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Das Denkmal würden die Initiatoren am liebsten mit Blick auf die US-Botschaft platzieren.

© Thilo Rückeis

Deutsch-Amerikanische Beziehungen: Ein "Forty-Eighters"-Denkmal für Berlin

1848 flohen Revoluzzer von Deutschland in die USA, kämpften dort für die Demokratie. Für ein Denkmal zu ihren Ehren finden sich viele Unterstützer.

Vier deutsche Namen stehen für deutsches Streben nach Freiheit in den USA. Aber die Chance, dass amerikanische Studenten mit den Namen Carl Schurz, Gustav Struve, Friedrich Hecker und Franz Sigel etwas anfangen können, ist sehr viel größer, als dass bei deutschen Altersgenossen etwas klingelt.

Der langjährige Intendant der Deutschen Welle, Erik Bettermann, muss es wissen, denn er lehrt am Wartburg College in Iowa Medienwissenschaft. Gemeinsam mit Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg sitzt er in einem Lokal in der Nähe der Charité, um für ein Projekt zu werben, das beiden zur Herzensangelegenheit geworden ist. Obwohl er gegen eine schwere Krankheit kämpft, ist Rautenberg sichtbar fasziniert von der Geschichte der Männer.

Für einen "Patriotismus der Demokraten"

Alle vier gehörten zu den in den USA sogenannten „Forty-Eighters“. Der Name bezieht sich auf den Revolutionsversuch von 1848, bei dem Freiheitskämpfer in Deutschland der Demokratie Bahn brechen wollten. Als das scheiterte, liefen sie als revolutionäre Demokraten in den deutschen Feudalstaaten Gefahr, standrechtlich erschossen zu werden.

Also flohen sie in die USA. Dort schlossen sie sich dem Kampf gegen die Sklaverei an, waren als Offiziere im Bürgerkrieg auf der Seite der Nordstaaten im Einsatz. Als frühe Mitglieder der Republikanischen Partei beteiligten sie sich an der Gestaltung eines demokratischen Gemeinwesens. Carl Schurz, Freund und Verbündeter des 1865 ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln, brachte es 1877 bis zum Innenminister der USA.

Rautenberg ist fest davon überzeugt, dass man rechten Gruppierungen einen „Patriotismus der Demokraten“ entgegensetzen muss. Der braucht natürlich Symbole. Inzwischen hat er eine Initiative aus politisch interessierten Menschen versammelt, um ein Denkmal für die sogenannten „Forty-Eighters“ in Berlin zu errichten. „Männer wie Carl Schurz haben ihre demokratischen Vorstellungen in die USA gebracht, als Deutschland noch nicht reif dafür war“, argumentiert er.

„Indirekt ist es also auch ihnen zu verdanken, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Demokratie aus den USA nach Deutschland exportiert werden konnte.“ Auch deshalb soll ein Denkmal her, so schnell wie möglich, am besten am Rande des Tiergartens, schräg gegenüber der US-Botschaft mit Blick auf das Brandenburger Tor.

Angestoßen wurde das Projekt 2016 durch einen „Spiegel“-Artikel von Dirk Kurbjuweit. Mehrere Prominente haben bereits Sympathie für das Vorhaben bekundet, darunter die früheren Politiker Hans-Otto Bräutigam, Walter Momper, Hans-Jochen Vogel und Lore Maria Peschel-Gutzeit.

In den USA existieren mehrere Denkmäler für Forty-Eighters

Ein entscheidender Schub wird am 19. März erwartet: Unter der Überschrift „Von Rebellen und Demokraten – ein neuer Blick auf ein altes Verhältnis“ treffen sich die Initiatoren mit Experten in der Landesvertretung Bremen zu einem eintägigen Symposium, Schirmherr ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Veranstalter ist das Gustav-Stresemann-Institut in Bonn, dessen Präsident Erik Bettermann ist, und vom Wartburg College in Iowa, das ihm die Ehrendoktorwürde verliehen hat.

Sprechen wollen dort unter anderem US-Geschäftsträger Kent Logsdon, Aspen-Institute-Direktor Rüdiger Lentz, der Geschäftsführer der Barenboim-Said-Akademie, Michael Naumann, der Bundestagsabgeordnete Hans-Ulrich Klose und Ex-US-Geschäftsträger James Bindenagel. Sie wollen die gemeinsame demokratische Tradition beider Länder ins Blickfeld rücken, weil die gängige Betrachtung der Beziehungen nach 1945 zu kurz greife.

Interessenten können sich noch anmelden unter der Adresse m.zimmermann@gsi-bonn.de.

„Angesichts der politischen Bedeutung der transatlantischen Wertegemeinschaft ist es für uns gerade jetzt bedeutsam, an die lange gemeinsame Geschichte zu erinnern“, sagt Erik Bettermann. Seit er einmal in New York die deutsch-amerikanische Steuben-Parade abnehmen durfte, bei der auch Carl Schurz eine Rolle spielt, ist er persönlich besonders sensibilisiert für das Thema.

„Es geht uns darum, die wahre Bedeutung von Männern wie Carl Schurz ins Bewusstsein zu rücken“, sagt Rautenberg. In den USA existieren bereits mehrere Denkmäler für Forty-Eighters. Auf einem in Wisconsin steht die Inschrift „Our Greatest German American“, auf dem, das in New York auf dem Campus der Columbia University steht, heißt es „Defender Of Liberty And A Friend Of Human Rights“. Auf dem Denkmal in Berlin sollen im Sockel auch die Namen der Mitstreiter aufgeführt werden.

„Bei all ihren Schwächen, Irrtümern und Verstiegenheiten stehen die vier für das Edelste, was in der politischen Geschichte der Deutschen zu finden ist: Freiheitsdrang, Staatsbürgerlichkeit, demokratische Gesinnung, Gerechtigkeitssinn, aufgeklärte Wehrhaftigkeit“, hieß es in Dirk Kurbjuweits Artikel.

Die deutschen Revolutionäre, denen die Flucht in die USA gelang, setzten sich dort nachhaltig ein für die Freiheit des Individuums, für die Meinungsfreiheit, die freie Presse. Das waren auch die Werte, die die Deutschen in der amerikanischen Gesellschaft zu verankern halfen. Dort mussten sie nicht mehr kämpfen, galten auch nicht als radikal. Den Nachruf auf Carl Schurz schrieb einst Mark Twain, im Kino spielte ihn Edward G. Robinson.

Nachdenken über Wurzeln, Werte und Gemeinsamkeiten mit den USA

Nach dem Willen der Initiative soll das Denkmal für Berliner und Touristen weithin sichtbar die Wurzeln der Wertegemeinschaft von Deutschland und den USA symbolisieren. Die Demokratie, die jene geflohenen deutschen Revoluzzer in den USA verankern halfen, kehrte als Reimport mit dem 1949 unter amerikanischer Regie verabschiedeten Grundgesetz zunächst nach West-Deutschland und später, nach dem Fall der Mauer, auch nach Ost-Deutschland zurück.

Wobei die Geschichte sich gleich doppelt symbolhaft zeigte. Ohne den damaligen US-Präsidenten George Bush sen. hätte es die Wiedervereinigung nicht gegeben. „Unter den Revoluzzern, die nach 1848 in die USA geflohen waren, befanden sich auch einige bekennende Fans von Karl Marx“, gibt Rautenberg zu bedenken.

Ein solches Denkmal würde also auf vielschichtige Art Anlass geben zum Nachdenken über Wurzeln, Werte und Gemeinsamkeiten. An die Fundamente der deutsch-amerikanischen Beziehungen muss gerade in turbulenter werdenden Zeiten immer wieder erinnert werden, sind die Initiatoren überzeugt.

Bleibt bei der Standortfrage der Weg durch die Mühlen der Bürokratie. Berlin ist ja nicht unbedingt für Schnelligkeit bekannt, obwohl sich in diesem Vorhaben eigentlich alle demokratischen Parteien wiederfinden könnten, CDU, FDP, SPD und Grüne sowieso und sogar die Linke wegen der Bezüge zu Karl Marx.

Die Kulturverwaltung setzt sich zwar, wie eine Sprecherin auf Nachfrage erklärte, „ausdrücklich für eine stärkere Verankerung demokratiegeschichtlicher Traditionen im kulturellen Gedächtnis unserer Stadt ein“. Die Zuständigkeit für ein Denkmal dieser konkreten Ausrichtung müsse „insbesondere hinsichtlich des dezidiert transnationalen Schwerpunktes allerdings beim Bund gesehen werden“ und falle nicht in die unmittelbare Verantwortung Berlins.

"Ein würdiges Symbol der deutsch-amerikanischen Beziehungen"

Wegen der Finanzierung machen sich die Initiatoren, die eng mit der Vereinigung der Forty Eighters in den USA verbunden ist, keine Sorgen. Die Replika eines amerikanischen Originals sei ja leicht zu erstellen. Der Transport könnte in ihren Augen höchst symbolhaft mit einer amerikanischen Militärmaschine etwa zum Tag der Luftbrücke erfolgen.

Das Denkmal wäre, so argumentiert Rautenberg, „eine Wiedervereinigungsfigur mit Metaebene und gleichzeitig ein würdiges Symbol der deutsch-amerikanischen Beziehungen“. Es könnte den viel beschworenen gemeinsamen Werten eine ganz neue Dimension geben, die auch transatlantische Stürme aushalten würde.

Das Deutsche Historische Museum bietet derzeit eine Reihe von Führungen und Filmen zum Thema an. Alle Informationen finden Sie unter www.dhm.de.

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