zum Hauptinhalt
Mieter kämpfen gegen Spekulation. Der Staat könnte handeln: Und die Steuervergünstigungen für Rendite-Jäger streichen.

© Christoph Soeder/dpa

Immobilienkauf: Der Staat darf Renditejägern keine Steuerschlupflöcher lassen

Wer eine Wohnung oder ein Haus kauft, muss Grunderwerbsteuer zahlen. Doch Investoren umgehen das. Der Gesetzgeber muss reagieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Schönball

Mieten und Kaufpreise in Berlin steigen unaufhörlich. Schuld daran ist der Markt. Und der Staat. Denn der hat einer kleinen Gruppe von Investoren ein Jahrhundertgeschenk gemacht: Steuerfreiheit auf den Immobilienhandel. Dafür müssen die Investoren ihre hübschen Häuser nur in eine nette Verpackung verhüllen, in einen "Firmenmantel". Schon ist die Steuerpflicht ausgehebelt – durch einen sogenannten "share deal".

Die Firmen, die da verkauft werden, haben meistens keine Mitarbeiter, keinen Geschäftszweck außer der "Optimierung" des "Wohnungsbestandes". Einfach ausgedrückt: Mieten erhöhen bis an die Grenze des gesetzlich Zulässigen. Und dazu modernisieren, weil die Kosten dafür an die Mieter weitergereicht werden können und außerdem noch weitere Steuervorteile bringen.

Nach diesen Eingriffen – teilweise auch davor oder dabei – verkaufen die Händler ihre Wohnungen schon wieder mit kräftigem Profit. Pardon, sie verkaufen ja "nur" die Firmenanteile (mit hunderten von Wohnungen) – und weil keine Grunderwerbsteuer fällig wird, ist maximaler Gewinn drin.

Der Staat befördert die Spekulation

Ja, ist das denn das zu glauben? Warum begünstigt der Staat Spekulanten und bestraft die einfachen Bürger, die das eigene Dach über dem Kopf kaufen wollen, indem er ausschließlich von ihnen Grunderwerbsteuer fordert? Nun, Vorsatz war da nicht im Spiel, der Bund hatte es gut gemeint. Ursprünglich sollte das Gesetz den Generationen-Übergang von produzierenden Firmen erleichtern.

Der Unternehmer, der hunderte von Arbeitsplätzen durch seine Investition sicherte, sollte nicht auch noch mit einer Grunderwerbsteuer auf das Fabrikgebäude belastet werden. Gut gemeint, schlecht umgesetzt: Dass nun auch Finanzjongleure durch Steuerfreiheit dafür belohnt werden, dass sie auf steigende Mieten in Metropolen wie Berlin wetten, indem sie einfach nur von der Migration vom Land in die Metropolen profitieren - das ist einfach nur ungerecht. Und muss gestoppt werden.

Das Gesetz ändern? Natürlich geht das!

Dass es möglich ist, hat am Montag das Gutachten eines Steuerrechtlers von der Bundeswehruniversität Hamburg gezeigt. Er beruft sich auf das Grundgesetz und ruft die Politiker schlicht dazu auf, das zu tun, wofür sie gewählt wurden: zu gestalten.

Und der Experte betont, dass die jetzige Regelung wegen der Ungleichbehandlung eben gerade anfechtbar ist. Dass andere Gutachter die bestehende Rechtslücke fast schon als Naturgesetz ansehen und jede Änderung gegen das Grundgesetz verstoßen würde, ist bloß Polemik im Dienste einer kleinen, aber mächtigen Gruppe von Marktteilnehmern.

Gefundenes Fressen für Populisten

Dass das Dealen von Wohnungsbeständen zu immer höheren Preisen zur Folge hat, dass die Mieten immer schneller steigen, bestreiten allenfalls noch die Renditejäger selbst. Denn sie profitieren. Überhaupt nicht zu vermitteln ist es den Bürgern, dass sie nun immer mehr von ihrem Einkommen für die Miete opfern müssen oder als Käufer anders als "die Großen" durch Grunderwerbsteuer bestraft werden.

Für Populisten ist das ein gefundenes Fressen. Zumal der Bund bisher die Augen verschließt vor der missbräuchlichen oder wenigstens grenzwertigen Auslegung ihres gut gemeinten Gesetzes.

Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false