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Eine U-Bahn fährt in den U-Bahnhof Berliner Straße ein.

© Christoph Soeder/dpa

Braucht Berlin das 365-Euro-Ticket?: Schon jetzt gibt es günstige Tarife für Bus und Bahn

Das 365-Euro-Jahresabo ist in der Diskussion. Doch schon jetzt profitieren hunderttausende Berliner von preisgünstigen Nahverkehrstarifen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Diskussion über ein 365-Euro-Jahresticket, das auf absehbare Zeit nicht realisierbar ist, verdeckt den Blick auf günstige Tarife für Bus und Bahnen, die es in Berlin für bestimmte Bevölkerungsgruppen schon lange gibt. Dazu gehört das Firmenticket, das für den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) gilt. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und die S-Bahn verkaufen zurzeit 66.000 Jahresabos an Arbeitnehmer. Im Vergleich zu den 458.000 Abonnenten eines normalen Jahrestickets ist das ein ausbaufähiges Angebot. Deshalb soll das Jobticket ab 1. September attraktiver werden.

Gemessen an diesem Wust von Sondervergünstigungen wäre die Einführung eines einheitlichen günstigen Tarifs doch ein echter Fortschritt. Und ein notwendiger Schritt, den Individualverkehr mehr in Richtung ÖPNV zu lenken.

schreibt NutzerIn Gophi

Bisher hat der BVV mit Unternehmen eine Vereinbarung über das Jobticket abgeschlossen, die mindestens 50 Mitarbeiter haben. Ab September können sich Firmen ab fünf Beschäftigten beteiligen, „also auch kleine Handwerksbetriebe“, sagt BVG-Sprecherin Petra Nelken. Bisher hat die BVG Verträge mit rund 350 Firmen abgeschlossen.

Jetzt laufen Gespräche mit weiteren 250 Unternehmen. Die Arbeitgeber müssen das Jobticket mit mindestens zehn Euro je Mitarbeiter und Monat bezuschussen, dann gewährt die BVG vier Euro monatlich Rabatt. Ab einem Zuschuss von 15 Euro gibt die BVG acht Euro monatlich auf eigene Kosten obendrauf. Es gibt vereinzelt sogar Unternehmen, die ihren Beschäftigten die Kosten für das Firmenticket komplett ersetzen.

Im besten Fall kostet das Jobticket ab September 452 Euro

Seit Januar sind die Arbeitgeberzuschüsse zugunsten der Arbeitnehmer wieder steuerfrei. Eine Regelung, die es bis 2004 schon einmal gab. Im Ergebnis kostet das Jobticket bei jährlicher Abbuchung für das Berliner AB-Netz ab September im besten Fall nur noch 452 Euro. Das sind knapp 38 Euro monatlich, einen Arbeitgeberzuschuss von 15 Euro monatlich vorausgesetzt. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) vertritt jetzt die Meinung, dass sich dieses Modell schrittweise weiterentwickeln ließe. Dann stellt sich allerdings die Frage, ob sich das Land Berlin an einer zusätzliche Rabattierung nicht beteiligen müsste.

Das günstige Jobticket gibt es allerdings nicht am BVG- oder S-Bahn-Schalter. Es muss beim Arbeitgeber beantragt werden, soweit er mit der BVG eine Firmenticketvereinbarung abgeschlossen hat. Die Fahrkarte ist auch nicht, wie ein normales Monatsticket, übertragbar. Immerhin können nach Feierabend eine Begleitperson oder bis zu drei Kinder in Bus und Bahn mitgenommen werden. Dafür ist der Tarif deutlich preiswerter als die übliche AB-Monatskarte, die ab 728 Euro bei jährlicher Abbuchung (knapp 61 Euro monatlich) zu haben ist.

Weitere vergünstigte Jahrestarife

Ein weiteres günstiges Angebot ist das personengebundene Seniorenticket, das im Bereich von BVG und S-Bahn von 115.000 Menschen über 65 Jahre abonniert wird. Es kostet bei jährlicher Zahlung 593 Euro (knapp 50 Euro monatlich). Für Azubis, Beamtenanwärter, Schüler im dualen System und Teilnehmer an Freiwilligendiensten gibt es ab August sogar ein echtes 365-Euro-Jahresticket, das für den gesamten öffentlichen Nahverkehr in Berlin und Brandenburg gilt. Bisher wurden in Berlin rund 30.000 Azubi-Abos verkauft. Das Schülerticket für Berlin ist ab 1. August sogar kostenlos. Die BVG rechnet damit, dass über 300.000 Schüler das Angebot wahrnehmen.

Dann gibt es noch das Berliner Sozialticket, das 27,50 Euro pro Monat im AB-Netz kostet. Berechtigt sind über 580.000 Menschen mit einem sogenannten Berlinpass. Der Tarif ist nicht im Abo zu haben. Im laufenden Jahr werden voraussichtlich 2,2 Millionen Monatstickets verkauft. Außerdem gibt es in Berlin rund 350.000 schwerbehinderte Bürger, die die öffentlichen Verkehrsmittel gratis benutzen dürfen. Im nächsten Jahr soll noch ein weiteres Angebot für die Beschäftigten in der Berliner Verwaltung hinzukommen. Sie dürfen, voraussichtlich ab Herbst 2020, zwischen einer „Ballungsraumzulage“ von 150 Euro monatlich und einer Kombination aus einem kostenfreien VBB-Monatsticket und einer Gehaltsaufbesserung wählen. Alle diese preiswerten Sondertarife werden den öffentlichen Verkehrsunternehmen aus dem Berliner Landeshaushalt als „Ersatz von Fahrgeldausfällen“ oder als „Zuschuss für betriebsfremde Leistungen“ ausgeglichen. Immerhin summieren sich die sozialen Rabatte ab 2020 auf voraussichtlich über 200 Millionen Euro.

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