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Michael Roden, Vorsitzender des Schaustellerverbades Berlin, hat seine Zuversicht nicht verloren.

© Paul Zinken

Coronakonforme Kirmes: Erster Jahrmarkt nach dem Lockdown auf dem Zentralen Festplatz in Berlin

Knapp neun Monate standen die Karussells still. Seit Freitag drehen sie sich wieder. Ein Besuch auf Berlins Kirmes.

Kreischend durch die Schrägkurve jagen. Die steile Abfahrt runterrasseln zum Klappern des Metallgerüsts. Den Adrenalinkick nachspüren beim Verlassen der Achterbahn. Mit weichen Knien mit Schokolade überzogene Bananen essen, während im Hintergrund die Wurfbude lockt - fast neun Monate lang ging das nicht in Berlin. Zum ersten Mal seit Oktober findet seit Freitag wieder ein Jahrmarkt auf dem Zentralen Festplatz statt, nämlich der "1. Berlin Park".

Wer die Kirmes besuchen will, läuft erstmal um den halben Festplatz zum Eingangszelt. Dort werden die Kontaktdaten erfasst, entweder per Luca-App oder klassisch auf Papier. Nur wer einen aktuellen negativen Coronatest vorzeigen kann, vollständig geimpft oder genesen ist, darf hinein. Vor Ort steht auch eine kleine Schnellteststation.

Dann steht man endlich inmitten flackernder Lichter und versteht sein eigenes Wort kaum, weil Fahrgeschäfte und Budenbetreiberinnen lauthals um Aufmerksamkeit buhlen. Der Duft von Crêpes weht einem in die Nase. Alles wie damals, alles wie immer?

Nicht ganz, denn noch immer gilt die Maskenpflicht - wenn der Abstand von 1,50 Meter nicht eingehalten werden kann, und grundsätzlich in Wartebereichen vor den Ständen. Die Maskenpflicht ist Teil des Hygienekonzepts des Schaustellerverbands Berlin, der den 1. Berlin Park veranstaltet. Jede Bude und jedes Fahrtgeschäft ist mit Handdesinfektionsmittel ausgestattet.

120.000 Euro investiert

Das neue Platzkonzept sieht breitere Gehwege und größere Abstände zwischen den Buden und Fahrgeschäften vor, Parkplätze mussten dafür weichen. Stattdessen gibt es eine Sonderbushaltestelle am Eingang. 120.000 Euro habe der Verband investiert, um das Hygienekonzept umzusetzen, sagt Michael Roden, Vorsitzender des Schaustellerverbands Berlin. Vor allem für zusätzliches Personal, das am Eingang und in der Teststation eingesetzt wird und Sicherheitspersonal, das die Einhaltung der Hygieneregeln überwacht.

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Hoch hinaus können die Besucher auf der Kirmes am zentralen Festplatz mit verschiedenen Fahrgeschäften.
Hoch hinaus können die Besucher auf der Kirmes am zentralen Festplatz mit verschiedenen Fahrgeschäften.

© Paul Zinken

Die Sicherheitsleute tragen zwar gerade selbst keine Masken, haben aber meist mehrere in den Hosentaschen, die man heraushängen sieht. In ihren grellgelben Westen sind allgegenwärtig. Selbst wenn man in 30 Metern Höhe im Höhenkarussel über dem Platz kreist, fallen sie ins Auge.

Das liegt wohl daran, dass der Jahrmarkt an diesem Freitag um 15 Uhr zur besten Familien-Kirmes-Zeit noch ziemlich leer ist. Nur maximal 2000 Besucher:innen dürfen zeitglich auf dem Gelände sein, schließlich muss ein Gedränge, wie es das vor der Pandemie manchmal gab, vermieden werden.

Michael Roden schätzt, dass es wegen der geringen Personenanzahl und der zusätzlichen finanziellen Belastung, um das Hygienekonzept aufrecht zu erhalten, keinen großen Gewinn geben wird. Trotzdem ist der Eintritt frei. Man wolle man die Leute nicht noch mehr belasten, sagt Roden. „Wir müssen aber wieder ins Spiel kommen.”

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Vor der Pandemie waren oft 4000 bis 5000 Besucherinnen zwischen Lángos-Ständen, Kinderkarussells und Breakdancer unterwegs. Aber auch 2000 Gäste muss man in diesen Zeiten, in denen sich viele das Amüsieren fast schon abgewöhnt haben, auch erst einmal zusammen bekommen.

Um Berliner:innen zur coronakonformen Kirmes zu locken, hat der Schaustellerverband deshalb zwei Fahrgeschäfte in die Stadt geholt, die mit Superlativen werben: die „größte mobile Wildwasserbahn”, auf die es gerade aus grauen Wolken herunternieselt, und die „größte mobile Geisterbahn Dämonium”. Diese sollte eigentlich gerade in Düsseldorf Besucher:innen in Angst und Schrecken versetzten. Doch dort wurde die Kirmes aber abgesagt.

Hygienespender stehen vor jedem Fahrgeschäft und jedem Stand. Sie sind Teil des Hygienekonzepts des Veranstalters.
Hygienespender stehen vor jedem Fahrgeschäft und jedem Stand. Sie sind Teil des Hygienekonzepts des Veranstalters.

© Paul Zinken

In Berlin ist der Andrang auf die Geisterbahn der Superlative an diesem Eröffnungstag noch nicht gerade groß, warten muss hier niemand. Martin Blume, Betreiber der „Dämonium”, hat auch noch einige Essensstände, die er zumindest in den letzten Monaten manchmal irgendwo aufbauen konnte. Er habe Mitarbeiter:innen in Kurzarbeit schicken müssen, immerhin habe er staatlichen Hilfen erhalten.

Michael Roden fügt hinzu, die Schaustellerinnen hätten einen Großteil des letzten Jahres mit Reparatur- und Renovierungsarbeiten verbracht. Einige hätten übergangsweise bei anderen Firmen gearbeitet, um Geld zu verdienen. Durch die Absagen der Jahrmärkte gerieten viele Rummelbetreibende und Schaustellende in finanzielle Not.

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„Das letzte Jahr hat sich wie ein Berufsverbot angefühlt”, sagt Berti Seethaler, der einen Imbisstand auf dem Rummel betreibt. Er beklagt, dass staatliche Hilfen zu spät ankamen. Und obwohl Seethaler sich freut, dass der Jahrmarkt jetzt stattfindet, ist er nicht gerade zuversichtlich gestimmt: „Mein Gefühl sagt, dass es schlimmer wird mit den Fallzahlen. Dass wir eine vierte Welle haben werden.” Roden vom Schaustellerverband ist optimistischer: „Wer keine Zuversicht hat, der hat schon verloren.”

Der 1. Berlin Park geht vom 16. Juli bis zum 29. August. Geöffnet ist Mittwoch und Donnerstag 14 bis 21 Uhr, Freitag und Sonnabend 13 bis 22 Uhr, Sonntag 12 bis 21 Uhr. Weitere Informationen finden sich unter www.berlin.de/events/6737218-2229501-berlin-park.html

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