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Berlin: Der Mann mit dem roten Schal wird 60

Sein großer Moment war der Mauerfall: Walter Momper hat heute Geburtstag

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Ich verschwinde hier“, hat Walter Momper gesagt. Mutlos, verbittert. Das war im Februar 1995, kurz vor seinem 50. Geburtstag, als ihn die Genossen bei der innerparteilichen Urwahl für die SPD-Spitzenkandidatur durchfallen ließen. Einen Monat später verlor er, beim Neuköllner Kreisparteitag in der Onkel-Bräsig-Straße, auch den Listenplatz fürs Landesparlament. „Die SPD macht Momper fertig“, titelte damals die Bild-Zeitung. Am Montag feiert sie ihn. Da wird er 60.

So war es immer – mit Momper und seiner Partei, in die er 1967 eintrat, als die Studenten auf die Straße gingen. Mal ging’s bergauf, mal ging’s bergab. An ihm schieden sich die Geister. Das hat sich bis heute nicht geändert, obwohl er als Präsident des Abgeordnetenhauses seit drei Jahren ein ruhiges Dasein fristet. Schon 1975, als Momper ins Parlament einzog, fiel er durch Streitlust und eine virtuose Rhethorik auf. „Sind Sie wirklich so dumm, Herr Diepgen“, herrschte er gleich in der ersten größeren Rede den CDU-Abgeordneten an, der damals noch Vorsitzender des Schulausschusses war.

Vierzehn Jahre später stand Eberhard Diepgen wirklich dumm da, als ihn Momper als Regierenden Bürgermeister ablöste. Überrascht vom Wahlsieg, geradezu erschüttert, ließ sich der SPD-Mann im Rathaus Schöneberg feiern. „Rot-Grün, Rot-Grün!“, brüllten die Genossen. Noch in den Wochen zuvor hatten einige Genossen bezweifelt, dass sich der rundliche, glatzköpfige Kandidat auf Wahlplakaten präsentieren ließe, ohne Wähler abzuschrecken. Die SPD wagte den Schritt, eine Koalition mit der Alternativen Liste. „Die Berliner Landschaft – gründlich umgepflügt“, schrieb Tagesspiegel-Herausgeber Hermann Rudolph damals in der Süddeutschen Zeitung.

Rot-Grün war von langer Hand vorbereitet worden. Nicht zuletzt von Momper, der im März 1985 SPD-Fraktionschef wurde. Keine zwei Wochen später erklärte er: „Wir machen eine Ausgrenzung zu den Alternativen nicht mehr mit.“ Wer hätte gedacht, dass der dickschädelige Poltergeist, Wortführer der Kreuzberger Linken, eine Wahlperiode später als „der Mann mit dem roten Schal“ berühmt werden sollte? Die Bilder des neuen Stadtoberhaupts vor dem Brandenburger Tor, hinter sich die geborstene Mauer, gingen um die Welt.

„Berlin, nun freue dich!“ Erst mit holperigem Pathos, dann mit zäher Entschlossenheit packte der Momper-Senat die Probleme der zusammenwachsenden Stadt an. Um wenig später daran zu zerbrechen. Auch weil der Regierungschef zum schwer belehrbaren Patriarchen wurde. Ein Machtmensch, der sich in kurzer Zeit den blanken Hass der Grünen zuzog, die er immer wieder düpierte. Nachdem die CDU im Dezember 1990 die Wahlen gewann, flüchtete Momper als Generalbevollmächtigter in die Baufirma des früheren SFB-Abendschau-Chefs Gert Ellinghaus. Der ging pleite und zog nach Mallorca. Momper blieb in Berlin und gründete 1993 eine eigene Projektentwicklungsgesellschaft, zentral gelegen am Spittelmarkt.

„Momper, der Baulöwe“, höhnten die politischen Gegner. Und die eigenen Leute fanden den jähen Berufswechsel überhaupt nicht sozialdemokratisch. Mit dem Vorwurf, er verquicke das politische Mandat mit wirtschaftlichen Interesen, muss er sich bis heute auseinandersetzen. 1995 ließ ihn die SPD fallen. Vier Jahre später war er wieder da, setzte sich gegen den späteren Schulsenator Klaus Böger als SPD-Spitzenkandidat durch. Aber die Wähler wollten Momper nicht mehr und in der Landes-SPD wurde er zur Randfigur. Die guten Zeiten haben die Genossen trotzdem nicht vergessen und ihn nach dem Wahlsieg 2001 zum Parlamentspräsidenten gewählt. Heute lädt die SPD-Abgeordnetenhausfraktion zum großen Empfang im Casino.

Fast wäre er in Berlin geboren. Die Mutter, eine Kriegswitwe, die sich als Köchin in der Reichshauptstadt durchschlug, ging erst im Januar 1945 nach Bremen zurück. Der spröde Charme, den das platte, norddeutsche Land seinen Bewohnern aufprägt, ist Momper nie verloren gegangen. Was macht er an seinem Geburtstag? „Privat ein paar Leute einladen.“ Keine schöne Reise? „Es ist doch keine Ferienzeit.“ Ehefrau Annegret, mit der er seit Jahrzehnten in der Kreuzberger Fichtestraße wohnt, ist Lehrerin. Was wünscht er sich zum Geburtstag? „Naja, das die Welt friedlich bleibt.“ Und 2006 will Momper noch einmal ins Parlament einziehen. „Wenn die Partei mich aufstellt und die Wähler mich wählen.“ Ja, er hat seine Lektion gelernt.

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