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Eine Freundin trauert an der Stelle, an der Ronja starb.

© privat

Verkehrsunglück in Berlin: Der Fall Ronja: "Bin ich noch am Leben?"

Eine 13-Jährige wird von einer Tram überrollt, aber nicht getötet. Beim Rettungseinsatz stirbt sie. Ihre Eltern wollen Antworten – und stoßen auf Schweigen.

Die Stirnseite des Küchentischs ist gedeckt wie an jedem Tag. Auf dem Stuhl sitzt ein großer brauner Teddy. Ein Teller, ein bunt bemaltes Ei stehen davor und ein Einhorn, aus Kastanien und Streichhölzern zusammengesteckt. In der Kaffeetasse daneben steht eine volle Colaflasche aus Plastik. „Eigentlich sollte sie keine Cola trinken, bei mir durfte sie es hin und wieder schon“, sagt Uwe L., 59. Es ist Ronjas Platz. Ein halbes Jahr nach ihrem Tod füllt sie immer noch den Raum aus und die Erinnerungen ihres Vaters, so wie wohl niemals zuvor. Weil er nicht Abschied nehmen kann. „Sie wandert durch meinen Kopf, durch mein Herz“, sagt er. „Und das ist scheiße, weil: Sie findet kein Zuhause.“

Der 12. Juni war ein ganz gewöhnlicher Spätfrühlingstag in Berlin. Nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit wäre er das auch für Ronja L., für ihren Vater Uwe L. und ihre Mutter Jeanette K., 56, gewesen. Doch Ronja ist tot. Am 12. Juni stirbt die 13-jährige Schülerin. Eine Straßenbahn erfasst sie, schleift sie mit, begräbt sie unter sich. Das Mädchen ist verletzt, aber am Leben und bei Bewusstsein, mit einem Spezialwerkzeug wird die Tram angehoben, doch der Rettungsversuch missglückt, Ronja wird von der Straßenbahn erdrückt.

"Die Ermittlungen dauern an"

Ihre Eltern sind sich sicher: Ronja könnte noch leben. Seit jenem Dienstag im Juni steht die Zeit für Uwe L. und Jeanette K. still. Sie können nicht mehr unterscheiden zwischen Schuld und Schicksal, Zufall und Notwendigkeit. Weil auch ein halbes Jahr nach dem tödlichen Unfall kein Polizist, kein Feuerwehrmann, kein Staatsanwalt und auch kein anderer Vertreter der Staatsmacht ihnen erzählt hat, was genau passiert ist. Und weil niemand das tut, füllt sich das Vakuum mit Annahmen, Vermutungen, Albträumen.

Seit sechs Monaten laufen die Ermittlungen zum Hergang der Tragödie, zunächst beim „Verkehrsermittlungsdienst“ der Kriminalpolizei, dann bei der Staatsanwaltschaft. Es gibt ein Aktenzeichen. Auf Anfrage heißt es aber nur: „Die Ermittlungen dauern an.“

Was Ronjas Eltern Uwe L. und Jeanette K. aus Gesprächen mit Zeugen, von Bildern, aus Berichten und Erinnerungen wissen, geht so: Ronja bricht am Nachmittag des 12. Juni in der Wohnung ihrer Mutter auf, mit ihrer Freundin Alisa will sie eine Pizza holen. Die beiden Mädchen fahren auf ihren Fahrrädern auf dem Radstreifen den Blockdammweg in Rummelsburg hinunter. Kurz vor der Haltestelle der Straßenbahn, Ecke Köpenicker Straße, ruft Ronja Alisa zu: „Lass uns abkürzen.“

Fotos in der Wohnung ihres Vaters erinnern an Ronja.
Fotos in der Wohnung ihres Vaters erinnern an Ronja.

© privat

Dann überquert sie die Gleise an einem ungesicherten Überweg. Auf dem Mittelstreifen erfasst sie die Straßenbahn. Der Triebwagen schiebt Kind und Fahrrad gut 16 Meter vor sich her in die Haltestelle hinein. Die stählernen Räder trennen zwei Finger von Ronjas Hand ab, bevor sie zum Stillstand kommen. Der Körper des Kindes fällt in das Kiesbett, zwischen die Gleise, eingeklemmt von der Tram.

Ein paar Minuten vorher waren die beiden Mädchen noch da, in Jeanette K.s Wohnung haben sie ein Referat über Essstörungen vorbereitet. Eigentlich hatte die Mutter vorgeschlagen, die Pizza sofort zu holen, aber Ronja sagt: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, am nächsten Tag müssen sie das Referat halten. Sie tragen es der Mutter vor zur Übung, sind stolz auf das Lob, das sie bekommen. Dann, gegen 16.30 Uhr, brechen Ronja und Alisa auf, „Tschüss!“, ein Blick, ein Lächeln, sie sind ja gleich zurück.

Er erzählt sprunghaft und aufbrausend, sie ganz nüchtern

„Natürlich denken wir, wenn diese Entscheidung anders gefallen wäre im Zeit-Raum-Kontinuum …“, sagt Ronjas Vater, ohne den Satz zu beenden, und drückt seine Fingerkuppen in die Augen – weg mit den Bildern.

Als der Unfall passiert, hat Ronjas Mutter gerade das Handy in der Hand. Sie hat das Referat abfotografiert, will es Alisa schicken. Da klingelt das Gerät. Sie geht ran. Schreie im Hintergrund. Eine Polizistin ruft: „Wo sind wir hier?“ Die Mutter bricht sofort auf. Erreicht die Unfallstelle. Später ruft sie den Vater an, der nicht weit entfernt wohnt und sich auf den Weg macht.

Ronjas Eltern leben getrennt, die Tochter wohnte bei ihrer Mutter, aber sie ist auch oft bei ihrem Vater und verbrachte viel Zeit mit ihm. Den Tod ihrer Tochter versuchen sie aber gemeinsam zu begreifen. Wenn sie in Uwe L.s Küche von dem Unfall berichten, korrigiert sie ihn manchmal. Er erzählt sprunghaft und aufbrausend. Sie schildert den Unglückstag nüchtern, fast unbeteiligt, aber ihre Augen füllen sich immer wieder mit Tränen.

Da liegt das Fahrrad, links neben der Straßenbahn auf den Gleisen. Jeanette K. läuft um die Bahn herum. Benommen. Ohne ein Wort.

„Heute frage ich mich, warum ich nicht geschrien habe, wie es Mütter tun in den Filmen“, sagt sie. Sie wird sofort umringt von Polizisten, Feuerwehrleuten, die sie ausfragen: Wie sie heißt, wie ihre Tochter heißt, sie wollen Gewissheit haben, dass sie wirklich die Mutter ist. Dann wird sie vom Unfallort weggeführt, abgeschirmt. Eine Polizistin sagt ihr und Uwe L., ihr Kind habe Glück im Unglück gehabt, „wir holen die da jetzt raus. Und dann fahren sie zusammen ins Krankenhaus.“ Eineinhalb Stunden dauert der Einsatz, liegt Ronja unter der Bahn. Dann kommt ein Seelsorger zu ihnen und sagt, es würden Wiederbelebungsmaßnahmen ergriffen. Da weiß Uwe L., dass etwas passiert ist.

Ein Routineeinsatz, der zum Unglück wird

Am Blockdammweg erinnert ein Kreuz an Ronja.
Am Blockdammweg erinnert ein Kreuz an Ronja.

© Sven Darmer

Ronjas Eltern haben versucht zu begreifen. Hinzunehmen, was sie nicht akzeptieren können. Am Tag des Unfalls sind sie gelähmt vom Schock, lassen sich willenlos „wie Hänsel und Gretel“ von Einsatzkräften mal hier-, mal da hinführen. Als der Vater drängt, Ronja sehen zu dürfen, bietet ein Einsatzarzt an, wenigstens die Hand des zermalmten Kindes in die eigene zu nehmen. Sie lehnen ab.

Acht Tage später, nach der Freigabe des Leichnams, gehen sie hin. Die Mutter nimmt den Arm, tastet den Körper ab. „Ihr Kiefer war zertrümmert“, sagt sie. Die Beine geflickt. „Ronja war so warmherzig“, sagt sie, „hatte keine Angst vor Nähe, ließ sich knuddeln, auch noch mit 13.“ Aber das hier im Bestattungsinstitut war nicht Ronja, sondern ein „Betonkörper“. „Ich hätte ihre Hand nehmen sollen am Unfalltag“, sagt Jeanette K.. „Als sie noch warm war.“

Auch zwei Feuerwehrleute werden verletzt

Routine hätte dieser Einsatz sein können, sein müssen, Rettungen wie diese laufen nach eingeübten Mustern ab. „Alle Arbeitsanweisungen der Feuerwehr für einen solchen Fall wurden eingehalten“, hatte ein Sprecher am Tag nach dem Unglück gesagt. Nach damaligen Kenntnisstand war das spezielle „Hebewerkzeug“ an den dafür vorgesehenen „Anschlagpunkten“ angesetzt worden, ähnlich wie ein Wagenheber beim Auto. „Dramatisch“ hatte der Sprecher es damals genannt, dass der Unfall trotzdem geschehen konnte. Auch zwei Feuerwehrleute, die gerade dabei waren, zu Ronja zu kriechen, wurden verletzt.

„Ich habe mich ertappt“, sagt Uwe L., „wie ich am Grab saß und überlegte: Wie soll ich Ronja nur sagen, dass Ronja tot ist?“ Jeden Tag geht er zum Grab. Und zum weißen Fahrrad am Straßenrand gegenüber von der Haltestelle. „Wir kommen nicht hinterher mit dem Begreifen.“ Auch Ronjas Mutter sagt, sie denke immer noch, das Mädchen komme gleich wieder. „Es war ja wie aus dem Nichts, der Unfall, zehn Minuten später.“

Ein halbes Jahr ist das jetzt her. Und sie haben nur diese Erinnerung, diese Bilder, die sie nicht loslassen. Es gibt keinen Bericht. Kein Wort. Keine Erklärung. Von niemandem. Deshalb werden sie diese Bilder nicht los. Wollen es auch gar nicht. Loslassen? Bloß nicht! Als könnte das wenige, was sie festhalten, das Geschehene ungeschehen machen.

"Erst wenn wir die Fakten kennen, können wir den Tod annehmen"

Sie wiederholen immer wieder diese Szenen. Ein „Fantasiegebilde“ nennen sie es selbst. „Erst wenn wir die Fakten kennen, die Umstände des Todes, können wir den Tod annehmen“, sagt Ronjas Vater. Erst dann können sie abschließen.

„Am liebsten möchten wir uns selbst unter die Straßenbahn legen, um die Situation des Kindes nachzufühlen“, sagt die Mutter. Ronja habe sie ja vielleicht noch gehört. „Ich stand ja neben der Straßenbahn, kurz nach dem Unfall.“ Der Unfallbericht könnte helfen, die quälende Ungewissheit der Mutter zu lindern. „Wir werden das Kind nicht zurückkriegen“, sagt sie. „Aber das Mindeste ist, dass wir die Wahrheit erfahren.“

"Ich dachte, es sei eine Mutter mit Kind"

Wenigstens einen Zeugen des Unfalls konnten sie sprechen. Ein Mann, dessen Tochter mit Ronja befreundet war, war am Unfallort, als es geschah. Arndt Schwering-Sohnrey tankt gerade gegenüber, läuft sofort zur Unfallstelle. Alisa sitzt auf dem Bahnsteig, schreit und ruft und entschuldigt sich bei ihrer Freundin in hysterischen Sätzen. „Sie fühlte sich schuldig“, sagt Schwering-Sohnrey. Als er sie beruhigt hat, hört er das Wimmern unter dem Wagen und ein Rufen. „Ich dachte, es sei eine Mutter mit Kind“, so verschieden klangen die Laute. Er sieht Blut, zwei abgetrennte Finger. Und er fragt: „Wie geht es dir?“ Ronja antwortet: „Meine Finger sind ab.“ Er: „Ich weiß, aber Hilfe ist unterwegs.“ Dann fragt sie, ob das alles wahr sei: „Bin ich noch am Leben?“ Schwering-Sohnrey antwortet: „Ja.“ Und dann sind die ersten Polizeibeamten da und er überlässt ihnen das Feld.

Dass Ronjas Stimme so kräftig klang und dass sie sich so gefasst Klarheit über ihre Lage zu verschaffen versuchte, erklärt er sich mit dem Schockzustand und dem Adrenalin, den der Körper in solchen Situationen ausschüttet, um den Schmerz zu stillen.

Ihr Vater sagt, Ronja sei ein Kind „voller Hoffnungen“ gewesen, lebendig und zuversichtlich, ihr Kämpferherz habe sie durchhalten lassen.

„Alle haben das Möglichste getan, um dem Mädchen zu helfen“, sagt Schwering-Sohnrey. Er glaubt nicht, dass irgendwer Schuld trägt. „Da war ein Herr, der mich sehr gerührt hat“. Der habe ihm gesagt, dass immer wieder Bahnen angehoben werden müssten, meistens um Gegenstände oder Hunde zu bergen. „Und dass die das eigentlich können“, nur dass hier eben etwas schiefging. „Wenn es nicht sicher gewesen wäre, wären die Feuerwehrleute doch nicht selbst unter die Bahn gekrochen, um Ronja zu retten.“

Erst kam die Traurigkeit. Dann die Wut

Ronjas Platz am Frühstückstisch ist immer gedeckt.
Ronjas Platz am Frühstückstisch ist immer gedeckt.

© privat

Alle diese Details kennt auch Ronjas Mutter. Das Fatale sei, dass ihre Tochter ziemlich sicher noch leben könnte, mit zwei abgetrennten Fingern, gewiss, aber am Leben. Sie starb „letztlich“, weil die Bergung scheiterte. „Das geht einfach nicht in unseren Kopf.“

Und dann klatscht der Vater plötzlich mit einer Hand in die andere: „Irgendwer ist schuld daran und ich will wissen wer.“ Uwe L.s Immunsystem brach nach dem Unfall zusammen, das ebnete einer schweren Krankheit den Weg. „Sie war mein Stern“, sagt er über seine Tochter, im Oktober wäre sie 14 Jahre alt geworden. Vier Tage nach dem Unfall, am Geburtstag des Vaters, wollten sie gemeinsam paddeln gehen.

Erst kam die Traurigkeit, dann die Wut. Und Verzweiflung. „Drei Mal hat der Anwalt Akteneinsicht gefordert“ und er hebt drei Finger. Vergeblich. Ein halbes Jahr ohne ein Wort der Behörden, er fragt sich: Soll da was vertuscht werden?

Der Staat ist eine Maschine, sie arbeitet Routinen ab

Für die Eltern wäre es das beste, sie könnten mit Einsatzkräften reden, aber das wird nicht zugelassen. Der Staat ist eine Maschine, sie arbeitet Routinen ab. Und das dauert.

Die Klagen von Ronjas Vater erinnern an die Bitterkeit der Angehörigen von Opfern des Terror-Anschlags am Breitscheidplatz. Nur dass diesen die öffentliche Aufmerksamkeit galt und schließlich sogar ein Opferbeauftragter zur Seite stand. Ronjas Eltern haben keinen Ansprechpartner bei den Behörden. In anderen Bundesländern gibt es einen speziell geschulten Opferschutzbeauftragten bei der Polizei, der Angehörigen von Unfallopfern Hilfsangebote vermittelt und den Ablauf von Ermittlungen erläutert.

Niemand sagt ihnen, wie weit die Ermittlungen sind, wie lange es noch dauern könnte, was noch zu tun ist, welche Instanzen sich einschalten. Ronjas Vater fragt: „Was soll hier verschwiegen werden?“ Könnte es sein, dass die Verantwortung für das Unglück nicht nur eine Einsatzkraft trifft, sondern vielleicht auch andere, weiter oben in der Hierarchie? Denn für die Eltern steht außer Frage: Helfen wollten sie alle, die Einsatzkräfte.

Die Polizei sagt auf Anfrage: Alle Fragen müssten der Staatsanwaltschaft gestellt werden, weil der Fall von den Verkehrsermittlern der Kripo dahin abgegeben wurde. Auch die Feuerwehr verweist auf die Staatsanwaltschaft. Und diese sagt: „Die Ermittlungen dauern an.“

Hat er nicht viel zu spät, viel zu kurz geklingelt?

Den verzweifelten Eltern bleibt nichts, als zu spekulieren. Das Gras auf dem Mittelstreifen des Blockdammwegs stand hüfthoch am Tag des Unfalls – am nächsten Morgen war es geschoren bis kurz über die Narbe. Hat es die Sicht des Tramfahrers behindert? Warum muss die Straßenbahn mit so hoher Geschwindigkeit über den ungesicherten Übergang vor der Haltestelle rollen? Wie konnte der Fahrer das Kind übersehen auf der gut 100 Meter langen Graden, hat er nicht viel zu spät, viel zu kurz geklingelt? Dabei heißt es im Polizeibericht: Der „60-jährige Fahrer“ habe das Kind erfasst „trotz sofort eingeleiteter Gefahrenbremsung“.

Und wer hat schließlich „die Flügel von Ronjas Schutzengel rausgerissen“, wie es ihr Vater formuliert, als der Wagen angehoben wurde, außer Kontrolle geriet und das Kind zerdrückte?

An der Küchentür hängt eine griechische Flagge. Uwe L. und Jeanette K., sind nach ihrem Tod gemeinsam noch einmal nach Korfu gefahren, der Vater spricht von einer „Pilgerreise“. Dort waren sie früher oft, mit einem zum Wohnwagen umgebauten Pick-up des Vaters. Uwe L. hat in Berlin eine Bank für Ronja gezimmert, Jeanette K. meint, er solle nun auch ihren Grabstein schnitzen. Ein Stück Olivenholz hat Uwe L. dafür aus Griechenland mit nach Hause gebracht.

Eigentlich wollten sie zu dritt nach Korfu fahren. „Die Reise ist das einzige, was ich mir von euch wünsche“, hatte Ronja zu ihrer Jugendweihe gesagt. Das war zwei Wochen vor ihrem tödlichen Unglück.

Nach Korfu kamen auch Ronjas Halb-Geschwister Lisa und Franz. Für sie ist der Unfall ein Schock, der ein Trauma aufleben lässt. Genau fünf Jahre vor Ronjas Tod, auch im Juni und auch bei einem Verkehrsunfall, verloren sie Vater und Großvater. Ein Lkw raste auf der A 9 am Ende eines Staus auf deren Wagen auf. Er brannte völlig aus.

Dann doch: Die Akte kommt

Im November ertragen die Eltern die Stille nicht mehr. Sie beschließen, sich zu wehren, und ihr Anwalt, entnervt vom Schweigen der Berliner Behörden, rät ihnen nicht ab. Die Eltern lesen die Berichte des Unfalltages und schreiben deren Verfasser von Tagesspiegel, „Spiegel“ und „Berliner Zeitung“ an. Medien-Anfragen gehen bei der Staatsanwaltschaft ein.

Danach kommt plötzlich Bewegung in die Sache. Ein Anruf der Staatsanwältin geht beim Anwalt der Eltern ein. Noch stehe ein Abschlussgespräch mit einem Gutachter an, soll die Staatsanwältin gesagt haben. Eine Woche später schließt sie die Akte und schickt sie dem Anwalt. „Ungewöhnlich“, sagt Rechtsanwalt Andreas Schieder, empfinde er, dass Ronjas Eltern ein halbes Jahr auf Ergebnisse der Ermittlungen warten mussten. Und dass er trotz dreier Anfragen keine Nachricht über deren Stand bekam. Die umfangreiche Akte sei vor wenigen Tagen eingegangen, „sie wird kopiert, mit den Eltern besprochen und professionell ausgewertet“. Zum Inhalt äußert sich Schieder nicht: Er habe nur einen kurzen Blick in das Material geworfen. Es handle sich um einen „schwierigen Fall“, für dessen Auswertung es Zeit brauche. Aber: Die Akte diene eben auch „für die Trauerarbeit, und die kann jetzt beginnen“.

Die Nachricht vom Akteneingang erreicht Uwe L. vor gut einer Woche mitten in der ärztlichen Behandlung. Er will „genau lesen, erklären lassen, ich will verstehen und dann werden wir sehen, welche Fragen wir noch haben.“ Einen „Riesenrespekt“ habe er vor dem Tag, der ihm bevorsteht. „Natürlich gemeinsam“ mit Ronjas Mutter werden sie zum Rechtsanwalt nach Dresden fahren. Vorher absprechen, ob sie wirklich alles lesen. Sogar den Autopsiebericht?

„Das wird noch mal schwer für uns“, sagt er. Sie müssten lernen „damit“ zu leben. Aber: „wir wollen den faktischen Abschluss und das soll ehrlich und gerecht laufen.“

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