränkt sind und Möglichkeiten deshalb verbaut werden. Besonders bitter ist es für jene Schüler:innen, die eine besondere Förderung und Zuwendung brauchen und diese vielleicht nicht bekommen. Und welch fatales Signal, dass die Kindern empfangen: Ganz so wichtig seid ihr doch nicht.

Selbst wenn jetzt alle Anstrengungen unternommen würden, um mehr Lehrkräfte auszubilden, neue Schulgebäude zu bauen, bestehende zu sanieren: Viele von den Kindern und Jugendlichen, die jetzt in der Schule sind, werden – falls es irgendwann tatsächlich besser wird – nichts mehr davon haben. Und Zweifel an diesem „falls“ sind angebracht:

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Die vielen Mängel sind seit Jahrzehnten bekannt, und die vielen Versäumnisse kann man ebenfalls im Schlaf aufzählen: Es wurden viel zu wenig Lehrkräfte an den Universitäten ausgebildet, die Gebäude wurden jahrelang kaputtgespart, und Berlin verlor mit dem Sonderweg der Nicht-Verbeamtung tausende Lehrer:innen.

Der Verweis auf die Vergangenheit nutzt sich ab, wenn diese Fehler über die Jahre mitgeschleppt werden, statt sie entschlossen zu korrigieren. Noch immer kommen aus den Universitäten zu wenige Lehramtsabsolvent:innen an den Schulen an, und wichtige Schulsanierungsprojekte werden aus finanziellen Gründen dann doch wieder um Jahre verschoben. Immerhin wird nun wieder verbeamtet, doch bis alle dafür in Frage kommenden Lehrkräfte in Berlin in diesen Genuss kommen, wird ebenfalls noch einige Zeit vergehen.

Politiker:innen sprechen statt von Problemen und Krisen gern von Herausforderungen. Die kann man annehmen oder ablehnen, man kann sie bewältigen oder eben nicht. Das allerdings können wir uns als Gesellschaft im Bereich der Bildung nicht leisten. Es geht um handfeste Probleme, die gelöst werden müssen. Scheitern ist keine Option.

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