zum Hauptinhalt
Berliner CSD 2021. Die Organisation der größten Berliner Demo zu Pandemiezeiten gefiel nicht allen Teilnehmenden.

© Stringer/Reuters

„Chaotisch, unübersichtlich, gefährlich“: Teilnehmer kritisieren Organisation des CSD in Berlin

Einige angemeldete Gruppen fühlten sich auf der größten Berliner Demo in Pandemiezeiten nicht gesehen. Der Veranstalter will nachbessern.

Nach dem Christopher Street Day vom vergangenen Samstag wird aus Kreisen teilnehmender Fußgruppen Kritik an der Organisation des Großereignisses laut. Zwischen den gut sichtbaren Wagen, von denen Musik und Redebeiträge herabschallten, liefen etwa 120 angemeldete Gruppen mit. Alle mit ihren jeweils eigenen Botschaften auf Bannern und Schildern - doch die kamen teilweise kaum zur Geltung, hieß es.

Von allen Seiten hätten sich schon vor Beginn Menschen zwischen die angemeldeten Gruppen gemischt, so dass die Parade an der Leipziger Straße nicht in der geplanten Zusammenstellung starten konnte. „Von Anfang an sich selbst überlassen“, so habe sie sich gefühlt, berichtet die Organisatorin einer Fußgruppe, die im vorderen Bereich mitlief und namentlich nicht genannt werden möchte.

An mehreren Stellen sei es sehr eng, unübersichtlich und gefährlich geworden. Wer zu Fuß mitlief, so der Vorwurf, stand trotz Anmeldung ohne den Schutz des Veranstalters da.

Guido Meyer, der im Queer-Netzwerk der Charité mitlief, erinnert sich an mehrere Situationen, in denen Mindestabstände nicht mehr einzuhalten waren, etwa zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule. Beruhigend für ihn waren Durchsagen, die im 30-Sekunden-Takt von den Wagen schallten: „Happy Pride, Masken auf!“ – eine freundliche und klare Ansage, an die sich die meisten gehalten hätten.

„Der Berliner CSD ist einzigartig“ – ein Lob ist das nicht

Von einem chaotischen Ablauf berichtet Sven Stümpfig, der auch für die Charité mitlief und schon viele CSD in anderen Städten erlebt hat. „Der Berliner CSD ist einzigartig“, sagt er. Ein Lob ist das nicht. Sein Zug von ungefähr 30 Personen war schnell auseinander gerissen, die Sichtbarkeit dahin. Untergegangen in der breiten Masse.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

In Köln, vergleicht Stümpfig, müssten sich Teilnehmende nicht nur anmelden, sondern vorher eine Sicherheitseinweisung durchlaufen. Ohne die käme man dort gar nicht auf die Straße. Je nach Größe müssten die Fußgruppen bis zu fünf Ordner selbst mitbringen. Eine klare Trennlinie zwischen dem Straßenrand und der Parade, mehr Orientierung durch Abgrenzungen in Kurven, das wünschen sich Einige.

In den Menschenmassen auf den Straßen kam nicht jede Botschaft so sichtbar zu Geltung, wie oben auf den Wagen des Zuges.
In den Menschenmassen auf den Straßen kam nicht jede Botschaft so sichtbar zu Geltung, wie oben auf den Wagen des Zuges.

© Jörg Carstensen/dpa

Ute Hiller von der Berliner Aidshilfe nimmt den Veranstalter in Schutz. „Es wurde breit informiert, auch im Vorfeld.“ Ihre Gruppe von fünf Menschen habe einen Platz in der Menge gefunden, sich nicht allein gelassen oder bedrängt gefühlt. Die vielen Menschen, die spontan mitliefen: eher unproblematisch.

Der Veranstalter ist mit dem Ablauf der größten Berliner Demonstration in Pandemiezeiten bislang zufrieden. Die meisten Menschen hätten sich verantwortungsvoll benommen, argumentiert Ulli Pridat aus dem Berliner CSD-Vorstand.

Berlin bleibt in der Tradition der Loveparade

Er verweist auf positive Rückmeldungen der Berliner Polizei und auf ein Video. Darin ist zu sehen, wie schnell sich die Menschenmenge für einen Krankenwagen teilte. Trotzdem tue es ihm sehr leid, wenn sich einzelne teilnehmende Gruppen nicht wahrgenommen fühlten. Das wolle der Vorstand nun aufarbeiten.

Es scheint, als würden in Pandemiezeiten regionale Besonderheiten mehr Bedeutung gewinnen. Der Kölner Karneval kann auf Jahrhunderte an Erfahrungen zurückgreifen, alles ist klar geregelt. Jeder kennt die Abläufe.

Berlin bleibt vielleicht ein Stück weit in der Tradition der Loveparade: 1989 zog ein Wagen mit elektronischer Musik über den Ku’damm, mit 150 Menschen im Gefolge. Ehe man sich gründlich Gedanken über die all die wichtigen Begleitumstände machte, war der Zug einige Jahre später schon auf mehr als 100.000 Teilnehmer angewachsen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false