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Festgeklebte Maske: Wie Schauspieler Alexander Scheer geht es unserem Autor auch schon.

© Britta Pedersen/dpa

Berlinale-Kolumne, Tag 4: Der Stoff auf unserer Haut

Manche Filme sind zum Haareraufen – gut, dass unser Autor beim Friseur war. Seine Schönheitsmaske hält ihn im Berliner Winter frisch. Unsere Berlinale-Kolumne.

Sehe ich wirklich schon so fertig aus? Bei der Berlinale haben sie mir eine kleine Tüte mitgegeben. Darin ein Duschbad mit Taurin für den „Aufwachkick“,  ein „aufpolsterndes Feuchtigkeitsserum“ für meine Haare sowie eine Gesichtsmaske mit folgender Wirkung: „Die Gesichtszüge wirken ausgeruhter. Die Haut ist geglättet, schöner und strahlt.“ Wichtig ist aber offenbar vor allem: Die Maske „polstert sofort auf“. Vielleicht sollten sie damit mal die harten Sitze im Friedrichstadtpalast auspolstern.

Krieg, Ku'damm und Kohl in einem Film

Ich war auch extra  beim Friseur. Sieht zwar keiner im dunklen Kino, aber so macht das Haareraufen mehr Spaß. Zum Beispiel über den Film „Merry Christmas Deutschland oder Vorlesung zur Geschichtstheorie II“, der das vom Weltkrieg zertrümmerte Berlin mit Weihnachtsbildern vom Ku'damm 1984 und Reden von Helmut Kohl mischt. Bei Blumen würde man sagen: verschnitten.

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Beim Schneiden griff mir die Friseurin hinters Ohr und löste meine Maske (die fürs Atmen). Doch sie blieb einfach im Gesicht hängen, ging gar nicht ab: „Ist die bei Dir schon festgeklebt?“, fragte sie. Früher sah man einem die Berlinale noch an den Augen an, heute offenbar an Mund und Nase. Ich bin gerade ganz froh, dass ich nicht hinter meine Ohren sehen kann. Da muss alles ziemlich ausgeleiert sein. Meine Brille hängt ja  auch noch dran.

Sie tragen Masken aus Metall und singen nackt Lieder

Zu Hause probierte ich die Maske aus (die für die Haut). Ich muss sagen: So schleimig war früher nicht mal unsere Klassenstreberin. Ich lege die helle Schleimschicht auf meine Stirn, im Gesicht zieht sich meine Haut bis zum Hals bedächtig zusammen, immerhin sind Augen und Mund ausgeschnitten. So kann man in der Einwirkzeit noch einen Schluck  Kaffee trinken. Er schmeckt dann allerdings nach Hyaluronsäure, wie ich später auf der Maskenpackung nachlesen muss.

Autor Robert Ide mit Schönheitsmaske
Autor Robert Ide mit Schönheitsmaske

© privat

Im Film „Shall I compare You To a Summer's Day?" haben sie auch Masken auf, allerdings aus Metall. Es geht um Männer, die mit vielen Männern gleichzeitig zusammen sind – und darüber sagen: „Ich hatte an sich nichts dagegen. Aber ich fragte mich: Wann hat er eigentlich Zeit für uns alle?“ Dazu flimmern animierte Traumbilder aus dem Ozean über die Leinwand, es erklingt Bollywood-Musik und nackte Männer singen am Strand ägyptische Popballaden. Ein Kapitel des Films heißt: „Mir wird warm ums Herz, wenn es Winter wird.“ Das sollte Berlin sich mal zu Herzen nehmen.

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Die Friseurin soll eigentlich nach New York, erzählt sie zum Abschluss. Ihr reicher Freund will sie mitnehmen, damit er da Gesellschaft hat. Er hat schon eine fette Wohnung am Start, irgendwelche Investments „und bestimmt bald ein paar andere Frauen“, mutmaßt die Friseurin, während sie mir hinterm Kopf den Spiegel vorhält. Ich könnte jetzt tatsächlich hinter meine Ohren schauen. Stattdessen guck ich lieber zu ihrer Maske rüber und sage: Dann bleib doch hier.

Als ich mittags aus dem Kino komme, sehe ich blendend aus – naja, geblendet. Die Sonne ist da! Berlin hat sich sofort aufgepolstert. Ich nehm’ mal kurz die Maske ab.

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Von unfreiwilligen Erektionen und Schamhaartoupés - Wie Sex im Film wirklich funktioniert
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