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Ein Strafvollzugsbeamter bewacht Gefangene in der Jugendstrafanstalt Plötzensee.

© imago/photothek

Clan-Krimineller zehn Tage auf der Flucht: Verurteilter kehrt freiwillig in Berliner Gefängnis zurück

Das Haftende war in Sicht, trotzdem floh ein Gewalttäter noch aus dem offenen Vollzug. Jetzt muss er 38 Tage Rest absitzen – eine neue Strafe droht aber nicht.

Zehn Tage nach seiner Flucht aus dem offenen Vollzug in Berlin ist ein verurteilter Straftäter wieder in die Haftanstalt zurückgekehrt. Er hat sich am Dienstag um 17 Uhr gestellt. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Justizkreisen.

Der 41-Jährige sitzt jetzt wieder im geschlossenen Vollzug ein und ist dort noch einmal abgesondert worden, wie es im Fachjargon heißt. Dort verbüßt der Mann für 38 Tage nun seine restliche Haftstrafe. Andere Konsequenzen gibt es nicht, Flucht aus der Haft ist in Deutschland nicht strafbar. Das Motiv für seine Entweichung soll nun ermittelt werden.

Der 41-Jährige war am Sonnabend, 17. September, aus der Haftanstalt für den offenen Vollzug in Spandau geflohen. Er gehört nach Tagesspiegel-Informationen einem bekannten Berliner Clan an und saß eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen räuberischer Erpressung, Waffen- und Drogendelikten ab.

Die Vollzugsbeamten hatten bei der Abendkontrolle um 20.10 Uhr den Flüchtigen noch in seiner Zelle gesehen. Beim nächtlichen Kontrollgang am Sonntag um 0.35 Uhr war er fort. Das Umfeld und die nähere Umgebung wurden sofort abgesucht – ohne Erfolg. Die Polizei fahndete seither nach dem 41-Jährigen. Nach Tagesspiegel-Informationen konsultierten die in solchen Fällen für die Suche eingesetzten Zielfahnder die Clan-Spezialisten im Landeskriminalamt.

Auffällig: Der Flüchtige hatte nur noch 38 Tage abzusitzen und sollte am 26. Oktober entlassen werde. Das verzögert sich nun um zehn Tage, weil er die volle Resthaftzeit absitzen muss. Er war erst wenige Tage vor seiner Flucht, am 13. September, für die Entlassungsvorbereitung in den offenen Vollzug verlegt worden. Behördenintern wurde darauf hingewiesen, dass der Mann womöglich Zugang zu Schusswaffen hat. Mehrere Verwandte des Flüchtigen sind ebenfalls seit Jahren polizeibekannt, gelten als „justizerfahren“.

Vergleichbarer Vorfall geschah Ende August

Bereits Ende August war ein verurteilter Gewalttäter nicht wieder von einem genehmigten Ausgang ins Gefängnis zurückgekehrt, wo er im geschlossenen Vollzug einsaß. Seither wird nach Koray T. gefahndet. Auch bei ihm gab es Verbindungen zur Organisierten Kriminalität, hier aber zur den Hells Angels. T. saß in der Vollzugsanstalt Tegel eine achtjährige Haftstrafe ab.

Er war 2019 wegen tödlicher Schüsse am Kottbusser Tor in Kreuzberg verurteilt worden – aber nicht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, weil das Gericht wegen Drogenkonsums von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen war. Weil er sich seit Ende 2016 in Untersuchungshaft befand, sind noch drei Jahre dieser Strafe offen. So wie im Fall Koray T., wird auch bei dem nun entwichenen Straftäter eine Flucht ins Ausland für möglich gehalten.

Solche Vorfälle sind in Berlin nicht nur äußerst selten geworden, sie wurden in den letzten Jahren auch immer seltener. Die Zahl von Fluchten nach Hafturlaub, Aus- und Freigängen lag zuletzt bei weniger als 100 Fällen pro Jahr.

Noch in den Neunzigern gab es bis zu 400 solcher Vorfälle pro Jahr. So kehrten in Berlin im Jahr 1992 nach fast 64.000 Vollzugslockerungen, also Hafturlauben sowie Aus- und Freigängen, insgesamt 364 Insassen nicht in die jeweilige JVA zurück; 2002 waren es nach circa 105.700 Vollzugslockerungen noch 152 und 2012 nach knapp 270.000 Lockerungen 113 Häftlinge. Wegen der Corona-Maßnahmen sind die Zahlen zu 2020 und 2021 wenig aussagekräftig, im Präpandemie-Jahr 2019 kamen 76 Häftlinge nicht freiwillig in die jeweilige Anstalt zurück, bei fast 180.000 Vollzugslockerungen.

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