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Letzte Saison. Die Lizenz für das Jahn-Stadion läuft 2020 aus. Foto: Kay Nietfeld/dpa

© picture alliance / dpa

Streit um Neubau in Berlin-Pankow: "Der Abriss des Jahn-Stadions muss auf den Prüfstand"

Grünen-Politiker Otto lehnt die neue 120-Millionen-Euro-Arena in Prenzlauer Berg ab: Für einen "Inklusionssportpark" müssten andere Bauten priorisiert werden.

Von Christian Hönicke

Um den Jahn-Sportpark und vor allem das geplante neue Stadion wird weiter hitzig debattiert. Nun fordert der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto, den Arena-Neubau zu stoppen: „Der Abriss des Stadions nebst Neubau muss auf den Prüfstand. Die Beseitigung der technischen Mängel erfordert diese radikale Lösung nicht.“

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Die Senatssportverwaltung sieht das anders. Sie will das 20.000-Zuschauer-Stadion ab Ende des Jahres abreißen und dann für 120 Millionen Euro ein neues bauen. Der Rest des Parks soll für weitere 60 Millionen Euro später umgestaltet werden. Im Auftrag der Sportverwaltung hat Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) das Projekt Stadion unlängst an sich gezogen – wegen dessen „internationaler Bedeutung“.

Das begrüßt auch die FDP. Ihr sportpolitischer Sprecher Stefan Förster fordert Lompscher auf, „schnell zu Baurecht zu kommen. Es kann nicht sein, dass diese Leuchtturmprojekt für den inklusiven Behindertensport an Partikularinteressen einiger Anwohnerinitiativen, unterstützt von Lokalpolitikern der Linken und Grünen, scheitert“. Im Abgeordnetenhaus werde auch die Opposition eine zügige Verabschiedung des Bebauungsplans wohlwollend unterstützen.

Stadion dient vor allem dem Fußball

Otto wirft dem Senat dagegen Etikettenschwindel vor. Er hat eine Schriftliche Anfrage bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport zu den Plänen für den „Inklussionssportpark“ eingereicht, die nun beantwortet wurde. Ottos Fazit: „Das Label Inklusion verlangt eindeutig, dass Sportvereine, die Sport für Menschen mit Behinderungen anbieten, bei der Entwicklung des Jahn-Sportparks bevorzugt werden müssen. Dazu ist am wenigsten das Große Stadion notwendig, wie die Anfrage ergeben hat. Die betreffenden Vereine brauchen Freiflächen, Hallen und eventuell einen Büroraum.“ Das Stadion sei für den „Inklusionssport“ dagegen völlig nachrangig – hier geht es vor allem um den Fußball. Abriss und Neubau sollen „dem normalen Betrieb wie bisher dienen“, kritisiert Otto.

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Otto gelang es mit seiner Anfrage in der Tat, die Sportverwaltung in Widersprüche zu verstricken. Laut Sportstaatssekretär Aleksander Dzembritzki hat beim Umbau des Sportparks zwar „die Schaffung inklusiver Sportanlagen höchste Priorität“. Doch der Staatssekretär musste auch einräumen, dass ausgerechnet das von seiner Verwaltung priorisierte Stadion für den Behindertensport praktisch keine Rolle spiele – es soll noch nicht einmal inklusiv errichtet werden. „Nur ein paar barrierefreie Plätze für Rollstuhlfahrer sind vorgesehen – wie bei jedem ganz normalen Stadion“, sagt Philipp Dittrich von der Bürgerinitiative Jahn-Sportpark.

Die etwa 60 Veranstaltungen pro Jahr setzen sich laut Dzembritzki „zu zwei Dritteln aus Fußball und einem Drittel aus Leichtathletik zusammen“. Der Fokus soll auch künftig auf dem Fußball liegen: Das Stadion stehe grundsätzlich allen Berliner Fußballvereinen zur Verfügung „und wird voraussichtlich als Heimspielstätte eines möglichen Aufsteigers in die 3. Liga (oder höher) genutzt werden“.

Bedarf für Behindertensport noch nicht gedeckt

Ob der angemeldete Bedarf des Behindertensports im neuen „Inklusionssportpark“ dagegen bedient werden kann, ist weiterhin unklar. Der Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Berlin und der Sportclub Lebenshilfe sollen zwar mit ihren Geschäftsstellen in den Jahnsportpark umziehen. Doch auch Pfeffersport und der Paralympische Sportclub haben laut Dzembritzki Bedarf an Geschäftsstellenräumen angemeldet: „Die Realisierungsmöglichkeit wird geprüft.“ Alle Vereine planen laut Dzembritzki „konkrete Inklusionssportangebote“ auf dem Gelände. Diese Pläne müssten laut Otto gegenüber einem Stadionneubau „die erste Priorität im Zeitplan und bei den Finanzmitteln haben“.

Gegen den Neubau des Stadions haben sich inzwischen diverse Bürgerinitiativen formiert, darunter die Bürgerinitiative Jahn-Sportpark. Sie verweisen auf das Sportforum in Hohenschönhausen. „Dort findet bei der Umgestaltung ein städtebaulich-landschaftsarchitektonischer Planungswettbewerb statt“, sagt der Architekt Dittrich. „Das ist die richtige Vorgehensweise – warum nur ist das beim Jahn-Sportpark nicht möglich?“ Er fürchtet wie seine Mitstreiter eine Kommerzialisierung des Areals und eine deutlich höhere Anzahl von Großevents durch das neue Stadion, die Verkehrs- und Lärmbelastungen für das Umfeld mit sich bringen. Das schließt auch Dzembritzki nicht aus.

Auch Konzerte könnten im Stadion stattfinden

Es sei zwar „davon auszugehen“, dass es etwa bei den bisherigen rund 60 Veranstaltungen pro Jahr bleibe. Aber er sagt auch: „Die Auslastung des Großen Stadions hängt insbesondere vom sportlichen Erfolg der nutzenden Vereine und von künftig in Berlin stattfindenden Einzelveranstaltungen, wie beispielsweise dem German Bowl im American Football, ab.“

Außerdem könnten künftig auch andere Events wie Konzerte im Stadion stattfinden. Bisher hatte das die Senatsverwaltung verneint – man wolle mit dem neuen Stadion nicht in Konkurrenz zu anderen Eventorten treten. Nun erklärt der Staatssekretär, für sportferne Events werde das Stadion zwar nicht konzipiert, aber Stadionkonzerte würden dann „im konkreten Einzelfall geprüft“. Eine maximal jährlich zulässige Anzahl von nicht sportorientierten Veranstaltungen könne derzeit nicht benannt werden.

Anwohner fürchten zudem, dass das mit Steuermitteln gebaute Stadion später an einen privaten Betreiber übergeben wird, der dann auch mit solchen Events auf maximale Auslastung setzen wird. Dem widerspricht Dzembritzki: „Es ist derzeit nicht beabsichtigt, die Sportanlage in eine andere Betreiberform zu überführen.“

Anwohner sollen weiter freien Zugang haben

Außerdem will Dzembritzki die Sorgen zerstreuen, der Sportpark könne künftig nicht mehr durch Anwohner genutzt werden. Derzeit können fast alle Freianlagen offen genutzt werden. „Alle bisherigen Nutzungsoptionen für den Individualsport sollen erhalten bleiben“, verspricht Dzembritzki. Für Jogger soll eine neue Laufstrecke sowie unter Einbeziehung der Wege des Mauerparks ein längerer Rundkurs geschaffen werden. Unter den Platanen an der Cantianstraße soll ein großer „Outdoorfitnesspark“ entstehen. Dzembritzki: „Im Rahmen der weiteren Planungen wird geprüft, ob auch einige Beachvolleyball-/Beachsoccer-/Beachhandball- und Tennisplätze so hergerichtet werden können, dass diese für die uneingeschränkt freie, nicht vereinsgebunde Nutzung zur Verfügung gestellt werden können.“

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