Zeitzeuge über Luftangriff auf Berlin: „In dem Geschrei war nichts mehr zu verstehen“
Der Zeitzeuge Peter Hagen erzählt hier, wie er als Zwölfjähriger den Bombenangriff vom 3. Februar 1945 im U-Bahnhof Bayerischer Platz erlebte, in dem die Decke nach einem Volltreffer einstürzte.
Nach starken Schneefällen hat es auch am 3. Februar 1945 getaut; es war ein Sonnabend, blauer Himmel, Sonnenschein. Es war wieder Zeit, Brot zu holen. In einer der Nebenstraßen der Regensburger Straße in Wilmersdorf hatten wir eine Bäckerei entdeckt, in der Zehnpfund-Brote gebacken wurden und von diesen sollte ich zwei holen. Für den Transport nahm ich einen Rucksack mit und bin zur U-Bahn am Innsbrucker Platz gegangen. Unterwegs traf ich Horst, einen Klassenkameraden meines Bruders; er fragte mich, ob er mich begleiten dürfe, wogegen ich ja nichts hatte. Gefahren sind wir bis zum U-Bahnhof Viktoria-Luise-Platz und haben dann die beiden Brote geholt.
Auf dem Rückweg hielt der Zug im U-Bahnhof Bayerischer Platz und es hieß „alles aussteigen“, denn es hatte so genannten Voralarm gegeben. Also raus aus dem Zug und auf den Bahnsteig.
Was dann passierte, hatte ich nicht ahnen können. In den Häusern am Platz waren wohl Krankenunterkünfte, und von dort kamen nun die Gehfähigen, um auf dem U-Bahnhof Schutz zu suchen. Deutsche Gründlichkeit herrschte immer noch, auch zum Ende des Krieges hin, und so wurden am Bahnhof bei Beginn des Hauptalarms die Scherengitter geschlossen. Es dauerte nicht lange, da fielen die ersten Sprengbomben, offenbar auf die Treppen, denn es wurde dunkel im Bahnhof und das wohl nicht nur, weil der Strom ausgefallen war.
Die nächste Bombe – oder waren es mehrere Bomben? – fiel dann direkt auf den Bahnhof. Ein beißender Rauch, der das Atmen erschwerte, zog über den Bahnsteig, wir lagen auf dem Boden und rangen nach Luft. Die halbe Decke mit ihren Stahlträgern war heruntergekommen und hatte die darunter Stehenden erschlagen. In dem Geschrei war überhaupt nichts mehr zu verstehen. Als sich der Lärm dann etwas gelegt hatte, wurde gerufen, dass wir den Bahnhof schnellstens verlassen sollten. Über die Toten und Verletzten und über die vom Tauwasser nasse Erde haben wir fluchtartig den Bahnhof verlassen.
Der Rucksack war weg, ich hatte auch keine Handschuhe mehr, aber Horst waren sogar die Schuhe abhandengekommen. Als wir es ins Freie geschafft hatten, winkten uns aus den umliegenden Häusern die Leute zu, dass wir zu ihnen kommen sollten. Dahin begleiteten uns SS- Männer, die offenbar in aller Eile aus ihrer Unterkunft in der Kaiserallee – heute Bundesallee – geholt worden waren. Rein in den Luftschutzkeller, wo wir mit Essigwasser getränkte Tücher bekamen, damit wir die Nase von dem Dreck befreien konnten, den wir eingeatmet hatten.
Als der Alarm zu Ende war, haben wir den Heimweg angetreten, das heißt, dass ich den Horst Huckepack nehmen musste, denn seine Schuhe waren ja weg. Unterwegs sind wir an Häusern vorbeigekommen, die von der Polizei schon geräumt waren und nun bewacht wurden, weil man dort Blindgänger festgestellt hatte. Man hat uns etwas eigenartig angesehen, warum, habe ich erst später, wieder zu Hause, feststellen können.
Also erst einmal den Horst in der Rembrandtstraße abliefern, dann ging ich nach Hause. „Mein Gott, wie siehst Du denn aus?“ Das waren Omas erste Worte, als sie die Tür öffnete, und da bin ich erst einmal ins Badezimmer gegangen, denn ich hatte ja noch die eigenartigen Blicke der Leute von unterwegs in Erinnerung.
Ganz abgesehen davon, dass wir unsere Uniformen – das waren so eine Art Skianzüge mit Keilhosen, die das Jungvolk trug – nur etwas abgeklopft hatten und die damit immer noch recht staubig waren, sah das Gesicht ja irgendwie verschmiert aus. Mit den Tüchern hatten wir wohl nicht nur die Nase gesäubert, sondern mit Ihnen auch das Gesicht zu säubern versucht, aber das war so schlecht gelungen, dass ich im Gesicht immer noch ziemlich schwarz aussah.
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