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Stimmung ohne Knall. Die Koalition will privates Silvesterfeuerwerk vollständig untersagen dürfen.

© Patrick Pleul/dpa

„Eingriff in die Handlungsfreiheit": Böllerverbot zu Silvester trifft die Falschen

Ex-Polizeiführer Michael Knape hält die geplanten feuerwerksfreien Zonen für unrechtmäßig. Sie würden wenig bewirken und Unbeteiligte treffen.

Zum Jahreswechsel 2019/20 sollen auf dem nördlichen Alexanderplatz in Mitte und rund um die Pallasstraße in Schöneberg keine Böller oder Raketen mehr erlaubt sein – so wie schon bisher auf der Silvestermeile auf der Straße des 17. Juni. Doch nun meldet ein ausgewiesener Experte Zweifel an, ob der von der rot-rot-grünen Koalition vorgesehene Plan so einfach aufgehen kann.

Michael Knape, bis 2014 einer der bekanntesten Polizeiführer in Berlin mit jahrelanger Erfahrung bei Großeinsätzen, sagte dem Tagesspiegel: „Das ist Spiegelfechterei. Verbotszonen stoßen ins Leere.“

Knape hatte seit 1989 und bis Mitte 2017 an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) einen Lehrauftrag und bildete Polizisten aus. Zudem hat er Fachbücher für die Ausbildung über das Polizei- und Ordnungsrecht in Berlin verfasst. Aktuell lehrt er an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg in Oranienburg (Oberhavel) Eingriffsrecht.

Nun hat er überprüft, wie die Berliner Innenbehörde über Silvester gegen die Böllerei vorgehen will. Das hat die Verwaltung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) in zwei Antworten auf schriftliche Anfragen des FDP-Politikers Marcel Luthe dargelegt. Demnach sind die Pallasstraße und der nördliche Alexanderplatz als „besondere Gefahrenbrennpunkte identifiziert“ worden.

Denn dort sei es „im stadtweiten Vergleich“ zu einer „auffälligen örtlich konzentrierten Häufung von Straftaten zum Nachteil Dritter und zu Angriffen“ auf Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr gekommen. Die Feuerwerksverbotszonen werde die Polizei auf Grundlage des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog) erlassen – auf Basis von Paragraf 17.

Knallerbsen und Wunderkerzen bleiben erlaubt

Demnach können Ordnungsbehörden und Polizei „die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren“. Auf dieser Grundlage werden regelmäßig auch Allgemeinverfügungen etwa für Demonstrationen, Staatsfeiern oder Großveranstaltungen erlassen, wie etwa das Verbot von Glasflaschen beim Myfest in Kreuzberg am 1. Mai.

Für die Pallasstraße und den Alexanderplatz sollen auf diese Weise nun der Besitz und Gebrauch von Böllern und üblichem Silvesterfeuerwerk untersagt werden. Kleinstfeuerwerk wie Knallerbsen, Bodenwirbel und Wunderkerzen sollen aber erlaubt sein. Mit dem Verbot „soll in ausgewählten Bereichen im Einzelfall bestehenden Gefahren begegnet werden“.

Randalierer könnten auf Nebenstraßen ausweichen

Knape erklärte, dem Nachweis einer konkreten Gefahr fehle die Substanz. Wenn die Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren mit Feuerwerk regelrechte Straßenschlachten lieferten, wegen der Verbotszonen in andere Straßen ausweichen, greife das Verbot nicht. Solche Anordnungen müssten „geeignet, erforderlich und angemessen“ sein.

Aber wenn eine Maßnahme schon allein deshalb nicht geeignet sei, weil Böllerrandalierer einfach ein paar Meter weiter zündeln können, dann könne dies auch nicht rechtmäßig sein. „Zudem werden hier zahlreiche Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen, die normal ihr Feuerwerk anzünden wollen“, sagt Knape.

Das Böllerverbot soll auf den Alexanderplatz ausgeweitet werden.

© Robert Schlesinger / dpa

„Das Verbot ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Handlungsfreiheit anderer.“ Anwohner, die nur ihre Raketen steigen lassen wollen, könnten gegen die Verfügung vor das Verwaltungsgericht ziehen. Knape ist mit seiner Kritik nicht allein. Auch in Polizei und Innenverwaltung ist von politischen Vorgaben die Rede – die Wirkung der Verbotszonen sei fraglich.

Von Grünen und Linken waren weitreichende Verbote gefordert worden, doch das gibt das Sprengstoffgesetz, also Bundesrecht, nicht her. Deshalb hatte sich die Koalition darauf verständigt, zunächst Verbotszonen zu testen. Zudem verabschiedet der Senat im Oktober eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Sprengstoffgesetzes. Das Ziel: „Eine vollständige Untersagung von privatem Silvesterfeuerwerk.“

Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Das Bundesgesetz lässt derlei – wie es Berlin jetzt mit den Verbotszonen versucht wird – bislang gar nicht zu. Der FDP-Politiker Luthe betrachtet die Böllerverbotszonen daher als „simplen Populismus von Rot-Rot-Grün“. Straftaten mit Feuerwerkskörpern seien bereits verboten, an ein weiteres Verbot werden sich die Täter ebenso wenig halten“, sagte Luthe.

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