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Die Lichterfelder Weidelandschaft: Sie soll als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen werden.

© Hans Jörg Henning

Leitbild für die Lichterfelder Weidelandschaft: Ein Puzzle aus geschützten und nicht geschützten Teilen

Das Bezirksamt hat ein Leitbild für die einzigartige Lichterfelder Weidelandschaft erstellt. Über Hochwege und Stege soll die Natur erlebbar und zugleich bewahrt werden.

Naturschutz, Umweltbildung und zugleich Erholung: geht das zusammen? Die Umweltbezirksstadträtin von Steglitz-Zehlendorf, Maren Schellenberg (Grüne), meint ja. In einem von Fachleuten und im Auftrag des Bezirkes angefertigten Leitbild werden diese drei Punkte für die Weiterentwicklung der Lichterfelder Weidelandschaft zusammengedacht. „Es ist praktisch unsere letzte Möglichkeit, noch Einfluss auf die Entwicklung des Gebietes zu nehmen“, sagt Schellenberg. Denn das Bebauungsplanverfahren (B-Plan) für das dort geplante neue Wohngebiet ist in vollem Gange. Mit den Ideen des Leitbildes in der Tasche will der Bezirk jetzt mit den beteiligten Planern über deren Umsetzung diskutieren.

„Denn das Neubaugebiet in Lichterfelde-Süd wird eine Menge mit der Umgebung machen“, gibt sie zu bedenken. Die Groth Gruppe, Investor und Eigentümer des knapp 100 Hektar großen ehemaligen Militärgeländes, will auf einer Teilfläche – auf etwa 37 Hektar - circa 2500 Wohneinheiten errichten. In den letzten Jahrzehnten hat sich auf einem Großteil des Gebietes aber eine einzigartige Naturlandschaft mit einem Reichtum an seltenen Pflanzen- und Tierarten entwickelt. Fachleute nennen es „Hotspot der Biodiversität“.

Erfolgreiche Landschaftspflege mit Pferden

Zudem werden Teilflächen seit Anfang der 1990er Jahre von Pferden der Reitgemeinschaft Holderhof beweidet; daher auch der Name Lichterfelder Weidelandschaft. „Hier werden domestizierte Pferde wie Wildpferde gehalten, das hat Modellcharakter und ist einmalig in Deutschland“, sagt Irmela Wübbe vom Bereich Landschaftsplanung im Umwelt- und Naturschutzamt. Aus Sicht des Naturschutzes habe sich dieses besondere Weidekonzept als eine sehr erfolgreiche Landschaftspflege erwiesen und soll fortgeführt werden.

Der jetzige Holderhof müsste aber weichen, steht er doch auf einer Fläche, die laut Planung später bebaut werden soll. Irmela Wübbe erklärt dazu: „Wenn bei dem Neubau des Wohngebietes aus naturschutzfachlicher Sicht wertvolle Lebensräume, Weideflächen sowie die für die Tierhaltung erforderliche Infrastruktur verloren gehen, ist der Investor verpflichtet, für Ausgleichsmaßnahmen zu sorgen.“

Im Leitbild des Bezirkes wird daher als Ersatz für den Holderhof eine Fläche an der Osdorfer Straße vorgeschlagen - auf einem ehemaligen Hubschrauberlandeplatz. Hier gebe es zum einen schon eine Zufahrt für Wirtschaftsfahrzeuge und zum anderen spreche die abgelegene Randlage für den Standort. „Denn die Pferde sollen sich auch zurückziehen können“, erläutert sie weiter.

Geht es nach dem Wunsch des Bezirkes würden Teile der Weidelandschaft künftig für Besucher zugänglich gemacht. Vorgesehen sind vier bis fünf Eingänge, ein Panoramaweg, der als Brücke über Teile der Weideflächen führt, ein Steg und Aussichtspunkt, Informationstafeln. Als Betreiber käme ein freier Träger infrage. Laut Bezirksamt habe bereits der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Interesse angemeldet. Vorbild für die Gestaltung des Areals könnte der Natur-Park Südgelände in Schöneberg sein.

Kein Mountainbike fahren, keine Hunde

„Wir halten ein geregeltes, naturverträgliches Betreten für wichtig, denn die Bereiche der hochwertigen Natur sollen geschützt und gleichzeitig eingeschränkte Flächen für die Erholung genutzt werden“, veranschaulicht Irmela Wübbe. Der Zaun beziehungsweise eine Art der Einfriedung um das Gelände könne bleiben. Nicht jede Erholung müsse überall möglich sein. Etwa Mountainbike fahren oder Hunde frei laufen lassen, schließe sie hier in der Weidelandschaft aus. Denn das würde mit der Beweidung der Pferde kollidieren.

Ein weiterer Schwerpunkt für die Weiterentwicklung der Weidelandschaft könnte ein Umweltbildungszentrum sein, das auf dem Gelände errichtet wird - für wissenschaftliche Lehre und Forschung, als Fortbildungsstätte oder als grüner Lernort für Kinder und Verbände.

Die Weidelandschaft soll Landschaftsschutzgebiet werden

Hohe Priorität jedoch für den Bezirk hat insbesondere das Verfahren für die Unterschutzstellung der Weidelandschaft; also die Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet. Dafür ist der Senat zuständig. Maren Schellenberg zeigt sich in dieser Hinsicht optimistisch und hofft, dass es schnell geht. Denn mit einem höheren Schutzstatus sei es noch besser möglich, die wertvolle Landschaft zu erhalten. Im Moment vergleicht sie die Situation vor Ort mit einem Puzzle aus geschützten und rechtlich nicht geschützten Teilen.

Bereits geschützte Bereiche seien etwa Biotope wie die so genannte Schweinesuhle, die zum Beispiel der Moorfrosch als Laichgewässer nutzt. Hingegen nicht geschützt sei zum Beispiel die „Geisterstadt“, in der einst militärische Übungen durchgeführt wurden. Hier gebe es Aufwertungspotenziale für Ausgleichsmaßnahmen. Beispiel: aus der militärischen Nutzung ist ein nachgebildetes Kanalisationssystem erhalten. Dessen Umgestaltung käme unter Umständen als Winterquartier für Fledermäuse infrage. Auch das ist laut dem Leitbild zu prüfen. Denn unter anderem Fledermäuse, Zauneidechsen und Wechselkröten würden durch den Bau des Wohngebietes in Lichterfelde-Süd einen Teil ihres Lebensraumes verlieren und müssten umgesetzt werden.

Im Gespräch: Irmela Wübbe, Mitarbeiterin im Bereich Landschaftsplanung im Umwelt- und Naturschutzamt, (rechts) Maren Schellenberg (Grüne), Bezirksstadträtin für Immobilien, Umwelt und Tiefbau
Im Gespräch: Irmela Wübbe, Mitarbeiterin im Bereich Landschaftsplanung im Umwelt- und Naturschutzamt, (rechts) Maren Schellenberg (Grüne), Bezirksstadträtin für Immobilien, Umwelt und Tiefbau

© Anett Kirchner

„Doch nicht jede Tierart kann man einfach an einer Stelle wegnehmen und woanders wieder hinsetzen“, beschreibt es Maren Schellenberg. Deshalb habe man in dem Leitbild diverse „Suchräume“ festgelegt. Das sind Flächen, die sich für Ausgleichsmaßnahmen anbieten. Diese erstrecken sich teilweise über die Grundstücks- und Landesgrenzen hinaus; etwa nach Brandenburg in das Landschaftsschutzgebiet Diedersdorfer Heide - Großbeerener Graben. Perspektivisch wäre es möglich, hier einen Biotopverbund zu schaffen, der nicht an Landesgrenzen Halt macht, sagt die Stadträtin.

All das, was in dem Leitbild nun zusammengefasst werde, seien Vorschläge, eine Diskussionsgrundlage, nicht in Stein gemeißelt. Man dürfe nicht vergessen, dass es sich bei der Weidelandschaft um ein Privatgrundstück handle. Und dann gibt sie noch eine Frage mit auf den Weg: „Ist es nicht schön, an einem Naturschutzgebiet zu wohnen und macht das das Wohngebiet in gewisser Weise nicht einzigartig?“

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