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Raumschiff ohne Ziel. Das ICC könnte eine Zukunft haben, wenn sich die Politik darüber einigt.

© imago/Schöning

Internationales Congress Centrum in Berlin: Der Koloss von Westend spaltet die SPD

Wieder Kongresse, ein neues Shoppingcenter oder doch die Landesbibliothek? Die Zukunft des ICC ist weiter offen. Im Senat blockiert man sich gegenseitig – und nun streitet auch noch die SPD.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wie ein gestrandeter Walfisch liegt das Internationale Congress Centrum (ICC) am Messedamm. Und jeder, der daran vorbeifährt, sei es auf der Stadtautobahn oder in der S-Bahn, fragt sich: Was wird aus dem Koloss? Im Sommer 2014 wurde das Gebäude mit der silbrig glänzenden Aluminiumhaut stillgelegt. Seitdem ringen der Senat und die Regierungsfraktionen SPD und CDU um eine zündende, aber auch bezahlbare Idee für die Sanierung und künftige Nutzung des ICC. Auf der Fraktionsklausur der Sozialdemokraten in Leipzig flammte der Streit am Sonntag wieder auf. Ohne greifbares Ergebnis.

Der SPD-Wirtschaftsexperte Frank Jahnke hatte die interne Debatte ausgelöst, als er forderte, einen Teil des ICC wieder für Kongresse herzurichten. Für dieses lukrative Geschäft fehlten der landeseigenen Messe ausreichend Flächen, trotz des neuen City Cube. Jahnke griff damit eine Idee des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) auf, der das ICC wenigstens teilweise wieder seinem ursprünglichen Zweck zuführen will. Sollte es Pläne der Messegesellschaft geben, Kongresskapazitäten stattdessen in das Flughafengebäude Tempelhof oder einen weiteren Neubau auf dem Messegelände in Charlottenburg zu verlagern, wird dies vom neuen Regierungschef gewiss nicht unterstützt.

In der SPD-Fraktion ist es allerdings wenig populär, sich auf die Wiederherstellung des ICC als Kongressstandort zu konzentrieren. Schon aus ganz profanen finanziellen Gründen. So plädierte der Abgeordnete Michael Arndt in der kurzen internen, aber spannenden Debatte am Sonntag dafür, erst einmal wichtigere Baustellen fertigzustellen. Er nannte den Flughafen und die Staatsoper, die schon viel öffentliches Geld verschlingen. Schulen müssten saniert werden und die Landesbibliothek brauche dringend ein neues, möglichst zentrales Domizil. Deshalb mache es keinen Sinn, sich bei einem so schwer kalkulierbaren Projekt wie dem ICC voreilig festzulegen. Arndt erntete für seinen Beitrag viel Beifall.

Landesbibliothek im ICC soll Geld sparen

Die SPD-Haushaltsexperten wiederum wollen Geld sparen, indem sie die Landesbibliothek im ICC unterbringen, deren Neubau auf dem Tempelhofer Feld vom Volk verhindert wurde. Immerhin stehen in der Investitionsplanung des Senats 200 Millionen Euro für die Schadstoffsanierung des riesigen Gebäudes und weitere 270 Millionen Euro für eine neue Zentral- und Landesbibliothek. Macht zusammen 470 Millionen Euro. Ob das wirklich reichen würde, weiß keiner, aber es wäre eine gute finanzielle Grundlage.

Das Problem ist nur: Gegen die Nutzung des ICC, am Rand der City-West, eingeklemmt zwischen Autobahn und S-Bahn, laufen die Kulturfachleute der Sozialdemokraten Sturm. Auch der Regierungschef und Kultursenator Müller soll senatsintern gewisse Bedenken geäußert haben. Auch wenn er den Plan, der vom SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Schneider im Zusammenspiel mit CDU-Haushaltspolitikern derzeit energisch vorangetrieben wird, nicht von vornherein verwirft.

Bei der Ablehnung des ICC als Hort der Bildung, Wissenschaft und Kultur sind sich die sozialdemokratischen Experten mit ihren Kollegen aus der CDU-Fraktion übrigens völlig einig. Auch sie halten den Standort für völlig ungeeignet. Favorisiert wird stattdessen die Sanierung der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) am Kreuzberger Blücherplatz, ergänzt durch einen Neubau in der unmittelbaren Nachbarschaft.

CDU will Shoppingcenter, SPD nicht

Einig sind sich die SPD-Abgeordneten bisher nur in der Frage, ob das Internationalen Congress Centrum am Messedamm zu einem Shoppingcenter umgebaut werden soll – mit Hilfe privater Investoren. Da hörte man am Wochenende von allen Seiten entschieden: Nein! Die Sozialdemokraten sind nicht bereit, interessierten Großunternehmern dafür „öffentliches Geld in den Rachen zu werfen“, wie es ein Abgeordneter formulierte. Auch Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) bezweifelt, dass das ICC der richtige Standort für einen weiteren Einkaufstempel in Berlin ist.

An dieser Stelle gerät die SPD-Fraktion mit dem Koalitionspartner CDU und der christdemokratischen Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer in Konflikt. Die Senatorin hatte schon vor einem Jahr eine Studie der Beraterfirma Drees & Sommer vorgelegt. Deren Petitum für einen „erlebnisorientierten“, eher kleinteiligen Einzelhandel in einem komplett entkernten ICC als wirtschaftlichster Lösung des Problems verschwand vorerst in der Schublade. Auf Betreiben der SPD wird derzeit ein weiteres Gutachten angefertigt, das die Folgen einer „teilweisen Einzelhandelsnutzung“ des ICC für andere Einkaufsstraßen und -zentren in Berlin abschätzen soll.

Ein Koloss, der verrottet – das gab's schon mal in Mitte

Wegen der „besonderen Komplexität“ dieses Gutachtens rechnet der Senat erst im Frühsommer mit Ergebnissen. Deshalb wird das Thema wohl erst im Herbst während der parlamentarischen Haushaltsberatungen für 2016/17 wieder aufgerufen. Ob es bis dahin gelingt, die koalitions- und fraktionsinternen Blockaden aufzulösen, ist unklar. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) hat sich bislang nicht positioniert. Aus seiner Sicht muss die Wiederbelebung des ICC aber in die Investitionsplanung passen und langfristig wirtschaftlich sein.

Dann gibt es noch die emotionale Komponente, die bei der SPD-Klausur ebenfalls deutlich wurde. Kaum ein Abgeordneter mag sich vorstellen, dass das ICC über die Jahre verrottet und letztlich abgerissen werden muss. Im Westteil Berlins, so hieß es, solle nicht dasselbe passieren wie in Mitte beim Palast der Republik.

Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

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