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Zwei Brüder sitzen wegen der Tötung ihrer 34 Jahre alten Schwester auf der Anklagebank des Kriminalgerichts Moabit. Die Anklage wirft den Männern Mord aus niederen Beweggründen vor.

© Joerg Carstensen/dpa

Brüder auf der Anklagebank in Berlin: Ermittlerinnen sagen im Prozess um Mord an 34-jähriger Afghanin aus

Am zweiten Prozesstag schilderten zwei Kriminalbeamtinnen, wie die Brüder der mutmaßlich in Berlin getöteten Maryam H. unter Mordverdacht gerieten.

Der Vermisstenfall wurde bereits vier Tage nach dem Verschwinden von Maryam H. an eine Mordkommission gegeben. Der Freund der jungen Afghanin hatte die Frau als vermisst gemeldet – warum aber sprach er in der Vergangenheit von ihr? Es gab Ungereimtheiten und das bedrückende Gefühl, dass die Mutter nicht freiwillig von ihren Kindern weggegangen ist. "Drei Ermittlungsschienen hatten wir – den Freund, dann den Ex-Mann, dann die Brüder", sagte eine Kriminalbeamtin am Freitag im Mordprozess gegen zwei Brüder der Frau.

Sie sollen die 34-Jährige getötet haben, weil "die teilweise moderne Lebensführung" ihrer geschiedenen Schwester nicht ihren Moralvorstellungen entsprochen habe. Sie habe eine Liebesbeziehung geführt, obwohl die Brüder ihr den Kontakt zu dem Mann verboten hatten, heißt es in der Anklage. Laut Ermittlungen sollen die Brüder ihre ältere Schwester kontrolliert, beschimpft und auch geschlagen haben.

Sayed Yousuf H. und Seyed Mahdi H. – nach ihren Angaben 26 und 23 Jahre alt – sollen ihre Schwester am 13. Juli 2021 aus dem Haus gelockt haben. Sie hätten einen Wohnungsvermittler, der ihr bei der Suche helfen könne. Vor 16.30 Uhr sollen sie Maryam H. laut Anklage gedrosselt, gewürgt, ihr schließlich mit einem wuchtigen Schnitt die Halsschlagader durchtrennt haben. In einem Rollkoffer hätten sie die Leiche nach Bayern gebracht und dort – einige Kilometer vom Wohnort des älteren Bruders entfernt – verscharrt.

Die mutmaßlichen Mörder haben am ersten Prozesstag am Landgericht geschwiegen. Am zweiten Tag wurden nun die beiden Ermittlerinnen als erste Zeugen befragt. Eine Freundin von Maryam H. habe dafür gesorgt, dass die beiden Kinder, zehn und 14 Jahre alt, in die Obhut des Jugendamtes kamen, sagte eine Beamtin. "Die Kinder sollen Angst vor einem Onkel oder vor beiden gehabt haben." Der Freund von Maryam H. habe am 15. Juli 2021 die Frau als vermisst gemeldet und den Verdacht auf den Ex-Mann der Verschwundenen gelenkt.

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Maryam H. hatte sich von dem Mann, mit dem sie als 16-Jährige in Afghanistan zwangsverheiratet worden war, scheiden lassen. Sie hatte wiederholt Gewalt erleiden müssen. Die Scheidung erfolgte 2018 nach deutschem Recht. Etwa drei Jahre zuvor war sie von Afghanistan nach Deutschland gekommen. Zuletzt lebte sie mit den beiden Kindern in einem Flüchtlingswohnheim in Alt-Hohenschönhausen, kleidete sich moderner, machte einen Deutschkurs. Sayed Yousuf H. und Seyed Mahdi H. waren als Jugendliche nach Deutschland gekommen – einer 2013.

Zuerst war Maryam H.s Freund festgenommen worden. Am 27. Juli kam der junge Iraner in Haft, am nächsten Tag allerdings wieder frei. Dann Ermittlungen zum Ex-Mann der Frau: Er war stundenlang an einem bestimmten Ort in Wedding, als Maryam H. verschwand. Nun gerieten die Brüder in den Fokus der Ermittler. Aufnahmen einer Überwachungskamera vom Bahnhof Südkreuz in Schöneberg zeigten die beiden – "wie sie einen großen Koffer zum ICE Richtung München tragen", schilderte die Kriminalbeamtin. "Wir waren der Meinung, dass im Koffer keine Kleidung ist, da ist etwas Schweres transportiert worden."

Mund, Nase und Handgelenke der Getöteten waren mit Klebeband umwickelt

Am 29. Juli 2021 wurden aus den beiden Brüdern, die bis dahin als Zeugen galten, Beschuldigte. Durchsuchungen erfolgten in Berlin, wo Mahdi H. wohnte, und bei Yousuf H. in Bayern. Die Auswertung von Daten habe ergeben, dass sich einen Tag nach dem Verschwinden von Maryam H. die Handys beider Brüder im bayerischen Donauwörth befanden, berichtet die Zeugin. Der Ältere soll erklärt haben, er sei allein nach Hause gefahren, mit Kleidung im Koffer.

Am 3. August – drei Wochen wurde Maryam H. inzwischen vermisst – wurden die Brüder in Berlin und Bayern festgenommen. "Am 5. August hat die Freundin des älteren Bruders in einer weiteren Vernehmung erklärt, dass sie uns zum Leichnam führen wird", sagte die Ermittlerin. Die Frau habe berichtet, dass sie am Morgen des 14. Juli für Yousuf H. in einem Baumarkt zwei Schaufeln gekauft habe.

Mund, Nase und Handgelenke der Getöteten waren mit Klebeband umwickelt, über ihren Kopf ein blauer Plastiksack gezogen. Ein Stück eines Gummihandschuhs habe man am Klebeband gefunden, so die Mordermittlerin. "Mit einer Spur von Mahdi H." Ein Tatort konnte bislang nicht ermittelt werden. Der Prozess geht Mittwoch weiter.

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