zum Hauptinhalt
Foto: imago

© IMAGO/Westend61

„Wichtig ist der Austausch mit anderen“: Die Helferin für Helfer in der Krise

Jesta Phoenix ist Business- und Emotionscoach in Berlin-Friedrichshagen und hilft ehrenamtlich Helfern in Not. Ihr Rat ist in der gegenwärtigen Flüchtlingskrise gefragt

Von Simone Jacobius

Es war ein Schlüsselerlebnis, das Jesta Phoenix (46) dazu brachte, anderen Menschen zu helfen. Wie so häufig. Bei der Businesscoachin war es in der Zeit des ersten Lockdowns. Zwei kleine Kinder mussten zu Hause beschult werden, sie arbeitete weiter von Zuhause aus und immer wieder kamen Notrufe bei ihr an: „Ich laufe am Limit, kannst du helfen?“ Jesta Phoenix half – immer. 

Dann passierte etwas mit ihrem kleinen Sohn. Zwei Stunden hing sie in der Leitung vom medizinischen Notdienst. Alles ging glimpflich aus. „Aber danach brach ich in Tränen aus und konnte nicht mehr aufhören. Die Anspannung… Als Profi wusste ich aber, dass da noch mehr dahintersteckte”, erinnert sie sich. Sie rief ihre Supervisorin an, die prompt einen First-responder-Burnout diagnostizierte. „Ich bin eigentlich Profi und habe das nicht bei mir selbst erkannt. Da wusste ich, wie es anderen Menschen gehen muss, die immer in der ersten Reihe helfen.“ Denn Sprachbarrieren, traumatisierte Menschen, Behördenchaos, all das belastet auch die Helfenden.

Helfer, die sich Hilfe holen, sind viel zu selten.

Coach Jesta Phoenix

Was geht in den helfenden Menschen vor? „Viele Helfer in der Flüchtlingskrise denken, den anderen geht es ja noch viel schlechter als mir und gehen dann schnell über ihre eigenen Grenzen hinweg. Sie erkennen nicht, wann sie an sich denken müssen. Es ist, als ob sie durch ihr eigenes Leiden das Leid der anderen wieder gutmachen wollen. Aber das geht natürlich nicht“, sagt die alleinerziehende Mutter. Über das Nachbarschaftszentrum Friedrichshagen hat sie dann basierend auf ihrer eigenen Erfahrung Hilfe für Helfer angeboten, kostenlos. „Doch der Kurs hat nicht lange gehalten. Die Leute halten sich für stark, bis es nicht mehr geht. Helfer, die sich Hilfe suchen, sind viel zu selten“, bedauert die Friedrichshagenerin. 

Jesta Phoenix

© Foto: Simone Jacobius

Einen festen Kurs bietet sie jetzt nicht mehr an. Aber das Nachbarschaftszentrum vermittelt ihren Kontakt, wenn jemand Hilfe braucht. „Ich vermittle dann Basiswissen zur Selbstfürsorge“, sagt sie.

Ihre Tipps für die Helfer von Ukraine-Flüchtlingen. „Jeder sollte eine ehrliche Analyse machen, was er stemmen kann, wo seine persönlichen Grenzen sind. Nur so viel Hilfe geben, wie es noch ein Geschenk ist und nicht von einem selber als Opfer angesehen wird – sonst kommt Verbitterung raus und das ist unfair dem anderen gegenüber.”

Geduld mit sich selber haben und auch mal Fehler machen dürfen. „Daraus kann jeder nur lernen. Manchmal muss man auch mit Karacho gegen die Wand fahren. um seine Grenze zu erkennen“, sagt sie und fordert dennoch Nachsichtigkeit mit sich selbst. „Niemand muss sich schämen dafür, dass er nicht mehr kann, obwohl uns das von dieser Leistungsgesellschaft immer eingeimpft wird.”

Wichtig ist der Austausch mit anderen. Nicht nur mit der Familie, sondern mit anderen Helfern und Freiwilligen. Wie geht es dir, wie gehst du mit deinen Problemen um – das sind Fragen, die nur andere Betroffene beantworten können. „Nur in dieser Gemeinschaft kann man dann auch thematisieren, dass die Kraft irgendwann aufgebraucht ist.”

Eigentlich ist sie Personal- und Businesscoach, spezialisiert auf Emotionscoaching. Ihr komplettes Wissen lässt sie auch in die Beratungen für Helfende einfließen. „Emotionen sind unsere Bodyguards, sie werden zu häufig missachtet. Wut heißt, dass eine Grenze überschritten wurde. Scham, entsteht oft, wenn wir unsere Werte für richtiges und falsches Verhalten zu hoch ansetzen”, erläutert die Fachfrau.

Sie arbeitet mit den Klienten auf Augenhöheum den Weg zu den echten Emotionen zu finden. Da sie nach einem Studium in Großbritannien und vielen Auslandsaufenthalten fließend Englisch spricht, sind die Sprachbarrieren für sie geringer. 27 Mal ist sie in ihrem Leben bereits umgezogen. Ihr jetziger Wohnort in Friedrichshagen ist bisher mit 15 Jahren der am längsten bestehende.

Diese Themen lesen Sie im aktuellen Newsletter für Treptow-Köpenick

Immer dienstags erscheint der Tagesspiegel-Newsletter für Treptow-Köpenick. Den gibt es in voller Länge, einmal pro Woche mit vielen konkreten Bezirksnews, Tipps, Terminen unter tagesspiegel.de/bezirke.

Simone Jacobius schreibt in dieser Woche über diese Themen:

  • Union, ich glaube an euch
  • Großzügige Spende: Rettungsboot für Wassersportler mit Handicap
  • Klimaaktivisten verspielen Sympathiepunkte 
  • Schriftliche Anfragen kosten viel Geld
  • Bezirk plant energiefreundliche Weihnachtsbeleuchtung
  • Stadtteilbibliothek Alt-Treptow bis Jahresende geschlossen
  • Fotowettbewerb: Zuhause im Allende-Viertel
  • Bauarbeiten am Müggelschlösschenweg und am Müggelheimer Damm
  • Fahndung nach Verdächtigen nach einem Überfall
  • Filmvortrag über den verstorbenen Schauspieler Peter Reusse
  • Waldtiere mal anders, nämlich als Puppentheater
  • Georgische Dichterin bei Moving Ports
  • Union besiegt seinen Angstgegner und gelangt ins Achtelfinale des DFB-Pokals
  • Auf und Ab bei den BBSC-Volleyballerinnen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false