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Stars von morgen. Thomas Hermanns (vorn) Anfang der 90er im Kreis junger Talente wie Maddin Schneider (dahinter), Dietmar Burdinski (vierter v. r.), Michael Mittermeier (zweiter v. r.) und Ole Lehmann (ganz rechts).

© Serious Fun

Berlin: Der komisch-industrielle Komplex

Thomas Hermanns ist schuld: Nicht nur am Quatsch Comedy Club, sondern am neuen deutschen Gelächter. Vor 20 Jahren fing das an.

Stimmt, eine Gruppe Heimatvertriebene, genau das ist auf dem Historienbild zu sehen. Steht ja im Buch auch drüber. Allerdings sind die am Restauranttisch versammelten Sudetendeutschen auffallend gut gelaunt. Und dann fällt einem der Typ mit dem Hollywoodgebiss ganz vorne auf. Sind nämlich doch keine Vertriebenen, sondern Comedians – anno 1993 in Hamburg. In der Mitte, das ist Thomas Hermanns, hinter ihm sitzt Martin „Maddin“ Schneider und rechts davon – mit Brille – Michael Mittermeier. Himmel, so uncool sahen mal die Leute aus, die vor 20 Jahren die deutsche Unterhaltungsbranche von hinten aufgerollt haben?

Thomas Hermanns nickt. „Dabei wollten wir so cool sein“, sagt der Gründer des ersten deutschen Comedyclubs, „eben Popstars und keine Kleinkünstler“. Das hat etwas zeitversetzt ja auch geklappt. Inzwischen verstopfen Comedians die Fernsehsender und füllen Sportarenen. So wie Mittwoch, wenn Hermanns ein stolzes Line-up von 20 Komikern zur Geburtstagsgala in die fast ausverkaufte Max-Schmeling-Halle bittet. Der Quatsch Comedy Club ist live, wo seit zehn Jahren das Mutterhaus im Souterrain des Friedrichstadt-Palastes residiert, und im Fernsehen das langlebigste Comedyformat des Landes und hat eine ganze Industrie losgetreten.

Hermanns staunt. Dass das Ding mal so einschlägt, hat der 1963 in Bochum geborene Showentwickler, der vor der Stand-up-Comedy schon Karaokeshows nach Deutschland gebracht hat, am 31. Januar 1992 beim ersten Clubabend in der Kantine des Hamburger Schauspielhauses nicht geahnt. Zwar schneite die spätere RTL-Dschungelbewohnerin Brigitte Nielsen herein, die flugs zur Patin ausgerufen wurde und bunte Presse bescherte. Doch bestachen die Darbietungen nur durch ihren trashigen Appeal.

Nach dem zweiten Clubabend, an dem Olli Dittrich debütierte, kam’s dann ganz dicke. Der Intendant warf Hermanns brieflich raus, wie es in der zum Jubiläum erschienenen Fanbibel nachzulesen ist: „Es tut mir sehr leid, aber eine derartige Darbietung können wir im Deutschen Schauspielhaus nicht verantworten.“ Dabei habe er sich als alter Theaterwissenschaftler dort besonders wohlgefühlt, bedauert Hermanns, „so quasi im Keller der Hochkultur“.

Einen weiteren Absagebrief hat er dann auch von seinem späteren Haussender Pro 7 kassiert, erzählt der Quatschchef in seinem Arbeitszimmer in Prenzlauer Berg. Die Fernsehfritzen hielten Stand-up-Comedy zuerst nicht für sendetauglich. Eine Einschätzung, bei der sie bekanntlich nicht blieben. Seit 1997 läuft der Club jetzt dort, nachdem er 1993 beim Bezahlsender Premiere gestartet war. Die Sendung liefert dem geschickten Wirtschafter Hermanns eine stetige Querfinanzierung für den 2002 nach einigen Hamburger Stationen schließlich fest an die Friedrichstraße in Berlin gewanderten 300-Plätze-Club.

Wie’s zum Umzug kam, der zugleich auch der private von Thomas Hermanns wurde? „Ich hatte Lust, Berlin zu gucken“, sagt er. Und in die leer stehende „Kleine Revue“ im Friedrichstadt-Palast habe er sich gleich verliebt. „Das war mein Muppettheater, das Moulin Rouge des Ostens.“ Mehr als 300 Shows im Jahr werden hier inklusive der monatlichen Talentschmiede gespielt. Und im Gegensatz zu früher, als komische Vögel wie Wigald Boning, Rainald Grebe, Gayle Tufts, Ingo Appelt, Dieter Nuhr, Ades Zabel, Thomas Nicolai, Rüdiger Hoffmann, Cindy aus Marzahn oder Bülent Ceylan in den Club reingestolpert sind, weil sie sonst keiner auf die Bühne ließ, kommen heute Nachwuchstalente und geben als Berufswunsch „Comedian“ an.

Zu Hermanns Leidwesen allerdings meistens nur Männer. „Das ist ein Heterojungsjob“, sagt er, „weltweit.“ Zwar gäbe es im englischen Sprachraum, wo die Stand-up-Comedy herkommt, gerade mal wieder eine Welle erfolgreicher weiblicher Stars, aber trotzdem seien es konstant nie mehr als 20 Prozent. Warum, weiß er auch nicht. „Das wäre dringend mal ein Thema für eine Doktorarbeit.“ Und wieso schafft er als Schwuler ausgerechnet dem Heterojungshumor eine Heimstatt? Hermanns lacht. „Weil ich mich nicht an die Kategorien sexueller Neigungen halte.“ Comedystars nach Wunsch zu klonen, funktioniere nun mal nicht. „Das sind Leute, die auf dem Schulhof immer daneben stehen, die ihre eigene Weltsicht mitbringen – casten kann man die nicht.“

Dass die Szene inzwischen eine gut geölte Unterhaltungsmaschine ist, bedauert der Gastgeber der ersten Stunde nicht. „Ist schon irre, wie jetzt bei der Comedy-Preis-Verleihung alle mit Manager und CD dasitzen“, sagt er. Aber die Industrie sei immer noch jung und das Miteinander und die Partys besser als beim Echo oder dem Filmpreis.

Davon, dass Mainstreamcomedy nicht gerade die autoritätszersetzende, befreiende Kraft zugemessen wird, die Satire haben kann, will Hermanns nichts wissen. Witz könne auch subversiv sein, wenn er massenkompatibel ist. „Den Alltag der Leute ernst zu nehmen war vorher tabu auf deutschen Bühnen. Bei uns ging’s immer um Heine, nie um Ikea.“ Diese Insel zu schaffen, sei das durchaus politische Verdienst der Comedy, glaubt ihr Papst und spricht: „Wir haben den Deutschen das Lachen erlaubt.“

Jubiläumsgala: Mittwoch, 1. Februar, 19.30 Uhr, Max-Schmeling-Halle, Fernsehausstrahlung Freitag, 9. Februar, 20.15 Uhr Pro 7; Liveclub Berlin: Quatsch Comedy Club, Friedrichstraße 107, Mitte, www.quatschcomedyclub.de; Buch: Thomas Hermanns/Christoph Dompke: Das große Quatsch Comedy Buch, Henschel Verlag, 19.90 Euro

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