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Bjørn Jensen, Chef der Coca-Cola Deutschland GmbH, beim Interview in seinem Büro an der Stralauer Allee.

© Sven Darmer

Deutschlands Coca-Cola-Chef: „Es wird nie wieder so sein wie vor Corona“

Bjørn Jensen, Deutschland-Chef von Coca-Cola, spricht über Leben und Arbeiten in Berlin, die Pandemie, Werbung und eine einmonatige Social-Media-Pause.

Herr Jensen, seit drei Jahrzehnten arbeiten Sie für Coca-Cola an faszinierenden Orten wie Tokio, Bangkok, London. Nun hat die Zentrale Sie nach Berlin geschickt. Empfinden Sie das als Anerkennung – oder haben Sie was angestellt?
Nein. Gar nicht. Ich bin in einem sehr kleinen Städtchen im Süden Norwegens aufgewachsen und kam direkt nach dem Wehrdienst und Studium zu diesem internationalen Konzern: Da wurde ein Traum für mich wahr. Ich wollte die Welt sehen und das habe ich auch. Aber ich gebe zu, dass ich mir bei einigen Dienstorten ein paar Stunden Bedenkzeit erbeten hatte. In diesem Fall aber brauchte ich nur ein paar Minuten, um „Ja” zu sagen.

Wie war Ihr erster Eindruck von der Stadt?

Ich kannte Berlin schon als Tourist und liebe es. Meine Frau und ich genießen seit Tokio den Trubel einer Großstadt, also wollten wir auch hier wieder mittendrin sein. Berlin ist so dynamisch, divers, energetisch aufgeladen und lebendig. Das gefällt uns. Und nicht zu vergessen, auch das Geschäft hier ist spannend.

Ihr Konzern produziert und verkauft 500 Getränkemarken in 200 Ländern. Wo ist der Verkauf besonders kompliziert?
Die vielen Märkte sind so unterschiedlich. In einigen Ländern steht die Bezahlbarkeit im Vordergrund. Ich war in Asien zum Beispiel für Länder wie Laos zuständig, wo sich viele Menschen nicht jeden Tag unsere Produkte leisten können. Dort gibt es kein flächendeckendes Vertriebssystem mit Supermarktketten. In Europa vertreiben wir Getränke über einige Großkunden und auch Bezahlbarkeit ist hier kaum ein Thema. Hier müssen Verbraucher eher davon überzeugt werden, dass sie gute Qualität und eine große Auswahl für ihr Geld bekommen. So hat jeder Markt Herausforderungen.

Und was ist die Herausforderung bei der Produktion von Getränken – zum Beispiel bei der Qualität des Rohstoffes Wasser?
Grundsätzlich sind wir auf gute Wasserqualität angewiesen. Und auch wir verwenden viel Kraft darauf, das Wasser, das wir verwenden, verantwortungsbewusst zu nutzen. Seit 2010 bereiten wir daher weltweit alle unsere Produktionsabwässer, die wir zum Beispiel für die Reinigung von Flaschen und Anlagen benötigen, so auf, dass wir es sauber an die Umwelt zurückgeben. Mancherorts in der Welt verlässt Abwasser unser Werk in besserer Qualität, als wir es erhalten haben. Auch Wasserknappheit ist ein wichtiges Thema – in einigen Regionen, und mittlerweile auch in Deutschland. Unsere Abfüllanlage in Genshagen südlich von Berlin ist eine der sparsamsten überhaupt: Für einen Liter abgefülltes Getränk benötigen wir dort insgesamt 1,17 Liter Frischwasser.

In Berlin und Brandenburg ist Leitungswasser so sauber, dass man es bedenkenlos trinken kann und sich keine Flaschen kaufen muss. Ist das schlecht für Coca-Cola?
Nein, Wettbewerb ist doch gut. Um zu wissen, was die Verbraucher sich wünschen, betreiben wir viel Marktforschung. Und die sagt uns, dass es unterschiedliche Trinkgelegenheiten und -bedürfnisse gibt: Wer nur kurz seinen Durst stillen will, ist mit einem Glas Leitungswasser gut bedient. Wenn er aber zum Beispiel Freunde empfängt, möchte er etwas Anderes. Und das wollen wir ihm bieten – egal ob es ein Tee, eine Limonade oder sonst etwas ist.

Deutschland ist eine Kaffeetrinkernation.
Stimmt, auch deshalb haben wir die Kaffeefirma Costa in Großbritannien übernommen und sind in Deutschland bereits vor zehn Jahren mit der Kaffeemarke Chaqwa auf den Markt gegangen, die vor allem in eigenen Kaffeeautomaten in Büros oder Betrieben angeboten wird.

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Dieser Tage war zu lesen, dass sich Coca-Cola – ebenfalls in Großbritannien – erstmals seit der Gründung an einem Alkoholproduzenten beteiligt hat. Ist das ein Strategiewechsel?
„The Coca-Cola Company“ meldet jedes Jahr weltweit Hunderte von Marken an.

Sie haben ihren Chefposten im Herbst übernommen. Wenige Monate später hat die Pandemie auch Deutschland erfasst. Wie hat dies Ihre Firma intern betroffen?
Als klar war, dass es eine Pandemie ist, haben wir den Normalbetrieb hier in Friedrichshain weitgehend eingestellt. Seit Mitte März sind die meisten Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice. Ich schicke seither fast jeden Morgen gegen 9.30 Uhr ein Video-Update über die relevanten Themen an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Immer nur rund zweieinhalb Minuten, selbst mit dem Handy aufgenommen. Zugleich wollten und mussten wir den Betrieb aufrechterhalten: die Produktion am Laufen halten, Kunden beliefern, Verbraucher versorgen.

Bjørn Jensen, Deutschland-Chef von Coca-Cola, sitzt auf einer Bank auf der Terrasse der Firmenzentrale am Spreeufer in Berlin-Friedrichshain.
Bjørn Jensen, Deutschland-Chef von Coca-Cola, sitzt auf einer Bank auf der Terrasse der Firmenzentrale am Spreeufer in Berlin-Friedrichshain.

© Sven Darmer

Hat das funktioniert?
Wir haben uns gut auf die neue Situation eingestellt. Umfragen unter den Mitarbeitern zeigen, dass die Stimmung zum Teil sogar besser ist als früher. Die Leute rücken in einer Krise enger zusammen. Und vielleicht auch, weil wir im Management die Botschaft ausgesendet haben, dass sich alle Mitarbeiter, speziell auch die Eltern kleinerer Kinder, um ihre persönliche Situation kümmern sollen. Wenn wir als Arbeitgeber auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht nehmen, wirkt sich das positiv auf die Motivation und Verbundenheit mit dem Unternehmen aus.

Welche dieser Maßnahmen werden sie in die Zeit nach Corona retten?
Das kann ich noch nicht konkret sagen, ich bin mir aber sicher: Es wird nie wieder so sein wie vor Corona! Krisen wie diese Pandemie wirken wie Beschleuniger von Entwicklungen: So werden wir künftig bestimmt flexibler und mobiler arbeiten.

Brauchen Sie dann überhaupt noch diese vielen Büros mit schönem Blick auf die Spree?
Ob und wie oft jemand hier im Büro sein muss, hängt stark von den Tätigkeiten und der persönlichen Lebenssituation ab. Manche leben allein, die haben hier im Büro ihre Freunde, sie vermissen und brauchen die sozialen Kontakte. Andere müssen vielleicht nur zweimal die Woche oder gar nur einmal alle zwei Wochen da sein. Es wird mehr Flexibilität geben. Wie genau, müssen wir noch ausarbeiten.

Wie hat Corona ihren Absatz beeinflusst? Viele Restaurants mussten ja über Wochen schließen.
Zu konkreten Zahlen darf ich vor Veröffentlichung unserer weltweiten Geschäftszahlen nichts sagen. Natürlich hatte die Schließung der Restaurants, Kneipen, Hotels, Kinos oder Clubs auf unser Geschäft getroffen. Und auch nach der Lockerung können diese nicht so viele Kunden wie früher bewirten. Deshalb versuchen wir, sie zu unterstützen.

Wie?
Wir unterstützen sie zum Beispiel mit unserer Spendenplattform Lokalfreun.de über betterplace.me und stocken Spenden von anderen Spendern auf. So haben wir schon knapp 300 000 Euro für Gastronomen zusammenbekommen. Aber mindestens so wichtig ist es, dass die Verkaufsberater unseres Abfüll-Unternehmens Coca-Cola European Partners Deutschland Gastronomen dabei beraten, wie sie ihre Umsätze pro Kunde erhöhen können, ihre Produktpalette optimieren und lokal bekannter werden (Hier lesen Sie eine Reportage über den Kampf um die Kunden im Kiez). Je schneller die Läden und Lokale wieder Tritt fassen, desto besser auch für uns.

Melanie Schmidt, Vertriebsmitarbeiterin von Coca-Cola European Partners, im Gespräch mit dem Gastronomen Mustafa Khafadji vom Lokal Haroum in der Simplonstraße in Friedrichshain.
Melanie Schmidt, Vertriebsmitarbeiterin von Coca-Cola European Partners, im Gespräch mit dem Gastronomen Mustafa Khafadji vom Lokal Haroum in der Simplonstraße in Friedrichshain.

© Kevin P. Hoffmann

Zugleich haben Sie die Investitionen in Werbung und Marketing gestoppt. Warum?
Wir wollten angesichts dieser weltweiten Krise nicht so tun, als sei nichts gewesen und einfach nur glückliche Menschen in unserer Werbung zeigen. Wir wollen sicherstellen, dass wir uns auf die richtigen Ziele konzentrieren. Und das sind zunächst Mitarbeiter und Geschäftspartner. Und wir wollen einen Teil des Geldes, das wir durch den Werbeverzicht einsparen, für andere Dinge ausgeben – für Nachbarschaftsinitiativen zum Beispiel. Außerdem haben wir 550 000 Euro an das Deutsche Rote Kreuz gespendet und darüber hinaus noch Getränke im Wert von über 200 000 Euro. Wir haben dafür viele positive Reaktionen erhalten.

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Aber auch negative. Weil Sie Ihre langjährigen Werbepartner – dazu zählen Medienhäuser – in der Krise hängenlassen.
Das tun wir nicht. Wir fahren Aktivitäten ja im zweiten Halbjahr langsam wieder hoch. Nur eben fokussierter und konzentrierter.

Zugleich haben Sie angesichts der Rassismus-Debatte nach dem Tod von George Floyd entschieden, Facebook, Instagram und andere Plattformen zu boykottieren.
Es ist kein Boykott. Wir nennen es eine Pause – zunächst für den Monat Juli. Und es geht uns nicht um Kostensenkung. Wir haben nur feststellen müssen, dass in einigen Sozialen Medien Hass, Rassismus und Lügen verbreitet werden. Wir als weltweit tätiges Unternehmen können das nicht tolerieren und mitfinanzieren. Wir nutzen also diese Pause, um intern zu klären, wie wir künftig mit Sozialen Medien arbeiten wollen. Und um die Betreiber dieser Medien einzuladen, transparenter und aktiver gegen Rassismus und dergleichen vorzugehen. Ende Juli werden wir weitersehen. Wir führen keinen Kampf gegen die Sozialen Medien, sondern wir kämpfen gegen Rassismus, Hass und Intoleranz. Und der ist mir auch persönlich extrem wichtig.

All diese Krisen haben wirtschaftliche Folgen. Inwieweit werden diese Jobs bei Ihnen in Berlin und Brandenburg kosten?
Für die Zentrale der Coca-Cola GmbH in Deutschland sehe ich keine Jobverluste. Unser Abfüllunternehmen Coca-Cola European Partners musste einen Teil seiner Mitarbeiter vorübergehend in Kurzarbeit schicken, denn mit der Gastronomie ist ja ein wichtiger Teil unseres Geschäftes über einige Monate weggefallen Aber auch CCEP kommt langsam wieder zum Normalbetrieb zurück.

Was kann die lokale Politik tun, um Sie als großen regionalen Arbeitgeber zu unterstützen?
Ehrlich gesagt, geht es uns hier schon ganz gut. Berlin ist unsere Heimat in Deutschland seit 2003. Und wir sind gern hier, weil die Stadt so dynamisch und divers und weltoffen ist und möchten eher fragen, was wir tun können, damit das so bleibt.

Der Norweger Bjørn Jensen (53) ist seit Oktober Chef von Coca-Cola in Deutschland, Dänemark und Finnland.

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