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Girl using abacus

© mauritius images / Sandra Roesch

Verein aus Berlin-Reinickendorf: Spielerisch Rechnen lernen mit dem Mathepaten

Nicht allen Kindern fällt es leicht, Zahlen zu addieren oder zu substrahieren. Ehrenamtliche aus dem Verein Bildung und Gesellschaft unterstützen sie dabei.

„Domino“, „Mensch ärgere Dich nicht“ und „Plumpsack“ gelten heute schon fast als ein wenig veraltet. Dabei können solche Spiele Teil der mathematischen Früherziehung sein, sagt Dorothea Peichl. Die Rentnerin hat gemeinsam mit Johannes Hinkelammert von der Freien Universität (FU) Berlin den Verein Bildung und Gesellschaft e.V. gegründet, um Kindern dabei zu helfen, spielerisch Rechnen zu lernen.

Bei Peichl fing alles mit einer Lesepatenschaft an, die sie begann, nachdem sie in den Vorruhestand gegangen war. Bald stellte sich heraus, dass die Kinder an der Schule, an der sie tätig war, auch Unterstützung in Mathe benötigten. Also verlagerte sie ihre Fördertätigkeit aufs Rechnen und wurde Mathepatin für ein Kind in der 3. Klasse. „Das Kind konnte 5 + 2 nicht ausrechnen, also brachte ich einen Abakus mit“, erinnert sich Peichl. Doch das Kind habe nicht verstanden, wie man die Zahlen schiebt und so Rechnungen anstellt.

„Ist es meine Schuld, habe ich mich gefragt. Und dann wurde ich, das muss vor ca. zehn Jahren gewesen sein, auf ein Angebot von Johannes Hinkelammert aufmerksam, der einen Unterstützungskurs für Mathepaten anbot“, berichtet Peichl. Der FU-Dozent erklärte ihr, dass sich das Kind wahrscheinlich die Struktur – beispielsweise aus fünf Perlen – nicht als Menge vorstellen könnte. Um Kindern dieses Vorstellungsvermögen beizubringen, hatte Hinkelammert im Rahmen des „Rechenpate-Projekts der FU-Berlin“ insgesamt ca. 30 Mathespiele entwickelt, die unter anderem mit Würfelmustern arbeiten.

Johannes Hinkelammert und Dorothea Peichl vom Verein Bildung und Gesellschaft e.V.

© Lisa Erzsa Weil

Diese Spiele wenden Hinkelammerts Studierende bereits seit über elf Jahren in Schulen an. Der FU-Dozent gibt Seminare in Mathematikdidaktik, vorher war er Lerntherapeut. Ihm ist es wichtig, einen praxisorientierten Kurs zu geben und das Seminar mit der Fördertätigkeit zu verbinden. Vor Peichl waren noch keine Mathepat:innen auf ihn zugekommen, sein Unterstützungskurs war eigentlich für Studierende gedacht. Doch der Kontakt hielt, die beiden entwickelten ein Förderkonzept.

2015 baute Peichl unter anderem eine Gruppe aus acht Mathepat:innen in der Kita Letteallee auf – zur Prävention der späteren Rechenprobleme. „Wegen der Pandemie mussten wir dann aus der Kita ausgesperrt werden“, sagt Peichl. Diese Zeit habe für viele Herausforderungen gesorgt, die Lernrückstände bei den Kindern seien spürbar. „Wir wollten was tun, deshalb haben wir Bildung und Gesellschaft e. V. gegründet.“

Seit 2021 schult der Verein Ehrenamtliche als Förderlehrkräfte und arbeitet dabei auch mit den Lern- und Bewegungsspielen. “Bewegung hilft bei Mathe”, weiß Peichl, die oft beobachtet hat, dass rechenschwache Kinder auch ein Problem mit Motorik haben. Die Lernspiele werden vor allem bei Kindern der 2. Jahrgangsstufe eingesetzt. „In der 2. Klasse können wir gut abschätzen, welche Kinder abgehängt sind“, erklärt Peichl. „Es ist wichtig, frühzeitig zu handeln, denn für viele Kinder ist die Karriere dann schon besiegelt.“

Die Förderung der Kinder geschieht durch die ehrenamtlichen Mathepatinnen und -paten. Diese gehen in vorher festgelegte Schulen, für zwei Schulstunden pro Woche. In einem separaten Arbeitsraum setzen sie sich mit dem rechenschwachen Kind zusammen, mit dem sie arbeiten. „All das geschieht komplementär zum Unterricht“, erklärt Hinkelammert.

Mitstreiter:innen gesucht

„Manchmal wird dann erst einmal gequatscht“, berichtet Peichl. „Denn die Kinder lieben die Mathepaten, immerhin nehmen die sich extra Zeit für sie.“ Auch diese Beziehungsebene zwischen Mathepat:innen und Kindern helfe den Kindern, erläutert Hinkelammert. Wichtig sei nur die Freiwilligkeit. „Wenn das Kind nicht will, funktioniert es nicht“, sagt Peichl. In der Zusammenarbeit mit den Kindern orientiere man sich dann an den individuellen Bedürfnissen. „Unsere Bedingung ist nur der Spaß. Am Ende zählt, dass die Kinder besser rechnen lernen“, so Hinkelammert.

Momentan sucht der Verein von Peichl und Hinkelammert noch dringend nach Mathepatinnen und -paten für die 2. Klassen der Mark-Twain- und der Hermann-Schulz-Grundschule. Auch für die Kitas Letteallee und Mittelbruchzeile werden noch Ehrenamtliche gesucht. Dafür ist kein akademischer Abschluss nötig, auch Mathe-Ass oder Pädagog:in muss man nicht sein.

Ende August gibt es zwei Workshops für Interessierte: am 24. August gemeinsam mit dem Ehrenamtsbüro zum Thema „Mathepaten in der Kita“, am 31. August in Tegel zum Thema „Mathepaten in der Grundschule“. Melden Sie sich hierfür an via anmeldung@ehrenamt-reinickendorf.de bzw. über den Anrufbeantworter unter 235923777. Auch über Unterstützung, zum Beispiel durch Stiftungen, würden sich Peichl und Hinkelammert freuen, um die viele ehrenamtliche Arbeit, die hinter dem Projekt steckt, weiterführen zu können. Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Vereins.

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