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Heizung runter, Pullover an. Das ist nur eine der Strategien, die Brandenburger Politiker in der Krise empfehlen.

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Kalt duschen, Atomkraft oder Braunkohle?: Brandenburgs Regierung streitet über Maßnahmen in der Energiekrise

Die Sozialministerin in Brandenburg will sparen, die Finanzministerin Atomkraftwerke länger laufen lassen. Ob Jänschwalde voll hochgefahren wird, ist unklar.

Brandenburgs Regierung aus SPD, CDU und Grünen streitet über den Umgang mit drohenden Energie-Engpässen im Winter und steigenden Energiepreisen. Finanzministerin Katrin Lange (SPD) widerspricht den jüngsten Energiespar-Ratschlägen ihrer Kabinettskollegin Ursula Nonnemacher (Grüne).

„Dusch- und Anziehtipps sind nicht angemessen“, sagte Lange dem Tagesspiegel. „Es muss doch vorrangig darum gehen, den Notfall gar nicht erst eintreten zu lassen. Das ist Aufgabe der Politik.“ Da sei die Bundesregierung gefragt.

„Weder kann die Preisentwicklung so weitergehen wie bisher, noch darf es zu Versorgungseinschränkungen kommen – denn damit stünden Szenarien vor der Tür, die wir bislang nur aus Entwicklungsländern kannten“, sagte Lange.
Nonnemacher, auch Sozialministerin, hatte zum Energiesparen aufgerufen, am persönlichen Beispiel. „Mit dem Überfall von Russland auf die Ukraine haben wir sofort noch mal die Heizung runtergestellt und die Warmwasser-Temperaturen abgesenkt“, sagte sie. „Vollbäder sind bei uns komplett aus der Mode gekommen.“

Sie dusche auch kurz – „aber nicht, weil wir es uns nicht leisten können, sondern weil wir als Grüne dort einen klaren Auftrag sehen, dass sich jeder nach Kräften am Energiesparen beteiligt.“ Das alte Haus, in dem es „wie Hechtsuppe durch alle möglichen Ritzen und Ecken“ zog, sei gedämmt.

Atomkraft statt warme Pullover?

Sie rief dazu auf, „Standards zu hinterfragen, aber mit sozialem Augenmaß.“ Bedeutet? „Es ist zumutbar, eine Wohnung zu haben, wo man nicht im Dezember im T-Shirt rumläuft. Ältere Mitbürger haben da auch andere Realitäten kennengelernt.“

Lange wiederum muss bei solchen Aussagen an Thilo Sarrazin denken, der gegen steigende Heizkosten „warme Pullover“ empfahl – und einen Shitstorm erntete. „Notwendig ist jetzt nicht mehr wohltönende Verzichtspolitik sondern mehr vernünftige Energiepolitik“, so Lange. „Dafür müssen alle Optionen auf den Tisch. Da darf es keine Tabus geben.“

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Was das heißt? Lange wäre nach eigenen Aussagen dafür, in Deutschland „auch Atomkraftwerke etwas länger laufen zu lassen.“ Diese Position, die etwa die Regierungschefs Markus Söder (Bayern, CSU), und Michael Kretschmer (Sachsen, CDU) vertreten, hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) jüngst strikt abgelehnt.

Lange: „Wir brauchen den Braunkohlestrom“

Einig sind sich Woidke, Lange und SPD-Wirtschaftsminister Jörg Steinbach darin, dass zwei Blöcke des vom Energiekonzern LEAG betriebenen Braunkohlekraftwerkes Jänschwalde wieder in Betrieb gehen sollen, die im Zuge des Kohleausstiegs abgeschaltet worden und in die sogenannte „Sicherheitsreserve“ übergegangen waren. „Die beiden Blöcke müssen wieder ans Netz, und zwar so schnell wie möglich“, sagte Lange. „Wir brauchen den Braunkohlestrom.“

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Doch das vergangene Woche vom Bundestag beschlossene Energiesicherungsgesetz reicht nicht aus, um diese Blöcke hochfahren zu dürfen. Vom Bund heißt es, dass vom Land eine „Ausnahmeerlaubnis“ erteilt werden könne. Zuständig dafür ist das Umweltministerium unter Minister Axel Vogel (Grüne).

Linken-Fraktionschef Walter: „Binsenweisheiten, altkluge Empfehlungen und warme Worte“

Ein Ausnahmeantrag der LEAG liege noch nicht vor, so das Haus. Politisch ist das für die Grünen heikel, da Jänschwalde zu den Kraftwerken mit dem höchsten Kohlendioxidausstoß in Europa gehört. Auffällig ist auch, dass nicht nur Nonnemacher, sondern auch SPD-Minister Steinbach die Bevölkerung auf Härten einzustimmen versucht.

„Es wird zu persönlichen Einschränkungen kommen, die auch im kommenden Jahr noch zu spüren sein werden. Es wäre falsch, andere Hoffnungen zu wecken“, sagte Steinbach in einem MAZ-Interview.

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Die Linke-Opposition wirft der Woidke-Regierung Untätigkeit vor. Von Nonnemacher und Steinbach kämen „nur Binsenweisheiten, altkluge Empfehlungen und warme Worte“, sagte Fraktionschef Sebastian Walter. „Diese aber werden keine Wohnung heizen.“

Sozialministerin Nonnemacher beweise mit ihrer Dusch-Empfehlung nur eins, nämlich „wie weit weg sie von der Realität vieler Menschen in Brandenburg ist.“ Konkret fordert die Linke einen Härtefall-Schutzschirm für Betroffene nach Vorbild Berlins – bisher vergeblich.

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