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Absperrgitter vor dem Reichstagsgebäude.

© Kay Nietfeld/dpa

Update

„Querdenken“ und Gegendemos in Berlin: Bundesinnenministerium verbietet zwölf Kundgebungen am Reichstag

Proteste von Corona-Skeptikern und Gegendemonstranten dürfen am Mittwoch nicht wie geplant stattfinden. Die Polizei prüft Alternativen außerhalb der Bannmeile.

Das Bundesinnenministerium hat zwölf Kundgebungen von Corona-Skeptikern und Gegendemonstrationen verboten. Als Grund führte das Ministerium an, durch die für Mittwoch geplanten Demonstrationen würde die Arbeit des Bundestags beeinträchtigt. Das Haus von Minister Horst Seehofer (CSU) ist für den befriedeten Bezirk um das Reichstagsgebäude zuständig.

Die Entscheidung muss jedoch nicht das Aus für den Protest bedeuten: Die Berliner Polizei prüft jetzt mit den Anmeldern, inwiefern und wo die Demonstrationen außerhalb der Bannmeile abgehalten werden können, wie die Pressestelle dem Tagesspiegel mitteilte.

Wörtlich teilte das Innenministerium am Dienstagnachmittag mit: "Die angemeldeten Versammlungen werden nach Erkenntnissen der zuständigen Sicherheitsbehörden seit ihrem Bekanntwerden intensiv beworben, unter anderem wird dazu aufgerufen, die Zugänge zum Deutschen Bundestag und zum Bundesrat zu blockieren."

Nach dem Gesetz sei eine Zulassung der Demos nur möglich, "wenn eine Beeinträchtigung der Tätigkeit des Deutschen Bundestages" (...) eine Behinderung des freien Zugangs zu seinen im befriedeten Bezirk gelegenen Gebäuden nicht zu befürchten ist; gleiches gilt für den Bundesrat. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt."

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Das Ministerium wies in einer Pressemitteilung darauf hin, dass ab 12 Uhr das Plenum des Bundestags tagen solle. Zuvor fänden bereits Sitzungen "diverser Ausschüsse" statt. "Zu diesen jeweiligen Sitzungen ist es zwingend, dass die Abgeordneten freien Zugang zu den Gebäuden des Deutschen Bundestages im befriedeten Bezirk erhalten." Entsprechendes gelte für den Bundesrat, für den am Mittwoch eine Sondersitzung anberaumt sei. Die Entscheidung sei im Einvernehmen mit den Präsidenten von Bundestag und Bundesrat getroffen worden.

Aus Sorge, Abgeordnete könnten radikale Corona-Skeptiker ins Parlament einschleusen, hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble angeordnet, dass die Zugangskontrollen verschärft werden. Die Abgeordneten können sonst sechs Personen mitbringen – ohne Anmeldung und Sicherheitscheck durch die Bundestagspolizei. Diese Regelung ist für Mittwoch auf Schäubles Weisung hin aufgehoben worden. Jeder Besucher muss sich am Mittwoch bei der Eingangskontrolle anmelden und vom Sicherheitspersonal auch auf Einträge in der Polizeidatenbank Inpol überprüfen lassen.

Der Sicherheitsbeauftragte des Bundestages hatte zuvor an die Abgeordneten, die angemeldeten Versammlungen gäben auf Grundlage einer Gefährdungseinschätzung des Berliner Landeskriminalamtes Anlass zur Sorge, „dass der Parlamentsbetrieb beeinträchtigt wird, weil sowohl mit Angriffen auf die Gebäude des Deutschen Bundestages und auch auf Personen“ zu rechnen sei. Hinzu kämen gesundheitliche Gefährdungen für Abgeordnete und andere Menschen, die Zutritt zum Bundestag hätten, da mit Verstößen der Versammlungsteilnehmer gegen Corona-Regeln zu rechnen sei.

Corona-Kritiker hatten eine Demo abgesagt - nur zum Vorwand?

Eine der Kundgebungen gegen die Corona-Politik vor dem Reichstagsgebäude war schon von den Organisatoren abgesagt worden. Die Versammlungsleiterin, die zum Netzwerk Impfentscheid Deutschlang gehört, habe die Anmeldung für die Versammlung mit 250 Personen zurückgezogen, sagte ein Polizeisprecher dem Tagesspiegel.

In Berlin demonstrieren immer wieder Menschen gegen die Corona-Politik.

© Paul Zinken/dpa

Aus Sicherheitskreisen war - vor der Entscheidung des Innenministeriums - zu hören, dass es sich bei der Absage um eine Taktik handeln könnte, um die Situation für die Polizei zu erschweren. Es könne sein, dass die Demonstrierenden hofften, aus einer unübersichtlichen Situation heraus die Polizei zu überraschen. Ob das auch nach dem Verbot so sein wird, war zunächst unklar.

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Intern rechnete die Polizei bisher mit 8000 bis 14.000 Demonstranten. Begünstigt werde die Mobilisierung vom Buß- und Bettag, der in Sachsen ein Feiertag ist. Die Berliner Polizei hatte deshalb bereits Verstärkung der Bundespolizei angefordert, aber auch die Kräfte aus anderen Bundesländern werden erwartet.

Ziel der Berliner Polizei: Der Schutz symbolischer Gebäude

Ein besonderes Augenmerk liegt offenbar auf dem Schutz symbolischen Gebäuden. Bilder wie im August, als Demonstranten die Treppen des Reichstagsgebäudes stürmten und die Reichskriegsflaggen schwenkten, soll es am Mittwoch nicht noch einmal geben. Die Polizei möchte deshalb unter anderem Objekte von Bundeskanzleramt, Bundesrat, Abgeordnetenhaus und des ARD-Hauptstadtstudios sichern. Auch das Holocaust-Mahnmal soll geschützt werden.

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In einem Telegram-Chat der Veranstalter wurde die Absage mit dem Risiko gewalttätiger Auseinandersetzungen begründet. Man stehe aber weiter zur Forderung, das Infektionsschutzgesetz so nicht zu verabschieden. Gleichzeitig wurde dazu aufgerufen, am Mittwoch trotzdem zu demonstrieren.

In Leipzig war die Lage eskaliert

In sozialen Netzwerken, über den Messengerdienst „Telegram“ und auf Veranstaltungen der „Querdenken“-Initiative war bundesweit dazu aufgerufen worden, am kommenden Mittwoch den Bundestag zu blockieren. Im Vorfeld der Proteste war von einem erneuten Sturm auf das Parlament die Rede.

Vor zehn Tagen waren ähnliche Proteste in Leipzig eskaliert. 45.000 Corona-Leugner hatten die Auflagen, wie das Tragen von Masken und das Einhalten von Abstand, missachtet. Die Polizei wirkte hilflos, immer wieder wurden Polizeiketten durchbrochen.

An dem Protest hatten auch mehrere hundert Personen aus dem Hooligan-Spektrum und der NPD teilgenommen. Dabei war es zu Angriffen auf Polizisten und Journalisten gekommen. (mit dpa)

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