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Burkard Dregger (CDU) spricht bei einer Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Debatte über Organisierte Kriminalität: „Der Rechtsstaat wird wenig respektiert“

Der Kampf gegen Organisierte Kriminalität ist am Donnerstag Thema im Abgeordnetenhaus. Auch Polizeischüler verfolgen die Debatte.

Von Sabine Beikler

Knapp 50 Polizeischüler hörten der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus zu. Es passte inhaltlich gut, dass am heutigen Donnerstag über die „Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ (OK) gesprochen wurde.

„Zunehmende Bedrohung durch die Clan-Kriminalität müssen wir Aufmerksamkeit widmen“, sagte SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann. Man habe „auf allen Ebenen die Schlagzahl erhöht“, von Staatsanwaltschaft bis Gewerbeaufsicht; und die Beschlagnahme von 77 Immobilien sei „ein schwerer Schlag“. Gegen 21 Beschuldigte, alle maßgeblich aus einer Clan-Familie, werde wegen des Verdachts der Geldwäsche ermittelt.

Polizei, Zoll, Steuerfahndung und bezirkliche Ordnungsämter würden gezielt mit Razzien und Durchsuchungen gegen Kriminalität vorgehen. Immer wieder staatliche Präsenz zeigen, sei enorm wichtig. Eine Koordinierungsstelle organisierte Kriminalität bei Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Task Force-Einheiten in den Bezirken seien wichtige Stellen.

Eine Beweislastumkehr wie in Italien gebe es zwar noch nicht. Aber man könne Vermögen abschöpfen bei Personen, die der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden. Um den Verfolgungsdruck aufrecht zu erhalten, brauche man „ganz sicher mehr Personal bei der Polizei“. Und ob es mehr Instrumente braucht, müsse diskutiert werden.

„Die Notare stärker in die Pflicht zu nehmen, um ihnen mehr Auskunftspflicht zu geben“ sei ein Thema. Dafür aber muss die Notarordnung geändert werden. Beim Kampf gegen Organisierte Kriminalität werde die Koalition auch weiterhin „alle Register ziehen“.

„Mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen“

Organisierte Kriminalität sei „rücksichtslos und brutal“. Man müsse sie „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln konsequent bekämpfen“, sagte CDU-Fraktionschef Burkard Dregger. 25 Prozent der OK-Komplexe werde kriminellen, arabischen Clans zugerechnet. Diese Parallelgesellschaften würden in der Regel Selbstjustiz ausüben. „Der Rechtsstaat wird wenig respektiert.“ Deshalb müsse die Polizei unterstützt werden.

Rot-Rot-Grün aber wolle den Kampf mit einem Antidiskriminierungsgesetz „lahmlegen“. In jeder polizeilichen Maßnahme müsse man nachweisen, dass niemand ethnisch diskriminiert werde. Die Aufgabe der Koalition müsse sein, Probleme zu lösen und sie nicht zu erzeugen. Das Antidiskriminierungsgesetz sei ein „Beamten-Diskriminierungsgesetz“. Die Polizeischüler hörten aufmerksam zu.

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Dregger forderte ein Lagebild, eine enge Behördenzusammenarbeit, eine bundesweit abgestimmte Strategie, eigene Zuständigkeiten bei Polizei und Staatsanwalt , speziell geschultes Personal in den Behörden, eine gute Technik und Cyber-Spezialisten für die Überwachung sowie ein modernisiertes Polizeirecht, um all diese Erfordernisse auch zu realisieren.

„Niemand behauptet, dass man die Hände in den Schoß legen soll“, sagte der Innenpolitiker der Linken, Niklas Schrader. Aber das, was die CDU mache, sei Angst zu schüren. Die Koalition habe einen anderen Ansatz. „Wir schauen uns kritische Entwicklungen an und arbeiten dagegen.“ Erstmals werde in diesem Jahr ein „Lagebild OK“ erstellt. Und illegal erwirtschaftetes Vermögen könne abgeschöpft werden. Gegen Organisierte Kriminalität müsse konsequent vorgegangen werden.

Linken-Abgeordneter: Clan-Begriff problematisch

Niklas Schrader findet den Begriff „Clan“ problematisch. Denn nicht alle in einem Clan seien kriminell. Das würde viele Familien „stigmatisieren“. Das könne in einem Rechtsstaat nicht sein.

Integrationsverweigerung durch den Staat sei es, dass Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus hierzulande schlechte Perspektiven hätten. Und polizeiliche Einsätze in Neukölln würden auch unbescholtene Bürger treffen. „Gezielte Einsätze gegen Organisierte Kriminalität ja, Verbundeinsätze ja, aber flächendeckende Einsätze nein“, betonte Schrader. 59 Verfahren gebe es im Bereich der Organisierten Kriminalität in Berlin, darunter fünf, die kriminelle Clans betreffe. Und es gebe auch andere Bereiche wie Internet-Betrug, Abrechnungsbetrug in der Pflege und Wirtschaftsverbrechen.

Die Polizeischüler verließen den Saal, als Schrader über Drogenkriminalität sprach. Er plädierte für die kontrollierte Abgabe von Drogen, damit auf dem Schwarzmarkt kein Geld mehr verdient werde.

„Öffenlichkeitswirksamer Aktionismus“ könne die Realität nicht überdecken, sagte AfD-Politiker Hanno Bachmann. Beim Thema Organisierte Kriminalität sei Rot-Rot-Grün kein Vorreiter. Dass Berlin sich bundesweit vernetzt, seien erste Schritte. Das Ziel müsse sein, kriminelle Strukturen nachhaltig zu zerschlagen und zu verhindern, dass neue kriminelle Strukturen entstehen.

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Die „Ideologie des Multikulturalismus“ erleichtere das Agieren der Clans. Beispiel Drogenkriminalität: Der Görlitzer Park sei bundesweit ein Symbol für Staatsversagen. 66 Prozent der OK-Verdächtigen sind laut Bachmann Ausländer. Organisierte Kriminalität sei überwiegend importierte Kriminalität, behauptet Bachmann.

Der AfD-Politiker plädierte dafür, verstärkt „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ durchzuführen. Ohne eine funktionierende Justiz könne die Organisierte Kriminalität nicht bekämpft werden. Und da sei Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) das Problem. Statt die Justiz zu stärken, bringe er das Antidiskriminierungsgesetz ein.

Kriminellen „auf die Pelle“ rücken

Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux erwähnte die neuen Wege, die die Behörden im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität begingen. Fast täglich rücke der Rechtsstaat den Kriminellen „auf die Pelle“. Die Beschlagnahme von 77 Immobilien im Wert von neun Millionen Euro sei ein großer Schlag gegen Clan-Kriminalität gewesen.

Rot-Rot-Grün unterstütze die Anschaffung von neuer Technik, um die Kriminellen Strukturen aufzudecken. Mit den Mitteln des Rechtsstaates werde gegen die OK vorgegangen. „Es gibt keine Sippenhaft, keine Vorverurteilung. Verstärkte Einsätze sind zielgerichtet, nicht diskriminierend. Nur so kann sich der Rechtsstaat durchsetzen“, sagte Lux.

Der Kampf dürfe aber nicht nur auf der Sonnenallee in Neukölln geführt werden. Geldwäsche und Steuerhinterziehung müssten noch viel stärker bekämpft werden. Das hätten auch Europol-Vertreter auf der Konferenz gegen Clan-Kriminalität in der vergangenen Woche betont.

Die Organisierte Kriminalität zeichne sich auch dadurch aus, dass sie Menschen wie Politiker und Staatsanwälte als Zeugen bedroht und eingeschüchtert. „Das werden wir nicht dulden. Rot-Rot-Grün wird den Opferschutz stärken und die richterliche Videovernehmung verstärkt einsetzen.“

Überstunden und hoher Krankenstand bei der Polizei

Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe sprach für die Liberalen. Er referierte über die Historie, die steigende OK-Größe in den vergangenen Jahren. An den Strukturen habe sich nichts geändert. Beispiel italienische Mafia: Sie habe hochlukrative Märkte wie den Ankauf von preiswerten Lebensmitteln für gastronomische Einrichtungen erschlossen. Oder die Schleuserkriminalität, die weiterhin gut organisiert sei.

Dagegen stünden die Überstunden bei der Polizei, ein hoher Krankenstand bei den Polizeibeamten. Auf diese Entwicklungen habe der Senat in den vergangenen Jahren nicht reagiert. Ebenso wenig seien „Berufsverbrecher“ nicht abgeschoben worden. Das sei „unorganisiert“, kritisierte er Berlins Innensenator Andreas Geisel.

„Der politische Wille ist da, gegen die Organisierte Kriminalität vorzugehen.“: Innensenator Andreas Geisel.
„Der politische Wille ist da, gegen die Organisierte Kriminalität vorzugehen.“: Innensenator Andreas Geisel.

© Paul Zinken/dpa

Der SPD-Politiker sprach am Ende der Aktuellen Stunde. Man fange nicht bei Null an, wenn es um die Bekämpfung der Clan-Kriminalität gehe. „Aber es fehlte politischer Rückhalt und gemeinsame Strukturen bei den Behörden“, sagte Geisel. In jedem Berliner Bezirk müsse es Ansprechpartner für OK geben. „Wir werden im Kampf gegen OK nicht nachlassen.“ 250 Einsätze, darunter 62 Verbundeinsätze, seien bisher in diesem Jahr organisiert worden. „Nadelstiche setzen, dass es weh tut, Regeln durchsetzen und Vermögen einziehen“, zählte Geisel Maßnahmen auf.

Berlin müsse eine tolerante und offene Stadt bleiben. Das Vertrauen in staatliche Stellen dürfe nicht erschüttert werden. Jeder könne von Polizei und Justiz erwarten, dass gegen illegale Tätigkeiten vorgegangen wird. An den Grundsätzen des Rechtsstaates dürfe nicht gerüttelt werden. „Deshalb ist es wichtig, Regeln hier durchzusetzen.“ 2018 gab es 59 OK-Komplexe. Die Eigentumskriminalität betrage davon 17 Prozent, Rauschgifthandel 16 Prozent. Fünf Komplexe mit 38 Tatverdächtigen waren arabischstämmigen Tätern zuzuordnen.

Alle Bundesländer sind von der Organisierten Kriminalität betroffen. Das BKA koordiniert die Aktivitäten dagegen. „Die Antwort ist gleichermaßen: Wir müssen den Kriminellen den Geldhahn zudrehen“, sagte Geisel. Die Erlöse aus der Organisierten Kriminalität würden in Immobilien investiert. In Berlin sei man gut aufgestellt im Kampf gegen Organisierte Kriminalität. Aber allein werde man nicht erfolgreich sein. „Wir brauchen eine enge Kooperation mit Polizeibehörden, insbesondere Europol.“ In Deutschland brauche man auch erweiterte Gesetzgebungen, um Vermögen von Kriminellen zu beschlagnahmen.

Geisel betonte, 1700 zusätzliche Stellen würden bis Ende der Legislaturperiode bei der Berliner Polizei neu geschaffen. „Der politische Wille ist da, gegen die Organisierte Kriminalität vorzugehen.“ Und was man auch brauche, ist „ein langer Atem“.

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