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Was nun? Architekt Georg Balzer, Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup, Lichtenbergs Bürgermeister Andreas Geisel und CDU-Vizefraktionschef Stefan Evers (v.l.n.r).

© Davids/Sven Darmer

Berliner Stadtentwicklung: Der Volksentscheid „war ein Misstrauensvotum“

In der Urania diskutierten Experten und Politiker die Folgen und Ursachen des Votums gegen eine Teilbebauung des Tempelhofer Feldes. Viele Bürger hätten den Politikern nicht geglaubt, hieß es. Außerdem wüssten nicht alle, wie groß der Wohnungsmangel ist.

Es gibt einige Erklärungen dafür, warum beim Volksentscheid zum Tempelhofer Feld die Bebauungsgegner siegten – bei einer Diskussion in der Urania war am Montagabend vor allem von einer politischen „Vertrauenskrise“ die Rede.

„Wir haben ein echtes Misstrauensvotum erlebt“, sagte Stefan Evers, Vize-Vorsitzender und Stadtentwicklungsexperte der Berliner CDU-Fraktion: „Viele Menschen wollten auf Nummer Sicher gehen, um Schlimmeres zu verhindern.“

Auch Lichtenbergs Bürgermeister Andreas Geisel (SPD) sagte, es sei nicht allein um die Randbebauung mit Wohnungen gegangen: "Man hat uns nicht geglaubt, dass wir mit dem Bauen aufhören."

Die Bürger hätten „Offenheit und Transparenz“ vermisst, sagte Architekt Georg Balzer, der dem Arbeitskreis Stadtentwicklung der Architektenkammer Berlin angehört. Zudem sei die Planung kein großer Wurf gewesen. Es habe nur zwei Wettbewerbe gegeben – für die Zentral- und Landesbibliothek und die später nach Marzahn verlegte Internationale Bauausstellung. Von den Ideen sei im Masterplan „nicht viel übrig geblieben.“

Überall heißt es: „Bitte hier nicht bauen“

Ursprünglich sollte es bei der Podiumsdiskussion, zu der die Kammer und der Tagesspiegel eingeladen hatten, nicht um Tempelhof gehen: „Scheitert die planmäßige Stadtentwicklung Berlins am Sparkurs von Senat und Bezirken?“, hieß das Thema. Doch Gerd Nowakowski, Leitender Redakteur des Tagesspiegels, lenkte die Debatte erst einmal auf das aktuellere Thema. Der seit April amtierende Staatssekretär für Stadtentwicklung, Engelbert Lütke Daldrup, beklagte einen „massiven Dissens“ bei der Frage, wo gebaut werden soll – nicht nur in Tempelhof „Bitte hier nicht bauen“, sei eine verbreitete Mentalität, die „mir überall begegnet“.

Der lediglich noch zweiprozentige Wohnungsleerstand bedeute praktisch, dass es für Um- und Zuzügler „keine freien Wohnungen mehr gibt“, sagte Lütke Daldrup. Der Mangel sei vielen Bürgern gar nicht bewusst.  Doch allein in den vorigen drei Jahren sei die Bevölkerung um 130 000 Menschen gewachsen.

Zur Zukunft des Tempelhofer Feldes kündigte Evers an, die CDU werde sich „nicht in die Schmollecke zurückziehen“, sondern im öffentlichen Dialog ausloten, welche Nutzungen möglich bleiben – zum Beispiel „ungedeckte Sportplätze“.

Die Folgen des Sparkurses von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (SPD) für Baubehörden machte Christiane Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer, in einer einleitenden Rede deutlich. Vieles solle gebaut werden – außer Wohnungen auch Schulen, Kitas und öffentliche Einrichtungen. Doch die Bauämter seien wegen Personalmangels nicht mehr in der Lage, städtebauliche Konzepte „zeitnah“ umzusetzen oder eigene zu entwickeln.

Nun werden Wohnungen privater Investoren gebraucht – doch die werden teurer

Bebauungsplanverfahren könnten nicht mehr in angemessener Zeit abgewickelt werden, sagte Edmaier, auch Sprechstunden für Planer fielen oft aus. Darüber habe sich die Kammer in einem Brief an den Finanzsenator sowie den CDU-Landeschef und Innensenator Frank Henkel beschwert. Nach dem Volksentscheid müsse man Wohnungen „kleinteilig in bereits erschlossenen Gebieten bauen“. Auf landeseigenen Flächen seien maximal noch 3500 neue Wohnungen möglich, sagte Lütke Daldrup. Den weiteren Bedarf müssten private Investoren decken. Es werde eine „muntere Diskussion über bezahlbare Wohnungen“ geben.

Als guten Anfang für Verbesserungen in den Bauämtern lobte Georg Balzer, dass der Senat 86 neue Stellen in Aussicht gestellt hat, darunter 34 befristete zur Umsetzung des Zweckentfremdungsverbots für Wohnungen.

Bürgermeister Geisel sagte, 2013 habe Lichtenberg 1500 Baugenehmigungen erteilt; für dieses Jahr strebe man eine ähnliche Zahl an. „Die Investoren stehen Schlange.“ Das ändere allerdings nichts an der Verweigerungshaltung vieler Bürger. So wolle ein Investor das leer stehende Einkaufszentrum am Mühlengrund in Hohenschönhausen mit Wohnungen bebauen. Es gebe Proteste der Nachbarn gegen ein dazugehöriges achtstöckiges Haus. Geisel staunte: „Die Leute schauen aus ihren Elfgeschossern und sagen, acht Etagen sind uns zu hoch.“

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