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Provisorische Gedenktafel für Nguyễn Văn Tú.

© Johanna Treblin.

Vor drei Jahrzehnten von einem Neonazi erstochen: Berliner Gedenkort für Nguyễn Văn Tú soll endlich kommen

Im April 1992 starb der Vietnamese in Marzahn nach einem rechtsextremen Angriff. Jahrelang kämpften engagierte Menschen um offizielle Erinnerung.

Von Johanna Treblin

Gänseblümchen blühen auf der Wiese, dazwischen gelber Löwenzahn. Hier soll wahrscheinlich noch in diesem Jahr der Gedenkort für Nguyễn Văn Tú entstehen, der ein paar Meter weiter vor 31 Jahren – am 24. April 1992 – mit einem Messer attackiert wurde. Kurz darauf starb er im Krankenhaus.

Am Tag seines Todes war Nguyễn Văn Tú 29 Jahre alt. Er besuchte einen Freund in Marzahn, sie trafen sich am Einkaufszentrum, wo ein paar Vietnamesen Zigaretten verkauften. Eine Gruppe junger Männer kam vorbei und trat die Stände nieder. Unter ihnen war Mike L. Nach einer verbalen Auseinandersetzung zog L. ein Messer und stach es Nguyễn Văn Tú in die Seite.

Der Getroffene brach bewusstlos zusammen. Sein Freund brachte ihn ins Krankenhaus. Kurz darauf starb Nguyễn Văn Tú an den Verletzungen. L. wurde gefasst und zu vier Jahren und sechs Monaten Gefängnis wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.

Am Montagnachmittag steht eine kleine Gruppe am Rande eines Wohnhauses am Brodowiner Ring, unweit vom Todesort. An der Wand hängt eine Plakette, die an Nguyễn Văn Tú erinnert. Eine Gedenkinitiative hat sie angebracht.

Therese Stephan, Sprecherin des Bündnisses für Demokratie und Toleranz, das zum gemeinsamen Erinnern eingeladen hatte.

© Johanna Treblin

Zum 31. Todestag des ehemaligen DDR-Vertragsarbeiters hat das Bündnis für Demokratie und Toleranz zum gemeinsamen Erinnern eingeladen. Sprecherin Therese Stephan weist darauf hin, dass die Zahl der rechten Taten im Jahr 2022 wieder gestiegen ist: „Fast jeden Tag gab es eine rechte Tat.“ Auch darauf wolle das Bündnis mit der Veranstaltung aufmerksam machen.

Die Teilnehmenden legen Blumen an der Gedenktafel ab. Dann gehen sie zu der Stelle, an der der neue Gedenkort entstehen soll. Drei Künstler:innen sind eingeladen, Ideen zu entwickeln, wie ein solcher aussehen könnte.

Stadträtin lobt Aktivist:innen, denn der Bezirk tat sich schwer

„Der Bezirk hat sich etwas schwergetan mit dem Gedenkort“, sagt Juliane Witt (Die Linke). Sie ist Stadträtin für Stadtentwicklung. Das ihr zugeteilte Grünflächenamt war an der Standortentscheidung beteiligt. Nach einigen Alternativvorschlägen wurde nun die Wiese vor dem Parkplatz des Einkaufszentrums auserwählt. Witt ist damit zufrieden. Der Ort sei „zentral, aber separiert“. Soll heißen: Es kommen viele Menschen vorbei, die den Gedenkort auch sehen, er stehe auf der Wiese, aber alleine und gut sichtbar, ohne in der Umgebung unterzugehen.

Dass das offizielle Gedenken jetzt endlich eingerichtet werde, sei einer Gruppe von Aktivist:innen zu verdanken, sagt Witt. Die hätten immer wieder nachgebohrt.

Vor allem hatten lokale Initiativen immer wieder Gedenkplatten am Ort des Geschehens angebracht. Die wurden wiederholt zerstört. Schließlich reichte eine Nachbar:innen-Initiative über den Bürgerhaushalt den Wunsch ein, dass der Bezirk sich endlich um ein offizielles Gedenken kümmern sollte. Der Vorschlag erhielt die meisten Stimmen. Inzwischen stehen 15.000 Euro zur Verfügung. Und noch in diesem Jahr soll es losgehen.

Ein Mitglied der Gedenkinitiative, das am Montagnachmittag dabei ist, hofft, dass das Kunstwerk auch sichtbar an Nguyễn Văn Tú erinnert. „Es kann alles werden – ein Baum, eine Bank. Ich hoffe aber, dass das ein politischer Ort wird, der mit einer Infotafel daran erinnert, was hier geschehen ist.“

Hier weitere Themen aus der aktuellen Ausgabe unseres Marzahn-Hellersdorf-Newsletters:

  • Nach der Wiederholungswahl: Zwei neue Stadträt:innen
  • In der Mehrower Allee und in der Max-Herrmann-Straße: Müll, Dreck, kaputte Türen
  • Mittelinsel auf Kaulsdorfer Straße kommt später
  • Kinder- und Jugendjury startet: Reicht Eure Projekte ein
  • Bezirksamt ist Familienfreundlicher Arbeitgeber
  • Klimaneutrale Hochschule: 20 Prozent weniger Emissionen bis 2032
  • Rassistische Attacke in Tram: Mann beleidigt und bespuckt Mädchengruppe in Hellersdorf
  • Hultschiner Damm bis Freitag gesperrt
  • Fotos für Wandkalender gesucht
  • Neue Ausstellung im Ausstellungszentrum Pyramide

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