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Luftbild von der ehemaligen Stasi-Zentrale in Lichtenberg.

© Stasi-Unterlagen-Archiv

Büros statt Ateliers?: Bund will Teile der ehemaligen Stasi-Zentrale abreißen lassen

Das Gelände um das "Stasi-Museum soll zu einem "Campus für Demokratie" werden. Historiker fordern ein Abrissverbot.

40 Jahre lang war die Zentrale des Ministeriums für Staatsicherheit (MfS) in Berlin-Lichtenberg ansässig. Am 15. Januar 1990 drangen Demonstranten auf das Gelände vor und trugen dazu bei, das Wirken der Stasi zu beendet und die Vernichtung der Akten zu stoppen. Einige Gebäude des Komplexes stehen seit rund 30 Jahren leer, manche davon gehören nicht der Stadt Berlin, sondern dem Bund. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BlmA) will zum Oktober Teile des Geländes abreißen lassen. Es handelt sich um das „Haus 6“, das letzte Gründerzeithaus in der Magdalenenstraße nahe der Frankfurter Allee.

Christian Boos, Historiker und Vorstand des Aufarbeitungsvereins „Bürgerkomitee 15. Januar e.V.“, kritisiert, durch den Abriss würde der Charakter des Gebiets zerstört. Das Gelände wird als Ort der Aufklärung über die SED-Diktatur genutzt, im Haus 7 befindet sich eine Ausstellung zum Stasi-Unterlagen-Archiv, in dem über 41 Millionen Karteikarten angelegt wurden. In Haus 1 befindet sich das „Stasi-Museum“, das jährlich von Tausenden Touristen und zahlreichen Schulklassen besucht wird. Über 7000 Stasi-Mitarbeiter waren auf dem Gelände in über 50 Gebäuden mit Tausenden Büros tätig.

Seit 2012 besteht die Idee, das Gelände zu einem „Campus für Demokratie“ zu erklären. Ein Ort, der die „gesellschaftliche Dynamik zwischen Diktatur und Demokratie“ reflektieren soll. Seitdem gab es einige Runde Tische zum Thema, immer wieder wird diskutiert. Auch wurde darüber nachgedacht, Ateliers für Künstler auf dem Gelände und vor allem im Haus 6 anzusiedeln.

"Derartige Eingriffe würden den historischen Charakter zerstören"

Haus 6 wurde von der Auswertungsabteilung des MfS genutzt und befindet sich laut Historiker Boos noch im Originalzustand - inklusive Möblierung. Der Aufarbeitungsverein setzt sich dafür ein, den Gebäude-Umriss des Geländes zu erhalten, da nur auf diese Weise die Größe der SED-Geheimpolizei darstellbar sei. „Derartige Eingriffe würden den historischen Charakter zerstören. Und es erschweren, die Bedeutung des Überwachungsstaates bei Führungen zu erklären.“ Besonders jüngeren Menschen würde erst bei Besichtigung des Komplexes deutlich, welche Macht und Größe die Stasi hatte.

Zudem würde die BlmA mit Sitz in Bonn den Abriss „heimlich“ durchführen wollen, so Boos – ohne die Bürger in Berlin zu beteiligen oder auch nur informieren zu wollen. Da es sich um ein Sanierungsgebiet handelt, sei eine Bürgerbeteiligung eigentlich geboten. Er fordert den Bezirk Lichtenberg und den Senat auf, ein Abrissverbot für die historischen Gebäude zu verhängen. Die BlmA sagte auf Nachfrage, eine Bürgerbeteiligung für Einzelmaßnahmen sei im Sanierungsgebiet nicht erforderlich.

Bürgermeister weiß nichts von den Abrissplänen

Michael Grunst (Linke), Bezirksbürgermeister von Lichtenberg, sagte auf Nachfrage, dem Bezirk seien keine konkreten Abrisspläne bekannt. Es handele sich um einen wichtigen Ort der Berliner Erinnerungskultur, auch mit seiner symbolischen Bedeutung. „Alle Planungen für Nutzungen haben dem Rechnung zu tragen.“

Die BlmA bestätigte dem Tagesspiegel am Montag, dass das Haus 6 im Oktober abgerissen werden soll. Die Verkehrssicherheit des Gebäudes sei nicht gegeben und nur unter erheblichem finanziellem Aufwand wiederherzustellen. "Deshalb wird die BImA das Gebäude aus wirtschaftlichen und baufachlichen Gründen abreißen lassen." Eine Genehmigung dazu liege bereits seit März 2018 vor. Neben Haus 6 gehört dem Bund das Haus 1, wo sich das Stasi-Museum befindet, sowie die Häuser 7,8,9,11 und 22. Die Nutzung im Haus 1 bleibe unverändert, teilt die BlmA mit. Geplant mit dem "Campus für Demokratie" sei die Unterbringung der Bedarfe des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU).

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