zum Hauptinhalt
Investitionen am Berliner Immobilienmarkt scheinen profitabel. An einigen Orten, wie hier rund um den „Checkpoint Charlie“ haben Senat und Bezirke Pläne von möglichen Geldgebern aktiv durchkreuzt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Der Kampf um Raum in der Hauptstadt: Die Wirtschaft in Berlin boomt, doch der Platz wird knapp

2019 floss so viel Kapital wie nie nach Berlin. Aber offenbar nicht in die Infrastruktur, die diese Stadt derzeit vornehmlich braucht.

Amazon in Kreuzberg, Siemens in Spandau, Tesla in Grünheide und Berlin: Diese und andere geplante Ansiedelungen sind mit dem Zuzug vieler Tausend Neu-Berliner verbunden. Die Hauptstadt und ihr Umland wachsen wie keine andere Region hierzulande. Die Wirtschaft wächst seit Jahren überdurchschnittlich stark: Berlin ist eine internationale Metropole geworden – inklusive aller negativen Begleiterscheinungen, nennen wir sie Wachstumsschmerzen.

Denn mit den Jubelmeldungen aus der Wirtschaft kann das Land nicht mithalten: Es fehlt an allem, an Kita- und Schulplätzen, an Wohnungen. Die Busse und Bahnen sind überfüllt. Die Straßen verstopft. Wer ein Gewerbe betreibt, ist gefährdet: Kiezbäckereien, Clubs und Clärchens Ballhaus treffen auf Investoren wie die Zalando-Gründungsinvestoren, die Brüder Samwer zum Beispiel. Und die neu in die Stadt drängenden Unternehmen müssen immer tiefer in die Taschen greifen, wenn sie Büros mieten wollen – denn die sind knapp wie nie.

Wer investieren will, kommt nach Berlin

Berlins Aufschwung lässt sich ablesen in den Bilanzen für das eben beendete Jahr: Wer investieren will, kommt vorzugsweise nach Berlin – egal, ob er ein Hotel, ein Bürohaus oder ein Wohnhaus kaufen oder errichten will. Gewaltige 15,8 Milliarden Euro flossen im vergangenen Jahr in Berliner Beton, heißt es in der Bilanz der Marktanalysten vom Internationalen Maklerhaus JLL.

Beeindruckend ist nicht nur die Summe der Investitionen, sondern auch deren extrem hohe Wachstumsrate in Höhe von fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Berlin spielt in einer eigenen Liga in Deutschland und rückt international in die Königsklasse auf. Brexit-Profiteur Frankfurt am Main ließen Investoren links liegen (minus 14 Prozent).

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Hamburg, der oft als Vergleichsgröße herangezogene zweitwichtigste Stadtstaat Deutschlands, erlitt bei den Investitionen sogar einen Rückgang um ein Viertel. Allenfalls München, aber auch nur mit der gesamten Region rund um Bayerns Metropole, kann beim Plus mithalten – liegt in der Summe der Investitionen trotzdem weit hinter Berlin.

Die Reallöhne in Berlin stiegen um fast fünf Prozent

Diese Rekorde spiegeln freilich nicht die Gesamtlage der Berliner Wirtschaft. „Wichtige Infrastrukturprojekte werden nicht angegangen, wir hinken bei der Modernisierung der Verwaltung hinterher – und das nach zehn Jahren Wachstum“, klagt Jan Eder, Chef der Industrie- und Handelskammer.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) betont naturgemäß eher die positiven Seiten: Die Statistik ist noch nicht amtlich, aber ihr Haus rechnet für 2019 mit einem Plus von zwei Prozent. Das wären ein halber Prozentpunkt über dem deutschen Durchschnitt. Fast vier Prozent mehr sozialversicherungspflichtige Jobs gibt es als im Vorjahr. Und viele Arbeitnehmer haben mehr in der Tasche: Die Reallöhne stiegen im Schnitt um fast fünf Prozent.

Die Stadt platzt aus allen Nähten

Schmerzen bereitet das Wachstum trotzdem, weil die Stadt aus allen Nähten platzt und die Konkurrenz um die Flächen wächst: Braucht es Wohnungen – oder Büros und ein Hotel? Darum wurde bei den Plänen für Neubauten am Checkpoint Charlie gestritten. Wie weit sollen neue Bürobauten für Kiez-Bewohner zugänglich sein? Diese Frage prägt den Streit um Pläne für den Amazon-Tower in Kreuzberg. Kann und müssen Senat und Bezirke das Wachstum regulieren?

„Ja, klar und deutlich“, meint die Sprecherin für Stadtentwicklung, Tourismus und Smart City, Katalin Gennburg, und zielt dabei auf einen Teil des boomenden Investmentmarktes: „Es muss endlich der Hotelzonenplan kommen“.

An Hotels mangelt es nicht: Kurz vor Beginn der weltweiten Leitmesse der Landwirtschafts- und Ernährungsindustrie, der „Grünen Woche“, sind Einzelzimmer weniger als fünf Kilometer vom Veranstaltungsort am Funkturm für unter 50 Euro zu haben. Großstadtpreise sind das nicht. Trotzdem melden Marktkenner aus dem Maklerhaus „Colliers“ eine „hohe Nachfrage“ von Investoren an Hotels. Der Markt habe um ein Viertel zugelegt, besonders stark in den „Top7“-Städten mit Berlin an der Spitze.

Der Koalitionsvertrag fordert einen Hotelentwicklungsplan

Am Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße soll es bereits feste Vereinbarungen gegeben haben über den Bau eines Hotels der „Hard-Rock“-Gastro-Kette. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) stoppte das. Erstmals überhaupt hat die Verwaltung per Bebauungsplan einen Hotelbetrieb an einem Ort verboten. „Wir haben bewiesen, dass es geht“, sagt Gennburg und will nach diesem Muster künftige Hotelansiedlungen per „Zonenplan“ bremsen.

Die Linken-Politikerin beruft sich dabei auf den Koalitionsvertrag des Rot-Rot-Grünen Senats, der einen Hotelentwicklungsplan fordert. Und auf Zahlen zur Auslastung der Beherbergungsbetriebe, die in Berlin bei ungefähr zwei Drittel liegt. „Warum sollten weitere Hotels entstehen auf den knappen Flächen, wenn nicht einmal der Bedarf an Schwimmhallen oder Schulen gedeckt ist.“ Angesichts der schlechten Auslastung von Hotels fordert Gennburg ein generelles Verbot solcher Neubauten – das mit der Grünen Wirtschaftssenatorin Pop allerdings nicht zu machen ist.

Berlin hat nicht genügend Büroflächen

Die Eigentümer von Bürohäusern melden derweil praktisch Vollvermietung. Im Kampf um die knappen Flächen fielen Neubauprojekte hinten runter. Mangels Angebot stiegen die Höhe der Durchschnittsmieten für das knappe Gut: Um fast ein Viertel in nur zwölf Monaten. Auch hier ist die Nachfrage gewaltig: Vermietet wurden fast eine Million Quadratmeter, so viel wie nie zuvor.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false